Handball

Handball-EM: "Der Spieler, der bei Österreich alles leitet"

Zweiter deutscher Hauptrundengegner im Check

"Er ist der Spieler, der bei Österreich alles leitet"

Sie kennen und schätzen sich: Bundestrainer Alfred Gislason (li.) und Nikola Bilyk.

Sie kennen und schätzen sich: Bundestrainer Alfred Gislason (li.) und Nikola Bilyk. Sascha Klahn

Aus Köln berichtet Maximilian Schmidt

Die Außenseiterrolle nimmt Österreich gerne an, daraus macht der deutsche Nachbar gar keinen Hehl. "Jetzt wartet Deutschland. Das wird nur geil", erklärte Cheftrainer Ales Pajovic im Vorfeld: "20.000 Fans, eine volle Lanxess Arena. Die sind unter Druck, die wollen ins Halbfinale und müssen gegen uns gewinnen. Wir spielen ohne Druck und schauen, was passiert."

Hauptrunde in Köln - 2. Spieltag

Der ehemalige slowenische Rückraumlinke weiß, wie Erfolg geht. Als Spieler gewann Pajovic alleine dreimal die Champions League mit Ciudad Real (2006, 2008 und 2009). So oft gewann Alfred Gislason die Königsklasse "nur" als Trainer - 2002 mit Magdeburg sowie 2010 und 2012 mit dem THW Kiel.

Pajovics Mannschaft schickt sich an, das beste EM-Resultat einer österreichischen Mannschaft (Platz 8 bei der EM 2020) zu toppen. Dabei spielt der Direktvergleich in beiden Lagern keine große Rolle. Zu einseitig fällt dieser auch aus: 37 Duelle gab es bislang zwischen Deutschland und Österreich, 32-mal gewann die DHB-Auswahl, Österreich dreimal, zwei Partien endeten untenschieden.

Den letzten österreichischen Sieg gab es in einem Testspiel vor zehn Jahren in Dortmund (29:28). In Pflichtspielen hat die DHB-Auswahl noch nie gegen den Nachbarn verloren. Zweimal trafen beide Mannschaften bislang bei Europameisterschaften aufeinander - 2020 in Wien gab es einen 34:22-Erfolg für die DHB-Auswahl, in der Vorrunde bei der EM 2022 in Bratislava siegte das Team von Gislason schon nur noch mit 34:29.

Gislason erwartet packenden Fight wie gegen Island

Und in Köln? "Das ist eine sehr starke und auch wirklich erfahrene Mannschaft, die es bis jetzt sehr gut gemacht hat", stellt Gislason klar und schiebt hinterher: "Von daher können wir ein ähnliches Spiel erwarten wie gegen Island. Da bin ich mir ganz sicher." Also packend, auf Augenhöhe und eng bis zum Schluss.

Die besondere Bedeutung wegen des Nachbarschaftsduells schiebt Gislason zur Seite. "Das macht mir keine Sorgen, dass Deutschland und Österreich sportliche Probleme miteinander haben, das geht mich gar nichts an. Ich will nur das Spiel gewinnen", so der 64-Jährige.

Eine Niederlage jetzt gegen Österreich und unser Traum vom Halbfinale wäre vorbei.

Alfred Gislason

Unentschieden gegen Kroatien, Unentschieden gegen Spanien, Sieg über Ungarn - die bei diesem Turnier noch ungeschlagene ÖHB-Auswahl zeigt, wie schwer dieses deutsche Unterfangen werden dürfte. "Eine Niederlage jetzt gegen Österreich und unser Traum vom Halbfinale wäre vorbei", unterstreicht Gislason.

Umso intensiver bereitet sich Deutschland auf das "Team der Stunde" (O-Ton Julian Köster) vor. "In der Vergangenheit sind die Abwehr- und die Torhüterleistungen noch besser geworden", lobte Gislason am Tag vor dem Duell. Dabei hob der Isländer speziell die "Weltklasseleistungen" seines ehemaligen Kieler Schützlings Nikola Bilyk hervor: "Niko ist ein phänomenaler Spieler und großartiger Charakter. Er ist der Spieler, der bei Österreich alles leitet."

Dessen Kreise es also einzuengen gilt. 26 Tore hat der aktuelle THW-Kapitän bislang bei der EM 2024 aus dem linken Rückraum erzielt und ist damit bester Werfer seines Landes. Treten die deutschen Abwehrspieler aber zu weit von sechs Metern heraus, lauert dahinter der bullige Kreisläufer Tobias Wagner, der auch den Ungarn zum Hauptrunden-Auftakt reichlich Kopfzerbrechen bereitete.

Bundesliga-Ikone Weber hat jedes EM-Spiel Österreichs gemacht

Mit Constantin Möstl haben die Österreicher einen echten Rückhalt zwischen den Pfosten, der bei diesem Turnier überragende Andreas Wolff kann lediglich eine Parade mehr vorweisen als der ÖHB-Schlussmann (42). Auf Rückraum Mitte ist Lukas Hutecek vom TBV Lemgo Lippe ein beständiger Arbeiter, den Gislason ebenfalls namentlich heraushob.

Eine 38-jährige "Waffe" steht auf Rechtsaußen, die die Bundesliga kennt wie kaum ein Zweiter: Robert Weber spielte 2008/09 für die HBW Balingen-Weilstetten, ehe er für zehn Jahre zum SC Magdeburg weiterzog, nach drei Jahren bei der HSG Nordhorn-Lingen half er einst noch bei den Füchsen Berlin aus. 2510 Treffer hat der pfeilschnelle Rechtsaußen in der Bundesliga erzielt und liegt damit auf Platz fünf der ewigen Bestenliste.

29 Spiele hat Weber für Österreich bei kontinentalen Wettstreits absolviert und ist somit EM-Rekordspieler seines Landes. Genau 29 EM-Partien hat die ÖHB-Auswahl überhaupt auch erst bestritten. 124 EM-Tore hat der nur 1,79 Meter große Linkshänder insgesamt erzielt, davon 20 bei der EM in Deutschland. Bilyk riss beim 30:29 gegen Ungarn die Marke von 100 EM-Treffern, er steht nun bei 105. 

Hannings scharfe Kritik wegen Kofler

Mit Bilyk, Hutecek und Elias Kofler (1. VfL Potsdam) stehen aktuell drei Spieler in Deutschland unter Vertrag. Der nachnominierte Kofler ist ein Sonderfall, um den es vor Turnierstart heftige Diskussionen gab. kicker-Kolumnist Bob Hanning erklärte wegen des Verzichts auf seinen Potsdamer Spieler öffentlich: "Ich bin sicher, dass Österreich Europameister wird. Da lege ich mich jetzt mal drauf fest, denn wenn man auf Elias Kofler verzichten kann, dann muss man so eine gute Mannschaft haben, dass man Europameister werden muss."

So weit denken sie in Österreich noch nicht, doch der erste Pflichtspielsieg gegen Deutschland käme vielleicht sogar einer Medaille gleich.

"Holt euch Tickets und fliegt nach Köln"

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