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Wenn 31 Punkte Vorsprung nicht reichen: Wie PSG-Trainer seit 2011 scheiterten

Stress an Weihnachten und die "Republik der Spieler"

Wenn 31 Punkte Vorsprung nicht reichen: Wie PSG-Trainer seit 2011 scheiterten

Selbst Thomas Tuchel (li.) und Carlo Ancelotti (re.) blieben nicht lange: Kommt Luis Enrique (2.v.li.) mit Präsident Nasser Al-Khelaifi (2.v.re.) besser zurecht? 

Selbst Thomas Tuchel (li.) und Carlo Ancelotti (re.) blieben nicht lange: Kommt Luis Enrique (2.v.li.) mit Präsident Nasser Al-Khelaifi (2.v.re.) besser zurecht?  imago images (3)

Antoine Kombouaré: Zu gewöhnlich

Als Qatar Sports Investments 2011 in Paris einstieg, war PSG ein vergleichsweise gewöhnlicher Verein mit einem vergleichsweise gewöhnlichen Trainer. Nur wenige Monate nach dem Beginn der neuen Ära war die von Kombouaré vorbei - obwohl er PSG in seinem letzten Spiel noch an die Tabellenspitze der Ligue 1 geführt hatte. Das reichte aber schon längst nicht mehr. Es musste ein großer Name her.

Carlo Ancelotti: Zu früh

Mit dem großen Italiener wurde kurz nach Weihnachten 2011 QSI-Zeitenwende endgültig eingeleitet. Zunächst kam Ancelotti jedoch in der neuen Liga gar nicht zurecht. Zwar erbte er von Kombouaré die Tabellenführung, die Meisterschaft verlor er mit PSG aber noch an Montpellier. Nach einer ersten wilden Einkaufstour im darauffolgenden Sommer (Ibrahimovic, Verratti, Thiago Silva) wurde er erst in seiner zweiten Saison den nationalen wie internationalen Ansprüchen gerecht.

Trotz der ersten Meisterschaft seit 1994 und einem knappen Aus in der Champions League gegen Barcelona warf Ancelotti nach seiner einzigen kompletten Saison in Paris 2013 hin - wegen interner Streitigkeiten mit Sportdirektor Leonardo, dem damals nachgesagt wurde, selbst auf den Trainerposten scharf zu sein. "Als ich bei PSG unterschrieben hatte, glaubte ich an das Projekt", sagte Ancelotti später. "Irgendwann wurde mir bewusst, dass es den Verantwortlichen gar nicht darum ging." Im Umfeld des Klubs glauben viele, dass der Italiener, wäre er geblieben, den ersehnten Champions-League-Titel geholt hätte.

Laurent Blanc: Zu unvollendet

Der Weltmeister von 1998 hatte von 2013 bis 2016 die längste und rückblickend erfolgreichste Ära aller QSI-Trainer. Elf von zwölf möglichen Titeln auf nationaler Ebene fuhr er ein, dominierte in der Liga nach Belieben. In einem "L'Equipe"-Ranking der besten PSG-Trainer liegt Blanc ganz vorne - auch, weil die von Ibrahimovic angeführte Offensive zu dieser Zeit auch spielerisch zu begeistern wusste.

Doch die Zeiten, in denen überzeugende Meisterschaften und schöner Fußball reichten, waren in Paris zu diesem Zeitpunkt längst vorbei - und der Durchbruch in der Königsklasse gelang auch Blanc nicht. Dreimal erreichte er das Viertelfinale, dreimal "nur" das Viertelfinale. Im Rückspiel 2016 gegen Manchester City (0:1) rückte Blanc zur Überraschung aller Beobachter vom zuvor erfolgreichen 4-3-3 ab - klassisch vercoacht. Präsident Nasser Al-Khelaifi entließ Blanc daraufhin und bezeichnete die komplette Saison als Misserfolg - obwohl PSG die Meisterschaft mit 31 (!) Punkten Vorsprung gewonnen hatte.

Unai Emery: Zu wenig Champion

Nach drei Europa-League-Titeln mit Sevilla in Folge lotste PSG den Spanier 2016 nach Paris, "um einen neuen Zyklus anzubrechen", wie Al-Khelaifi sagte. Doch der alte schien sich nur zu wiederholen. Emery weist zwar bis heute die höchste Siegquote aller PSG-Trainer auf, doch hängen bleiben die großen Niederlagen. Dass Emery nach der desaströsen "Remontada" in Barcelona im März 2017 und der im Zweikampf mit Monaco verlorenen Meisterschaft überhaupt noch ein Jahr bleiben durfte, überraschte mit Blick auf seine beiden Vorgänger.

Mit Neymar und Kylian Mbappé brach personell im folgenden Sommer eine neue Zeitrechnung an, doch die von Emery hatte zu diesem Zeitpunkt längst ein Ablaufdatum - erst recht, nachdem PSG in der Champions League chancenlos gegen Real Madrid ausschied. Die Königsklasse war letztlich doch eine Liga zu hoch für den Europa-League-Champion.

Thomas Tuchel: Zu unbequem

Der heutige Bayern-Trainer brachte bei seinem Amtsnatritt 2018 viel von dem mit, was sich die Bosse bei seiner Ankunft erhofft hatten: Neymar lief unter seiner Ägide zur Bestform auf, di Maria und Marquinhos erlebten einen zweiten Frühling, Mbappé traf, wie er wollte. Zum Start seiner Zeit gewann Tuchels PSG in der Liga 14 Spiele in Folge - bis heute Rekord. International zählte sein Team zu den Top-Klubs des Kontinents, scheiterte aber einmal äußerst unglücklich an Manchester United - und verlor dann das erste Champions-League-Finale der Vereinsgeschichte gegen den FC Bayern.

Thomas Tuchel, Neymar

So nah dran war keiner: Thomas Tuchel und Neymar nach dem verlorenen Champions-League-Finale 2020. IMAGO/ABACAPRESS

Dennoch genoss Tuchel bei Medien und Fans ein hohes Ansehen, nicht aber innerhalb des Vereins. Mit Sportdirektor Leonardo legte sich Tuchel mehrmals öffentlich an, vor allem in der Zeit nach dem Champions-League-Finale. Dass Leonardo Tuchels Kapitän Thiago Silva abgab, kritisierte Tuchel scharf, sagte: "Wenn die Mannschaft so bleibt, können wir nicht mehr über die gleichen Ziele sprechen." Auch mit Spielern, darunter mit Mbappé, soll es zu Auseinandersetzungen gekommen sein. Um Weihnachten 2020 war das Binnenverhältnis endgültig nicht mehr zu retten, an Heiligabend wurde Tuchel von seinen Aufgaben entbunden - einen Tag nach einem 4:0-Sieg gegen Straßburg.

Mauricio Pochettino: Zu unsichtbar

Mit dem Argentinier begann die Zeit des Überkompensierens. Auf den unbequemen Pedanten Tuchel folgte der im Vergleich fast schon brave, die lange Leine lassende Pochettino. Der feierte in der Champions League zwar große Siege gegen Barça und Bayern, ließ aber gleichzeitig völlig überraschend die französische Meisterschaft im Duell mit Lille und seinem Nachfolger Christophe Galtier liegen. Die nächste große Transfer-Offensive 2021 mit Messi, Donnarumma und Sergio Ramos setzte dem heutigen Chelsea-Coach quasi implizit die Pistole auf die Brust.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war Pochettino bestenfalls noch Nebendarsteller in einem Verein, in dem die Mannschaft den Ton vorgab. Die "Republik der Spieler" wurde zum geflügelten Wort in Paris, weil Pochettino zwar fleißig Kommandos gab, aber mitunter geunkt wurde, PSG könne auch ohne Trainer spielen und keiner würde es merken. Durch die hohe individuelle Klasse hatte PSG zwar den späteren Sieger Real Madrid im Champions-League-Achtelfinale am Rande einer Niederlage. Dann kam Karim Benzema - und drückte auch Pochettino mit seinem Hattrick ein Ablaufdatum auf die Stirn.

Christophe Galtier: Zu unbedacht

Nach dem gescheiterten Pochettino-Experiment holte sich PSG den Mann ins Boot, der den Verein auf nationaler Ebene zuvor beständig geärgert hatte - aber international kaum Erfahrung mitbrachte. Das sah man schließlich auch: Galtier überwarf sich mit unbedachten Äußerungen im Haifischbecken Paris mit einigen Medienvertretern, genoss bei der Mannschaft durch seine harte Gangart wenig Wertschätzung und füllte den Glamour-Klub eher mit Beton als Diamant.

Nach gutem Beginn ging seine einzige PSG-Saison nach der WM-Pause schließlich auch sportlich die Seine hinunter, zwischenzeitlich verlor PSG fünf von neun Pflichtspielen, schied chancenlos aus dem Pokal und der Champions League aus und gewann seinen einzigen Titel, die französische Meisterschaft, mit genau einem - angesichts des völlig überlegenen Kaders geradezu lächerlichen - Punkt Vorsprung auf den RC Lens. Nach nur 50 Pflichtspielen ist Galtier nun wieder Geschichte - weniger Spiele als er bekam kein Trainer von QSI.

Michael Bächle