Bundesliga

Timothy Chandler zieht Bilanz: "Es war sehr viel Tohuwabohu"

Frankfurt: Lob für die Mentalität, Kritik am Fußballerischen

Chandler zieht Bilanz: "Es war sehr viel Tohuwabohu"

picture alliance / SVEN SIMON

Ein in vielerlei Hinsicht turbulentes Jahr 2021 nähert sich dem Ende zu. Als hätte die Corona-Pandemie allein nicht schon genug Schaden angerichtet, entstanden bei der Eintracht dicht getaktet kleinere und größere Baustellen, vor allem personeller Natur. "Im Sommer und auch Ende letzter Saison war es sehr turbulent: Der geht, der geht, der hört auf, ein bisschen Zirkus oben, dann wird ein neuer Trainer gesucht, Transfers im Sommer, Filip (Kostic, wollte sich zu Lazio Rom streiken, Anm. d. Red.) und Amin (Younes, seit dem Sommer freigestellt, Anm. d. Red.) - es war sehr viel Tohuwabohu", blickt Chandler zurück. Der Verteidiger, eine Frohnatur wie sie im Buche steht, ließ sich davon jedoch nicht beirren: "Ich bin sehr entspannt mit der Situation umgegangen. Am Ende, wenn alles vorbei ist, zählen der Verein und die Mannschaft, die dann hier ist. Bei uns herrscht immer eine gute Stimmung in der Kabine."

Chandler: "War nicht alles Gold, was wir in den letzten Wochen auf den Platz gezaubert haben…"

Dass die Mannschaft trotz des holprigen Saisonstarts intakt ist, dokumentieren nicht zuletzt die drei Last-Minute-Treffer gegen Leipzig (1:1), Piräus (2:1) und Fürth (2:1) in der zurückliegenden englischen Woche. "Fußballerisch zeigen wir nicht das Niveau der Monate zuvor. Wir müssen uns spielerisch verbessern. Aber ich mache mir keine Sorgen, solange wir trotzdem diese Mentalität auf den Platz bringen", sagt Chandler. Der 31-Jährige räumt ganz offen ein: "Wir wissen, dass wir viel zu tun haben und nicht alles Gold war, was wir in den letzten Wochen auf den Platz gezaubert haben…"

Eine gruselige erste Hälfte wie zuletzt beim Tabellenschlusslicht aus Fürth ist auch für ihn nicht leicht zu verstehen. "Manche machen sich zu viele Gedanken", glaubt Chandler und erklärt: "Gegen Fürth gehen viele Spieler mit dem Gedanken rein: Heute musst du gewinnen. Dann ist man nicht so locker im Kopf." Umso wichtiger sei es, "durch gute Aktionen und Pässe ins Spiel zu kommen" - was nicht nur in Fürth misslang. "Wenn wir spielerisch nicht reinkommen, müssen wir wenigstens die Zweikämpfe annehmen und gewinnen, um so ins Spiel zu kommen", fordert der Außenverteidiger.

Chandler ganz entspannt: Frankfurt auf Rang zwei in der Laufleistung

Zuletzt hatte Trainer Oliver Glasner davon gesprochen, dass es wegen der vielen englischen Wochen und Länderspielabstellungen bis zur Winterpause nur "in ganz kleinen Schritten" vorangehen werde. Das schätzt Chandler genauso ein: "Wir sind natürlich ungeduldig. Aber Ungeduld ist nicht immer so gut. Klar wollen wir immer mehr, mehr, mehr. Trotzdem müssen wir kleine Schritte machen." Auch im ersten Drittel der vergangenen Spielzeit hatte die Eintracht so ihre Probleme, obwohl sie sich da sogar ganz auf den DFB-Pokal und die Liga konzentrieren konnte, weil sie nicht international spielte. "Ich habe im kicker gelesen, dass wir letztes Jahr zur gleichen Zeit nur einen Punkt weniger hatten. Von daher bin ich entspannt und weiß, dass wir alles auf den Platz bringen und Punkte sammeln werden. Ich mache mir keine Sorgen", betont Chandler. Dass dies mitnichten eine Laissez-faire-Haltung ist, wird deutlich, wenn er sagt: "Wichtig ist, dass wir hart arbeiten. Wenn ich wüsste, dass wir da nachlassen und nicht jeder auf dem Platz hart arbeitet, würde ich sagen, dass wir ein großes Problem haben. Doch anhand der läuferischen Statistiken sieht man, was die Jungs abreißen." Mit durchschnittlich 118 Kilometern liegt Frankfurt auf Platz zwei hinter Arminia Bielefeld (119,8).

Für Chandler persönlich läuft die Saison ähnlich wechselhaft wie für die gesamte Eintracht. Mal spielt er links, mal rechts, mal sitzt er auf der Bank, mal auf der Tribüne. Diese sich ständig ändernde Rolle sieht er mit der nötigen Gelassenheit. Wer so lange dabei ist und über ein solch sonniges Gemüt verfügt, macht sich nicht mehr allzu verrückt. "Ich bin von null gekommen, habe gute Spiele gemacht, die wir auch gewonnen haben, dann war ich wieder raus. In Piräus bin ich auch wieder von null gekommen und wir haben dort gewonnen", fasst Chandler das Auf und Ab der letzten Wochen zusammen. Wenn er spielt, konzentriert er sich vor allem auf sein Kerngeschäft: die Defensive. "In Piräus spielte ich links. Da kann von mir keiner erwarten, dass ich offensiv das mache, was Filip macht. Ich bin Timmy, spiele meinen Fußball und helfe der Mannschaft so, wie ich es kann", sagt der in Frankfurt geborene frühere US-Nationalspieler. Mit seinem Ehrgeiz und dieser vernünftigen Selbsteinschätzung hat er es weit gebracht, inklusive Nationalelf stehen bald 300 Profispiele in seiner Vita. Das kann sich sehen lassen.

Julian Franzke

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