Bundesliga

"Bremen-Fan" Prödl: Es gibt "Schwächere als Werder"

Der Österreicher über die Premier League und seinen Ex-Klub

"Bremen-Fan" Prödl: Es gibt "Schwächere als Werder"

Hat sich nach einer Wadenverletzung in Watford wieder herangekämpft: Sebastian Prödl.

Hat sich nach einer Wadenverletzung in Watford wieder herangekämpft: Sebastian Prödl. imago

kicker: Was haben Sie für Wünsche für das neue Jahr, Sebastian Prödl?

Sebastian Prödl: Vor allem möchte ich gesund bleiben. Und ich wünsche mir eine gewisse Gelassenheit, möchte die Dinge nicht mehr ganz so ernstnehmen, möchte Spaß an meinem Beruf und am Leben haben. Stressfrei durch das Jahr zu gehen, das wäre es.

Spielersteckbrief Prödl
Prödl

Prödl Sebastian

kicker: Ist es möglich, in der Premiere League beschäftigt zu sein, ohne Stress zu haben?

Prödl: Jein, gerade jetzt an den Feiertagen sind wir schon sehr angespannt. Anders als in der Bundesliga gibt es bekanntlich keine Pause zu Weihnachten und Neujahr. Ich habe diese Erfahrung erstmals gemacht, am Boxing Day zu spielen, danach kurz darauf wieder und nun am Samstag spielen wir erneut - gegen Manchester City. Erst Chelsea, danach Tottenham und nun die Citiziens, das ist ein Hammerprogramm. Doch wir bekommen es gegenwärtig ganz gut hin, haben schon einige Punkte gesammelt und uns einen Bonus erarbeitet. So hält sich der Stress in Grenzen.

kicker: Aufsteiger Watford spielt eine gute Rolle. Kann der Klassenerhalt gelingen?

Prödl: Davon gehe ich aus. Wenn wir so weitermachen, können wir schnell diese ominöse Marke von 40 Punkten erreichen. Auch in England heißt es wie in der Bundesliga: Mit diesem Punktestand steigt man nicht ab.

Premier League

kicker: Zuletzt waren sie ein wenig außen vor. Was ist der Grund?

Prödl: Ich hatte mich an der Wade verletzt, eine eigenartige Verletzung, die mich zurückgeworfen hat. Doch nun geht es wieder aufwärts. Gegen Chelsea stand ich erstmals wieder im Kader, gegen Tottenham bin ich eingewechselt worden.

kicker: Betrachten Sie sich als Stammspieler?

Prödl: Ich denke schon, dass ich ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft bin. Als Newcomer habe ich die ersten Spiele alle von Anfang an bestritten, dann hat Trainer Quiche Sánchez Flores auch einen Kollegen ausprobieren wollen, ließ rotieren und ich war halt verletzt.

kicker: Ihr Urteil nach einem halben Jahr: Was ist der Unterschied zwischen der Premiere League und der Bundesliga?

Prödl: In England wird schneller gespielt, es geht fixer von Strafraum zu Strafraum, es gibt keinen Leerlauf, keine Pause. Zudem wird härter gespielt, aber auch fairer. Schwalben oder Markieren und Zeitschinden finden nicht statt. Wenn einer einen Elfmeter herausholen will, wird er gar vom eigenen Trainer kritisiert. Der Fußball hier ist einfach ein Spektakel. Die Fans feiern alle Aktionen. Selbst für eine Grätsche bekommst du Applaus.

kicker: Unterscheidet sich so das Publikum in Deutschland und auf der Insel. In der Bundesliga diejenigen, die das Event lieben, in England die "echten Fans", die den Fußball mögen?

Prödl: Darauf läuft es hinaus. Meine Erfahrung ist: Die Fans in Watford kommen, um Fußball zu erleben. Fünf Minuten vor dem Spielbeginn ist das Stadion voll, fünf Minuten nach dem Schlusspfiff sind fast alle weg. Das Spiel, das Eigentliche, zählt, nicht das Drumherum.

kicker: Wirbel um die Trainer in England: Mourinho entlassen, van Gaal auf der Kippe. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

Prödl: Es steht mir nicht zu, dass zu kommentieren. Die beiden sind herausragende Trainer. Ich finde, die sportliche Entwicklung bei Chelsea und bei Manchester United kann nicht nur reduziert werden auf die beiden.

Premier League attraktiver mit Guardiola

kicker: Nach kicker-Informationen wechselt mit Pep Guardiola ein weiterer Star-Coach in die Premier League zu Manchester City. Passt der Spanier dorthin?

Prödl: Guardiola ist ein Klassetrainer, so dass sich die Frage erübrigt. Mit ihm steigert sich zweifellos nochmals die Attraktivität der Spielklasse. Der Spanier tut, wenn es so kommen wird, City und der Premier League gut.

kicker: Wie lebt es sich in London? Haben Sie Kontakt zu Kollegen anderer Klubs aus der Hauptstadt, die sich von früher her kennen?

Prödl: Sicherlich, auch wenn manchmal die Zeit fehlt bei unserem Programm. Jeder hat seinen eigenen Terminplan. Doch mit Per Mertesacker, der im Norden von London wohnt, habe ich mich schon mal getroffen auf ein Dinner. Oder mit meinen Landsleuten Kevin Wimmer oder Konstantin Kerschbaumer, der beim FC Brentford spielt.

Der Klub ist mir einfach ans Herz gewachsen.

Sebastian Prödl über Werder Bremen

kicker: Haben Sie noch Kontakt zu Werder-Profis?

Prödl: Natürlich, besonders engen beispielsweise zu Clemens Fritz, aber auch zu einigen anderen und den Verantwortlichen. Der Klub ist mir einfach ans Herz gewachsen.

kicker: Unlängst haben Sie in einem Interview der Kreiszeitung Syke gesagt, dass Sie die Werder-Spiele nun aus einem anderen Blickwinkel verfolgen?

Prödl: Es stimmt. Ich sehe die Spiele, wozu ich zuletzt wegen meiner Verletzung mehr Gelegenheit hatte, nicht mehr aus der Sicht eines Beteiligten, sondern der des Fans.

kicker: Wenn Sie sich nun als Werder-Fan outen, müssen Sie sich sehr sorgen um Ihren Ex-Klub?

Prödl: Ohne Frage, es ist und wird eine schwere Saison bleiben. Doch ich hoffe, dass die Rückrunde etwas runder verläuft. Und ich bin überzeugt, dass Werder den Klassenerhalt schafft.

kicker: Was macht Sie so sicher?

Prödl: Ich sehe in der Bundesliga schwächere Mannschaften als Bremen.

kicker: Welche?

Prödl: Das behalte ich für mich.

kicker: Wie sehen Sie Trainer Viktor Skripnik?

Sehen Sie eine Weiterentwicklung unter ihm?

Prödl: Die Hinserie verlief sehr bitter für ihn und die Elf. Doch ich möchte es relativieren. In der begeisternden Rückrunde der Vorsaison lief alles für die Mannschaft, die phasenweise über ihrem Niveau gespielt hat. Das hat Erwartungen geweckt, die nicht zu halten sind. Bei aller Kritik an Skripnik muss immer wieder auf den Sparkurs verwiesen werden, der nun mal keine großen Sprünge gestattet.

Ich hätte kein Problem damit, wenn wir in Frankreich als Europameister der Herzen in die Geschichte eingehen würden.

Sebastian Prödl zur Rolle Österreichs bei der EM 2016

kicker: Zur Nationalelf: Sind Sie zufrieden mit der Auslosung für die Europameisterschaft?

Prödl: Ich gebe zu, dass ich mich gefreut habe über unsere Gruppe. Doch so wird es auch unseren Gegnern gegangen sein. Portugal ist der Favorit, Island ist längst kein Außenseiter mehr, die Ungarn fühlen sich in ihrer Rolle wohl. Wir sind gewarnt. Es ist eine ausgeglichene Gruppe.

kicker: Österreich wird als Geheimfavorit gehandelt.

Prödl: Ich hätte kein Problem damit, wenn wir in Frankreich als Europameister der Herzen in die Geschichte eingehen würden.

Interview: Hans-Günter Klemm