Bundesliga

Gefühlt wie neu: Freiburgs Sierro "ist jetzt bereit"

Winterzugang: Anpassung, Studium und Extra-Schichten

Gefühlt wie neu: Freiburgs Sierro "ist jetzt bereit"

"Ich brenne darauf, meine Qualitäten einzubringen": Vincent Sierro.

"Ich brenne darauf, meine Qualitäten einzubringen": Vincent Sierro. imago

Aus dem Trainingslager des SC Freiburg in Schruns berichtet Carsten Schröter

"Eine Investition in die Zukunft", titelte der kicker am 2. Februar, kurz nachdem der Sportclub auf den letzten Drücker seine einzige Winterverpflichtung perfekt gemacht hatte. Nach kicker-Informationen zahlten die Breisgauer etwa 1,5 Millionen Euro an den FC Sion und statteten den Schweizer mit einem Vertrag bis 2021 aus - ohne ihn als Soforthilfe einzuplanen. Sierro war an der Achillessehne verletzt und alle Beteiligten wussten, dass zunächst einige Zeit für die Reha draufgehen würde. "Am Anfang war es nicht einfach. Du kommst zu einem neuen Verein und willst natürlich gleich mit den neuen Mitspielern trainieren, aber das ging die ersten zwei Monate nicht", blickt der 21-Jährige zurück.

Spielersteckbrief Sierro
Sierro

Sierro Vincent

"Sehr gut aufgenommen" wurde er im integrativ-unkomplizierten Kreis der Freiburger Profis dennoch auf Anhieb. Mit der rheinischen Frohnatur Lukas Kübler als Zimmergenosse gebe es viel zu lachen. Seit er zumindest auf den Trainingsrasen zurückkehrte und für die U 23 in der Oberliga einige Partien absolvierte, um in den Rhythmus zu kommen, konnte er sich in Ruhe an Taktik, Training, Spielweise, Trainerteam und Mitspieler gewöhnen. Zu einer Pflichtspielminute reichte es bisher noch nicht. Seine Kaderpremiere durfte er aber bereits beim 2:1 gegen Leverkusen feiern und flog auch jeweils als 19. Mann mit zu den Partien in Leipzig (0:4) und München (1:4), um auch die Abläufe auf Reisen kennenzulernen.

Wirtschaftswissenschaftler Sierro vor Bachelor-Abschluss

"Jetzt bin ich bereit", sagt Sierro leise aber bestimmt. Zum Gespräch mit dem kicker sitzt der sehr höfliche und freundliche junge Mann aus dem französischen Teil der Schweiz in der Lobby des Teamhotels in Schruns und erzählt von seinem Sommer, der nicht unbedingt typisch für einen Fußball-Profi verlief. Nach der Saison legte er im Juni zunächst erfolgreich Prüfungen im Rahmen seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften ab. Das betreibt er seit etwa drei Jahren neben dem Fußball an einer Fernuniversität in Lausanne mit dem baldigen Ziel Bachelor-Abschluss: "Das hilft, um auch mal Abwechslung im Kopf zu haben." Die Nebentätigkeit ruht jedoch aktuell, der gesamte Fokus des Einser-Abiturienten liegt auf seinem Hauptberuf. Fußball und SC Freiburg, für den er endlich in der Bundesliga auflaufen will. "Alles geht wahnsinnig schnell, es ist absolutes Top-Niveau und es herrscht eine unglaubliche Stimmung. Das will ich unbedingt auf dem Platz erleben", sagt Sierro.

Für dieses Ziel hat nach den Uni-Prüfungen nicht groß die Beine hochgelegt, vielleicht zehn, 14 Tage Urlaub gemacht, um sich dann mit einem Personal-Trainer fitzumachen. "Der Fuß ist gesund, ich habe gute Beine und fühle mich gut präpariert", sagt der schlanke, feingliedrige 1,85-Meter-Mann, der am liebsten im Zentrum spielt, egal ob als Sechser, Achter oder Zehner. Jetzt gilt es für den guten Techniker, sich vor allem in Sachen körperlicher Robustheit an das im deutschen Oberhaus geforderte Niveau anzupassen. "Da befindet er sich gerade im Prozess. Es war ja unsere Idee, ihn ankommen zu lassen und ihm die Zeit dafür zu geben", sieht ihn Sportvorstand Jochen Saier auf dem richtigen Weg.

Sierro brennt – aber die Konkurrenz im Mittelfeld ist groß

Wie schnell der allerdings zu Einsatzminuten in Pflichtspielen führt, bleibt abzuwarten. Die Konkurrenz gerade im Mittelfeldzentrum ist groß. Nicolas Höfler, Mike Frantz, Amir Abrashi und Julian Schuster kämpfen mit ihm um die Plätze, etwa auf der Doppelsechs im traditionellen 4-4-2 der Elf von Christian Streich. Weiter vorne dürfte Janik Haberer gesetzt sein. Dessen ist sich Sierro bewusst: "Wir haben viele gute Spieler, das kann nur gut sein fürs Team." Durch einen möglichen, längeren Verbleib in der Europa League gäbe es mehr Einsatzminuten für alle im Kader. Unabhängig davon stellt er klar: "Ich brenne darauf, meine Qualitäten einzubringen."

Streich bremst mit Beispiel Xhaka

Die kennt natürlich auch Streich, bremst aber mit einem Verweis auf ein prominentes Beispiel ein wenig die Erwartungen an den jungen Schweizer: "Granit Xhaka ist damals vom FC Basel zu Lucien Favre nach Gladbach gekommen und hat rund ein Jahr gebraucht, um richtig anzukommen." Die Bilanz des heutigen Stars im Mittelfeld des FC Arsenal in seiner Premieren-Saison bei den Fohlen 2012/13 liest sich tatsächlich ausbaufähig: 22 Einsätze (davon siebenmal eingewechselt, dreimal ausgewechselt), ein Tor, kein Assist, kicker-Notenschnitt 3,97. Allerdings war der heute 24-Jährige damals bereits als Leistungsträger im Schweizer Vorzeigeklub Basel für 8,5 Millionen Euro nach Gladbach gekommen.

Er ist hundertprozentig, in allem, was er tut, verlangt sich alles ab und will unbedingt.

SC-Trainer Christian Streich über Vincent Sierro

22 Bundesliga-Einsätze im kommenden Spieljahr würde Sierro wohl unterschreiben. "Er ist hundertprozentig, in allem, was er tut, verlangt sich alles ab und will unbedingt. Für ihn geht es um eine Anpassung an den Bundesliga-Kader. Wir müssen dahin kommen, dass er Vertrauen kriegt und hoffentlich auch Einsatzzeiten, um einige Dinge ausleben und lernen zu können. Und auch die Ruhe, wenn er mal einen Fehlpass spielt", erläutert Streich. "Er ist ein sehr gut erzogener, nobler Mensch. Der wollte nicht im ersten Zweikampf einen verletzen. Jetzt ist er aber da und du merkst, dass er probiert, hinzugehen, sich den Zweikämpfen zu stellen und ins Gegenpressing zu gehen. Dabei braucht er aber auch eine Tempoanpassung, weil er mit einer wahnsinnigen Intensität trainiert und in den Einheiten mit am meisten läuft von allen. Es muss also auch Situationen geben, wo er nicht ins lange Pressing geht, weil er es erkennt und dann Kraft hat für die nächste Szene."

An detaillierter Hilfestellung mangelt es Sierro bei diesem Trainer bekanntermaßen nicht. Der nächste Schritt ist die Umsetzung im Spiel. In den bisherigen Tests gegen die ernstzunehmenden Gegner Sandhausen (0:3) und Konyaspor (2:0) durfte er 60 respektive 45 Minuten mitwirken. Am Samstagabend (17 Uhr) steht in Schruns der letzte Test im Trainingslager gegen dem amtierenden holländischen Meister Feyenoord Rotterdam an. "Eine super Mannschaft, ein guter Test", freut sich Sierro. Und vielleicht kommt die Pflichtspielpremiere trotz aller Anpassungsprozesse doch schon am Donnerstag in der Europa-League-Quali gegen NK Domzale (21.05 Uhr, LIVE! bei kicker.de). Bei der derzeit angespannten Personallage des SC ist das sicher nicht ausgeschlossen.