Bundesliga

VfB-Präsident Vogt bricht sein Schweigen im kicker-Interview

54-Jähriger spricht im kicker-Interview

Präsident Vogt bricht sein Schweigen: "Die Einmischung des Kapitals geht beim VfB zu weit"

Claus Vogt äußert sich im Interview zu den immer wiederkehrenden Vorwürfen gegen seine Person und welche Lösungsvorschläge er anbietet.

Claus Vogt äußert sich im Interview zu den immer wiederkehrenden Vorwürfen gegen seine Person und welche Lösungsvorschläge er anbietet. IMAGO/Sportfoto Rudel

"Meine Lösungsvorschläge, beispielsweise Herrn Meschke (Finanzvorstand des neuen Anteilseigners Porsche, d. Red.) die Sitzungsleitung bei Aufsichtsratssitzungen zu übergeben, wenn es so professioneller ablaufen würde, oder auch meinem Vizepräsident Rainer Adrion, wurden abgelehnt", stellt Vogt klar, der vor zwei Wochen den Vorsitz im Aufsichtsrat an Gönner verloren hatte. Kurz zuvor, am 9. März, hatte es ein von der ehemaligen CDU-Landesministerin moderiertes Gespräch zur Konfliktlösung gegeben. Kurios: Bereits am Tag vor dem eigentlich zur Klärung angedachten Gespräch hatte laut Vogt dessen Stellvertreter im Aufsichtsrat, Peter Schymon, zu der Sitzung eingeladen, bei der amtierende e.V.-Präsident dann abgewählt wurde.

Dass Vogt kurz vor der Verkündung des millionenschweren Einstiegs von Porsche zugestimmt habe, den Aufsichtsratsvorsitz unter Einbeziehung der Mitglieder und nach Vollzug des Deals freizumachen, erklärt der 54-Jährige sowohl mit inhaltlichem wie zeitlichem Druck: "In der Situation konnte man nichts richtig machen. Entweder der uns vorgestellte Einstieg eines Wunschpartners scheitert speziell an mir und der VfB kommt dadurch weiter in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Oder ich unterschreibe eine Erklärung, die zwar unverbindlich ist, aber später auch als Druckmittel genutzt werden kann." Wie er die Rücktrittsforderungen aus der Cannstatter Kurve sieht, was er zu den immer wiederkehrenden Vorwürfen gegen seine Person sagt und welche Lösungsvorschläge er anbietet, lesen Sie im folgenden Interview.

Herr Vogt, Sie wurden jüngst als Aufsichtsratschef abgewählt. Nicht zum ersten Mal gibt es Kritik an Ihrer Arbeit und Sie wirken isoliert. Kleben Sie an Ihrem Amt?

Nein. Erstmal bin ich stolz, Präsident des VfB sein zu dürfen. Ich erlebe jetzt aber auch zum wiederholten Mal den Versuch, mich mit bis ins Persönliche gehenden Behauptungen aus den Ämtern zu drängen. Das ist persönlich kein Vergnügen, nur weil man sich für seinen Verein und seine Mitgliederrechte einsetzt, das macht schon etwas mit einem Menschen. Vor allem, weil diejenigen, die beim ersten Mal gescheitert sind, daraus gelernt haben und jetzt viel zielstrebiger und öffentlichkeitswirksamer agieren als beim letzten Mal.

Können Sie bitte konkreter werden?

Wenn ich mir die Geschehnisse seit der Bekanntgabe des Einstiegs der Porsche AG als drittem Partner beim VfB von Juni 2023 bis heute ansehe, erweckt das schon den Eindruck, dass es da wieder einen roten Faden gibt. Beim ersten Versuch vor vier Jahren hat man noch gedacht, ich knicke aufgrund des öffentlichen Drucks durch bloße Behauptungen ein oder werde deswegen abgewählt. Da wurde ich, aber vor allem auch unsere Mitglieder des VfB, massiv unterschätzt. Diese hatten nach 2017 ein gutes Gespür für solche Situationen entwickelt. Aktuell kommt mir aber das Zusammenwirken einiger Ehemaliger mit Aktiven wie ein „gut" geplantes Puzzle vor, bei dem man erst nach dem Einfügen bestimmter Teile erkennt, wie das Bild aussehen soll.

Die Fans in der Cannstatter Kurve fordern nun einen Rücktritt des gesamten Präsidiums, die aktive Fanszene galt eigentlich als Ihr Machtzentrum. Werden Sie als Präsident dieser Aufforderung nachkommen?

Lassen Sie mich bitte an der Stelle vorwegsagen: Von Tag eins als Präsident habe ich mich immer für die Mitglieder, für den e.V. und somit für 50+1 eingesetzt und alles gegeben. Dass ich mit dieser Haltung häufig intern, aber auch extern für manche ein Dorn im Auge war und bin, ist mir absolut bewusst. Das hält mich aber nicht davon ab, mich weiter für genau diese Werte im deutschen Fußball und bei unserem VfB einzusetzen. Ich bin nicht nur hier beim VfB, sondern auch in der DFL in viele Diskussionen gegangen, immer mit dem Ziel sich in einer fortschreitenden kommerziellen Entwicklung auf das Fundament, Rückgrat und das Herz des Fußballs zu besinnen - immer mit der Frage: "Für wen spielen wir eigentlich Fußball"?

Wer ist das aus Ihrer Sicht?

Wir spielen für die Menschen und Fans, die den Fußball lieben. Für die möchte ich da sein. Diesen Kampf führe ich beim VfB Stuttgart, wie auch zuletzt in der DFL. Dass ich für manche ungemütlich bin, wenn intern mit unfairen Mitteln gespielt wird, 50+1 gekonnt ausgehebelt werden soll oder Mitgliederrechte mit Füßen getreten werden, da kann und darf ich in meinem Amt und in meiner Position nicht tatenlos zuschauen. Da kann gerne dann auch die Gegenseite weiter mit ihrer PR-Maschine mit immer den gleichen schreibenden Personen und Medien machen, was sie will. Das schadet nicht nur mir, sondern vor allem dem VfB. Aber ich nehme das in Kauf, weil es der richtige Kampf ist, für Mitglieder, für 50+1, für unseren Fußball.

Ich respektiere jede Meinungsäußerung. Natürlich auch und besonders die unserer Fans in der Cannstatter Kurve. Dass mich diese Forderung in meinem Herzen getroffen hat, können Sie sich vorstellen.

Claus Vogt

Sie beantworten nicht die Frage: Werden Sie zurücktreten, da Sie Ihr Machtzentrum nun offenbar verloren haben?

Ich respektiere jede Meinungsäußerung. Natürlich auch und besonders die unserer Fans in der Cannstatter Kurve. Dass mich diese Forderung in meinem Herzen getroffen hat, können Sie sich vorstellen. Nach wie vor ist aber unsere Mitgliederversammlung das höchste Organ und Gremium unseres Vereins, des VfB Stuttgart 1893 e.V., diese hat uns bzw. mich auch gewählt. Nur und ausschließlich diesem bin ich verpflichtet und Rechenschaft schuldig, welcher ich nachkommen werde.

Es ist kein Geheimnis mehr, dass Porsche seinen Einstieg an die Forderung knüpfte, dass Sie als Präsident und Aufsichtsratschef zurücktreten mögen. Wann erfuhren Sie erstmals von den Verhandlungen mit Porsche und wie ging es dann weiter?

Im Herbst 2022, jedoch ohne Kenntnis über deren Inhalte und Auswirkungen, nur dass es Gespräche gibt. Der AG-Vorstand hatte den Einstieg von Porsche initiiert, sämtliche Vorgespräche geführt und später die nachfolgenden Themen zu Vertragsinhalten und weiteren Absprachen mit den Vertretern von Porsche für den Verein alleine verhandelt. Der Verein wurde indirekt über seine dortigen Vertreter in einer Sitzung des Aufsichtsrats am Donnerstag, den 22. Juni 2023, informiert.

Wie waren die Abläufe vier Tage danach am 26. und am 27.Juni?

Ich bin am Tag vor der Veröffentlichung des Porsche-Engagements, also am 26. Juni, genauso wie meine Präsidiumskollegen und alle anderen Mitglieder des Aufsichtsrates, vom Vorstandsvorsitzenden der AG angesprochen worden. Man forderte ultimativ dazu auf, die Absicht zu dokumentieren, ein bestimmtes zukünftiges Mitglied des Aufsichtsrates aus dem Hause Porsche bei der Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden in der Kandidatur zu unterstützen. Dies sei eine unverhandelbare Bedingung des neuen Partners. Für den Fall, dass wir und ich mich weigern, war klar, dass dies Konsequenzen gehabt hätte: bei der stark angespannten finanziellen Situation des VfB nach den sehr großen Verlusten in der Corona-Zeit und den Investitionen in unser Stadion war allen klar, dass die Erklärung keinesfalls zum "Deal-Breaker" werden darf. Die Folgen für den VfB wären hart gewesen, das war klar.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich habe mir in der Kürze der Zeit, vom Erhalt der Absichtserklärung bis zur Deadline, diese zu unterzeichnen, versichern lassen, dass die von einer durch den AG-Vorstand dazu beauftragten Anwaltskanzlei vorformulierte Absichtserklärung keine Rechtsverbindlichkeit hat und selbst zusätzlich in meiner eigenen Erklärung ausdrücklich aufgenommen, dass vor einer entsprechenden Kandidatur die Mitglieder des VfB zu beteiligen sind. Dies geschah in der beschriebenen persönlichen und zeitlichen Drucksituation, um dem bei der Ausgliederung und danach gemachten Versprechen gerecht zu werden und gleichzeitig das Engagement von Porsche nicht an mir und ohne Beteiligung der Mitglieder scheitern zu lassen. Warum dies so schnell alles passieren musste, ist bis heute nicht erklärt worden.

Wann erfuhren Sie persönlich erstmals davon, dass Ihr Rückzug vom Aufsichtsratsvorsitz wie auch als Präsident eine Bedingung für den Porsche-Einstieg ist?

Vier Tage vor der Pressekonferenz und somit am Abend des Freitags, den 23. Juni 2023 durch Alexander Wehrle und Rouven Kasper (Vorstandschef und Marketingvorstand der Profifußball-AG des VfB Stuttgart, d. Red).

Warum haben Sie nie transparent gemacht, dass es die Forderung nach Ihrer Absetzung als Präsident und als Aufsichtsratschef gab?

Weil es die in der Erklärung unterstellte Kandidatur eines Porsche-Vertreters für den Posten als Ratschef nicht gab und bis heute nicht gibt. Und weiter, weil meine eindeutig unverbindliche Erklärung und die ansonsten gleichlautenden Erklärungen der anderen Aufsichtsräte aus Juni 2023 längst gegenstandslos waren. Das stand seit der endgültigen Vereinbarung mit Porsche fünf Monate später fest. Denn die Vereinbarung weicht in vielen wesentlichen Punkten von dem Ende Juni vorgestellten Engagement deutlich ab. Es gibt sogar ein Rechtsgutachten, welches unserem Präsidium seit Anfang März schriftlich vorliegt, wonach diese Absichtserklärungen unverbindlich sind.

Übrigens: Durch die nun gewählte Konstellation im Aufsichtsrat ist mit Tanja Gönner, Peter Schymon und Rainer Adrion als Mitgliedern des Präsidialausschusses die an sich vorgesehene Mehrheit des Vereins in dem wichtigen Kontrollgremium verloren gegangen. Dort werden unter anderem auch die Verträge des Vorstands vorbereitet (Anm. d. Red.: Schymon ist Vertreter von VfB-AG-Anteilseigner Mercedes Benz, Gönner formal vom e.V. entsandt, lediglich Adrion aber ist von der e.V.-Mitgliederversammlung gewählt).

Worin weicht der Porsche-Deal denn von dem ab, was im Juni präsentiert wurde?

Zu Vertragsinhalten gebe ich keine Auskunft.

Heute weiß ich, dass es ein Fehler war.

Claus Vogt

Warum haben Sie die Rücktrittsforderung nicht zurückgewiesen in dem Wissen, dass dies ein Bruch des 2017er Versprechens gegenüber den Mitgliedern darstellt?

Ich war, wie alle anderen Aufsichtsräte, die die Erklärung unterzeichnet haben, in großem Zeitdruck, in der Situation konnte man nichts richtig machen. Der Druck war enorm: entweder der uns vorgestellte Einstieg eines Wunschpartners scheitert speziell an mir und der VfB kommt dadurch weiter in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Oder ich unterschreibe eine Erklärung, die zwar unverbindlich ist, aber später auch als Druckmittel genutzt werden kann, wenn es denn die beschriebene Kandidatur geben sollte. Heute weiß ich, dass es ein Fehler war. Denn obwohl die Erklärungen aller Aufsichtsräte des VfB für jeden erkennbar keine weitere Rolle spielten, wurde allein meine Erklärung medial und strategisch gespielt mit dem Ziel meiner Abwahl als Aufsichtsratsvorsitzender und somit einzig und allein zur öffentlichen Demontage meiner Person genutzt und eingesetzt.

Sie sprachen bei der Präsentation zum Weltmarkenbündnis davon, dass es "uns" gelungen sei, den Deal zu machen. Können Sie es nachvollziehen, dass es nun heißt, Sie hätten sich im Glanze des Deals gesonnt?

Nein. Wenn wir und besonders ich in Stuttgart von "uns" reden, meinen wir immer den ganzen VfB auf allen Ebenen. Wer die Pressekonferenz gesehen hat, wird direkt erkennen, dass die Vorstände der AG die maßgeblichen Personen bei der Anbahnung, den Verhandlungen und der Umsetzung des Einstiegs von Porsche waren und sind. Daran haben weder ich noch meine Präsidiumskollegen jemals einen Zweifel gelassen.

Es gibt immer wieder Vorwürfe gegen Sie von Personen auf verschiedensten Ebenen. Warum ecken Sie offensichtlich wiederholt an?

Diejenigen, die es genau verfolgen, erkennen die Muster, dass ich zum wiederholten Mal aus ähnlicher Richtung öffentlich angegriffen werde: entweder von denen, die ich daran erinnere, den VfB nicht allein mit Geld, Macht und Einfluss wie ein Wirtschaftsunternehmen zu führen ist, sondern vielmehr wie es sich für einen großen Verein der Bundesliga gehört mit Ehrlichkeit, Vernunft und Weitsicht. Oder von den anderen, die sagen: "Claus, jetzt hör auf, Dich immer wieder in der AG für den Verein und seine Mitglieder so stark einzusetzen, immer diese 50+1-Diskussion, das bringt nichts."

Konkret werfen Ihnen Kritiker vor, der Aufsichtsrat sei handlungsunfähig und der Sport in der AG wäre beeinträchtigt.

Ich sehe nicht, dass wir ohne die Aufsichtsratssitzungen und deren mediale Begleitung mehr Tore erzielt oder mehr Punkte geholt hätten. Wir haben sechs Spiele nacheinander nicht verloren und dabei sogar fünfmal gewonnen. Die Mannschaft und das ganze Team lassen sich davon nicht beeindrucken und sind auch nicht involviert. Sie machen uns alle stolz. Jedenfalls darin sind wir uns alle einig. Die Handlungsunfähigkeit des Aufsichtsrates ist durch nichts belegt. Wir waren immer uneingeschränkt handlungsfähig. Ich bin nun seit 2019, damals noch in der 2. Liga, und somit im sechsten Jahr im Amt, als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender.

Wir hatten wirklich viele Sitzungen. Ich behaupte von mir nicht, in meiner anfangs ehrenamtlichen Tätigkeit perfekt zu sein. Vielleicht laufen die Sitzungsvorbereitungen in großen deutschen Industrieunternehmen oder Verbänden anders ab. Und trotzdem ist zu keinem Zeitpunkt irgendetwas formal falsch gelaufen. Kein einziger Beschluss im Präsidium und auch im Aufsichtsrat wurde jemals moniert. Es wurde sogar noch zuletzt auf der Klausurtagung Anfang Februar von einer sehr guten Zusammenarbeit gesprochen. Warum das auf einmal nicht mehr so sein soll? Darüber kann und sollte sich jetzt jeder selber seine Gedanken machen...

Bei der Klausurtagung in Freiburg Anfang Februar drängte Lutz Meschke von Porsche offenbar auf Einlösung der Zusage aus dem Sommer. Wie haben Sie dieses Treffen wahrgenommen?

Es gab keine Kandidatur von Lutz Meschke für den Vorsitz im Aufsichtsrat und auch keinerlei Kritik an meiner Amtsführung.

Ende Februar wurden Meschke und Albrecht Reimold von Porsche in den Aufsichtsrat aufgenommen, eine Woche später wurde erstmals über die Abgabe des Vorsitzes Ihrerseits diskutiert. Was wurde in dieser Sitzung konkret besprochen?

Konkrete Sitzungsinhalte sind vertraulich. Dazu kann und werde ich nichts sagen, auch nicht, ob dies schon früher intern ein Thema war.

Wenn der Verein und seine Mitglieder nicht aufpassen, verkommt er bei unserem VfB zur reinen Folklore.

Claus Vogt

Aufsichtsrätin Tanja Gönner übernahm dann die Moderation in dem Konflikt. Wie haben Sie diese Moderation wahrgenommen?

Es gab ein Gespräch, an dem an meiner Seite der Vereinsbeiratsvorsitzende Rainer Weninger teilgenommen hat, da mein Vizepräsident Rainer Adrion leider verhindert war. Tanja Gönner, die seit 2022 Mitglied des VfB ist und in diesem Jahr auch mit Stimmen des Vereins zur Aufsichtsrätin gewählt wurde, trat als Moderatorin an der Seite von Herrn Meschke auf. Da war sie wohl schon Kandidatin für meine Nachfolge. Drei Tage später hat sie sich dann selbst zur Vorsitzenden wählen lassen. In dem nachfolgenden Statement hat sich Frau Gönner direkt auf die Investoren-Seite gestellt und die Kriterien bei der Auswahl des zukünftigen Präsidenten und für das Präsidium empfohlen. Das ist im deutschen Fußball schon einzigartig und lässt vermuten, dass weitere Schritte geplant sind. Wir müssen als VfB aufpassen, dass wir nicht ein investorengeführter Verein werden, der bei der DFL nicht einmal eine Sondergenehmigung benötigt.

Wie meinen Sie das?

Ich formuliere es mal ein wenig überspitzt: Wenn der Verein und seine Mitglieder nicht aufpassen, verkommt er bei unserem VfB zur reinen Folklore. Dann liefert er am Ende nur noch die Tradition und die Mitglieder und Fans die Stimmung im Stadion. Der Rest wird allein durch diejenigen bestimmt, die die Stellschrauben der AG drehen: Vorstand, Präsidialausschuss und Aufsichtsrat. So würde der VfB der erste von Investorenvertretern geführte Klub, der die Lizenz von der DFL ohne Ausnahmegenehmigung bekommt. Das wäre sicher für viele und natürlich auch für mich schwer zu ertragen.

Das wirkt ein wenig übertrieben. Zuletzt behaupteten Sie, in der aktuellen Ausgestaltung wäre 50+1 beim VfB nicht gegeben. Renommierte Vereinsrechtler wie Prof. Dr. Lars Leuschner widersprechen.

Das DFL-Schiedsgericht hat in seiner Entscheidung zur 50+1-Regel eine klare Vorgabe gemacht: Es müssen immer die aktive Gestaltung der Gesellschaft, die den Spielbetrieb organisiert, durch den Mutterverein und der aktive Einfluss des Vereins auf die Geschäfte der Spielbetriebsgesellschaft gesichert sein. Die DFL hat zur besonderen Situation bei Hannover 96 darauf hingewiesen, dass ein uneingeschränktes Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung der Spielbetriebsgesellschaft in den Fällen wichtig ist, wo der allgemeine Einfluss des Vereins auf die Geschäftsführung beeinträchtigt ist. Beides trifft für den Mutterverein beim VfB aber nun nicht mehr zu.

Warum?

Durch die Rechtsform der AG, die bei der Ausgliederung 2017 gewählt wurde. Das bedeutet: per Gesetz null Einfluss des Muttervereins auf die Vorstände der VfB-AG und null Einfluss auf die Tätigkeit der Aufsichtsräte, die den Vorstand aussuchen. Und das selbst dann, wenn der Verein die Aufsichtsräte entsendet oder vorschlägt. Nach deren Auswahl können Vorstände und Aufsichtsräte des VfB also formal machen, was sie wollen. Ich sehe hier leider keines der Kriterien des DFL-Schiedsgerichts zum Einfluss des Vereins erfüllt.

Einspruch: Die AG-Hauptversammlung, in der der e.V. die Stimmenmehrheit hält, kann Aufsichtsräte abwählen und neue bestimmen.

Ja, aber es geht an der Sache deutlich vorbei. Die Hauptversammlung kann von Porsche und Mercedes entsandte Aufsichtsräte nur mit deren Zustimmung abwählen. Außerdem ist eine Abwahl immer eine sehr harte Reaktion und sie ist immer nur nachträglich möglich, also wenn ein Schaden bereits entstanden und angerichtet ist. Neben dieser Einflussmöglichkeit agieren die Vertreter frei vom Willen oder den Interessen des Muttervereins. Das ist alles andere als eine sinnvolle aktive Einflussnahme auf die Geschäfte der AG.

Die Einmischung des Kapitals geht beim VfB nun deutlich zu weit und ist im deutschen Fußball einzigartig.

Claus Vogt

Ihrer Logik zufolge müssten auch der FC Bayern, der HSV oder Eintracht Frankfurt, ebenso Aktiengesellschaften, ähnliche Probleme haben.

Theoretisch ist das so, aber ich kann mich nicht erinnern, dass bei Bayern die Partner Audi, Adidas oder Allianz direkt nach dem Einstieg die Abwahl des Präsidenten oder des Aufsichtsratsvorsitzenden forciert hätten. Und überhaupt: Wann hat ein Vertreter dieser Aktionäre sich jemals erkennbar und öffentlich eingemischt oder geäußert? Ich finde, die Einmischung des Kapitals geht beim VfB nun deutlich zu weit und ist im deutschen Fußball einzigartig. Unser Vereinsbeirat sieht dies übrigens ähnlich kritisch. Der HSV hat das aktuell auch schon erkannt und geändert, das könnte auch unser Weg sein.

Haben Sie eine Erklärung für diese spezielle Situation in Stuttgart?

Immer wenn Anteile an Fußballklubs erworben werden oder diese ausgliedern, gibt es beim neuen Partner den Wunsch, Verbesserungen herbeizuführen und sich einzubringen. Das kommt mir beim VfB wohl deutlich ausgeprägter vor als sonst. Trotzdem ist der VfB kein Sport-Start-Up oder ein Mittelständler, in den man nach 130 Jahren mal kurz reingeht und dann erstmal aufräumt, was einem persönlich oder strategisch nicht in den Kram passt. Wenn sich jemand an einem DAX-Unternehmen mit gut fünf Prozent beteiligt, wählt der doch dort auch nicht als erstes den Aufsichtsratsvorsitzenden ab, den der Mehrheitsaktionär, also in unserem Beispiel der Mutterverein, ausgesucht hat und der seit sechs Jahren im Amt ist. Wir können als Fußballverein nicht bei der DFL und beim Bundeskartellamt etwas von der Verwurzelung unseres Fußballs bei den Mitgliedern erzählen und dann in wesentlichen Fragen den Mitgliederwillen einfach ignorieren und weil es nicht allen passt über Bord werfen. So geht das nicht!

Zurück zur Mediation mit Ihnen und Frau Gönner, Herrn Meschke und Herrn Weninger. Welche Optionen standen im Raum?

Entweder ich räume das Feld "freiwillig oder aus anderen Gründen" und jemand anderes wie Frau Gönner übernimmt oder ich werde abgewählt. Meine Lösungsvorschläge, beispielsweise Herrn Meschke die Sitzungsleitung bei Aufsichtsratssitzungen zu übergeben, wenn es so professioneller ablaufen würde, oder auch meinem Vizepräsident Rainer Adrion, wurden abgelehnt.

Wann lud Ihr bisheriger Stellvertreter im Rat, Peter Schymon von Mercedes-Benz, zur außerordentlichen Sitzung ein, an deren Ende Ihr Aus als Aufsichtsratschef stand?

Die Aufforderung an mich, einzuladen, erfolgte am Freitagabend, den 1. März, jedoch ohne eine geeignete Tagesordnung. Ich habe zwei Tage danach reagiert und eine Einladung an alle Aufsichtsräte von mir aus zugesagt. Mein Referent hat dazu Termine bei allen Aufsichtsräten abgefragt und abgeglichen. Zwischen Einladung und Sitzung müssen bei uns laut Satzung zwei Wochen liegen. Man bezeichnete meine Abwahl als dringende Angelegenheit und begründete dies unter anderem mit einer ansonsten gestörten Handlungsfähigkeit der AG. Ich habe dies anders gesehen und wollte erst einmal das geplante und moderierte Gespräch am 9 März abwarten. Das sahen einige anders und man sprach einen Tag vorher, also am 8. März, die Einladung zum 12. März aus.

Das heißt: Noch vor dem Moderationsgespräch war bereits eingeladen worden zu einer Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt Ihrer Abwahl?

So ist es. Dringend war nach meiner Wahrnehmung für die handelnden Personen ausschließlich meiner schnellen Abwahl und somit die Schwächung des e.V. Mein Wunsch, die vorherige Beteiligung der Mitglieder und weitere wichtige andere Themen zu diskutieren, wurde abgelehnt. Ich wollte allen Aufsichtsräten eine transparente und vollumfängliche Informationslage mitteilen, zu vielen wichtigen und kritischen Themen rund um den Porsche-Vertrag, auch der Vorstand hätte Fragen beantworten müssen. Aber dazu kam es leider nicht, das wollte dort niemand.

Hier bin ich selbstkritisch genug, zusagen: Ich hätte früher und transparenter öffentlich widersprechen müssen.

Claus Vogt

Mehrfach kam es im Aufsichtsrat zu Differenzen, nun sind Sie auch im e.V.-Präsidium offensichtlich in der Unterzahl. Wenn Fans sagen, Vogt sei das Problem, nicht die anderen, haben diese doch ganz augenscheinlich ein paar gute Argumente.

Ich habe eine klare Haltung: sich als Aktionär zu beteiligen und aufräumen lassen, was einem persönlich oder strategisch im Verein nicht passt, sollten nicht unsere Spielregeln sein, nicht im deutschen Fußball und schon gar nicht bei unserem VfB. Wie bereits erwähnt, sind es immer die gleichen Vorwürfe, die aus der gleichen Ecke kommen, einfach so an die Wand geworfen, klar nach dem Motto: "Irgendwann bleibt es schon haften bei den Menschen". Hier bin ich selbstkritisch genug, zusagen: Ich hätte früher und transparenter öffentlich widersprechen müssen. Mit Rainer Adrion pflege ich im Präsidium weiter eine gute Beziehung. Zu Herrn Riethmüller möchte ich eigentlich nichts sagen, er wollte das Versprechen von 2017 an die Mitglieder schon länger brechen, wie er in einem Interview letztes Jahr bereits auch öffentlich kundgetan hat. Daher war und ist es mir auch klar, dass wir unterschiedliche Ansichten haben, wie wir 50+1 im VfB leben wollen. Auch wenn es unterschiedliche Meinungen gibt, sollten wir uns aber letztendlich immer für im Interesse unseres VfB und seinen Mitgliedern einsetzen.

Was heißt das konkret?

Wir als Mutterverein müssen konfliktbereiter sein als andere in anderen Konstellationen im deutschen Fußball. Ich bin nur den Mitgliedern und der Vereinssatzung verpflichtet. Wenn die Mitglieder angepasstere Personen wollen, können sie sich dazu auf der Mitgliederversammlung entscheiden und das werde ich akzeptieren.

Vorwürfe gegen das Präsidium und Sie gibt es nun allerdings nicht zum ersten Mal.

All diese Vorwürfe sind widerlegbar falsch. Auch die Begründung für die Notwendigkeit einer Absetzung halte ich für vorgeschoben und rechtlich fragwürdig. Diese begannen mit einer Berichterstattung im Magazin Business Insider. Wenn derartige Berichte über einen Aufsichtsratsvorsitzenden dessen Abwahl begründen dürfen, lassen wir demnächst die Medien durch ihre Berichterstattung entscheiden, wer im Amt bleibt und wer gehen muss. Diese Begründung ist konstruiert.

Ihrem Statement zufolge möchten Sie gerne weiterhin Aufsichtsratschef sein. Wie soll das funktionieren nach dieser Eskalation?

Ich bin dafür offen, aufeinander zuzugehen, es gibt ja Kompromisse. Wir sind im Sport, da können schonmal auf dem Platz harte Worte fallen, die darf man später nicht auf die Goldwaage legen, da muss man sportlich drüberstehen und vergessen können. Meine Verbesserungsansätze werde ich auch weiter einbringen, es sei denn, die Mitglieder legen fest, dass es jemand anderes machen soll. Nur den Mitgliedern sind wir Rechenschaft schuldig. Es geht mir aber nie um die Person Claus Vogt. Es geht mir immer um das Amt des Präsidenten und die Stärkung des e.V.

Ich gebe unserem AG-Vorstand recht: Wir als VfB müssen proaktiv mit unserer Mehrheit in der AG die Initiative ergreifen.

Claus Vogt

Es gibt eine Initiative des Vorstandes der VfB AG …

Der e.V. wird hier die Gespräche führen, aber ich gebe unserem AG-Vorstand recht: Wir als VfB müssen proaktiv mit unserer Mehrheit in der AG die Initiative ergreifen. Allerdings sollten und werden wir als Verein jetzt erst einmal unsere Hausaufgaben intern machen und im Präsidium unter Beteiligung des Vereinsbeirates die Ansätze erarbeiten, die der Verein für wichtig hält. Hierzu gibt es bereits Termine, bei denen wir zusammen Lösungen erarbeiten werden. Da liegt die Federführung beim Mutterverein, der die Hoheit über die eigene Satzung und als Mehrheitsaktionär auch über die Regelungen in der AG hat. So habe ich auch die Forderung der Fans verstanden.

Die Kurve forderte auch Sie auf, als Präsident zurückzutreten, Sie haben dargelegt, dass Sie dies erst nach einem entsprechenden Mitgliedervotum tun würden. Wie sieht bis dahin Ihr Lösungsvorschlag für die Satzungsprobleme aus?

Wir tun gerade gut daran, die Ideen nicht öffentlich zu diskutieren. Aber vieles liegt auf der Hand: wir sollten schnell und somit vor der nächsten Mitgliederversammlung Einigkeit darüber erzielen, dass in der Satzung noch nachgeholt wird, was längst versprochen ist: Der Präsident des Vereins wird automatisch Vorsitzender des Aufsichtsrates, mindestens aber ein Präsidiumsmitglied. Eine Abwahl ist möglich, sollte aber nur aus wichtigen Gründen sein. Und was ebenfalls sinnvoll wäre: Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind in Zukunft primär aus den Gremien des e.V. zu besetzen. Das hebt zwar deren Weisungsfreiheit nicht auf, aber wer von der Mitgliederversammlung gewählt wurde, hat einfach eine deutlich engere Bindung an die Interessen des Muttervereins und seine Mitglieder.

Ich finde es jedenfalls nicht sinnvoll, dass der Aufsichtsratsvorsitz, der Vorsitz im Präsidialausschuss und die Leitung der Hauptversammlung der AG bei Tanja Gönner liegen sollen. Genau diese Konstellation einer Person, die nicht aus den Gremien des Vereins stammt, haben viele damals vermeiden wollen, die deshalb den Vorsitz immer beim Mutterverein als Mehrheitsgesellschafter und seinem demokratisch gewählten Vertreter und somit dem Vereinspräsidenten gesehen.

Interview: Benni Hofmann