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Skandale in Nizza und Lyon: Warum Payet zur Zielscheibe der Chaoten wird

Eine Karriere voller Provokationen und sportlicher Glanzleistungen

Skandale in Nizza und Lyon: Warum Payet zur Zielscheibe der Chaoten wird

Erneut Opfer eines Angriffs: Dimitri Payet.

Erneut Opfer eines Angriffs: Dimitri Payet. imago images/PanoramiC

Wenn das der "beste Trainer der Welt" behauptet, muss ja eigentlich was dran sein. Payet, sagte Marcelo Bielsa einmal, "hat das Zeug, zum besten Spieler der Welt zu werden".

Sein ehemaliger Trainer bei Olympique Marseille schoss zwar über das Ziel hinaus, doch Payets fußballerische Qualitäten sind unbestritten. Dribbel-, tempo- und abschlussstark ist Payet, dazu ein Mann für die Standards - aber auch für jede Menge Skandale.

Vielleicht auch, weil es Payet nicht immer einfach hatte. Geboren wurde er auf der Insel La Reunion, sein Talent schwappte vom Überseedepartement im Indischen Ozean bis auf das französische Festland rüber. Im Alter von zwölf Jahren wechselte er zu Le Havre, wo man ihm aber charakterliche Defizite und Motivationslosigkeit unterstellte. Payet kehrte nach vier Jahren zunächst auf die kleine Insel zurück, um dann 2004 beim FC Nantes anzuheuern.

Als 18-Jähriger pendelte er zwischen erster und zweiter Mannschaft, nebenbei verdiente er sich im Rahmen eines Praktikums etwas in der Bekleidungsabteilung eines Kaufhauses dazu. "Auf dem Fußballplatz gibt es nichts zu reden, man tut, was man tun muss. Hier aber muss man dem Kunden zuhören, das ist viel Arbeit", sagte der Teenager damals in einer Dokumentation über Jugendspieler von Nantes.

Payet nahm den für ihn offenbar leichteren Weg - und wurde Profi. Doch trotz seiner Erfolge warf er sich währenddessen immer wieder selbst Steine in den Weg. Nach seinem Wechsel zu St. Etienne 2007 attackierte Payet 2010 zwei Mitspieler während einer Partie. Ein Jahr später erschien er nicht mehr zum Training, um einen Wechsel zu Paris St. Germain zu forcieren. St. Etienne blieb hart, doch ein halbes Jahr später war Payet, der bei St. Etienne eine Leistungsexplosion erlebte, eben doch weg. Es ging zum französischen Meister OSC Lille, zwei Jahre später weiter zu Olympique Marseille.

Wenn Payet keine Lust mehr hat, spielt er auch nicht mehr

Doch wenn es Payet irgendwo nicht gefällt, dann will er eben weg, das musste auch OM erfahren. Payets Berater hatte Marseille unerwartet unter Druck gesetzt, laut Klub nur wenige Wochen nach einem positiven Gespräch über Payets Zukunft bei Marseille. Sollte Payet nicht eine "riesige Gehaltserhöhung" bekommen, dann würde West Ham United zuschlagen. Olympique nahm das Angebot der Londoner an.

Nun also West Ham. Payet spielte bei den Hammers groß auf, wurde für die Heim-EM 2016 nominiert, und nach zwei Spielen kannte so ziemlich jedes Kind auch außerhalb Frankreichs Dimitri Payet. Vorlage und spätes wie traumhaftes Siegtor im ersten Spiel gegen Rumänien, Tor beim 2:0 gegen Albanien. Der "Man of the Match" hieß beide Male Payet. Mit insgesamt drei Treffern und zwei Assists wurde er in die Mannschaft des Turniers aufgenommen, daran änderte auch das Foul gegen Cristiano Ronaldo im verlorenen Finale gegen Portugal nichts.

Payet, endlich geläutert? Mitnichten - es folgte die große Posse bei West Ham United.

"Alles ist gut", sagte Payet ja noch im Februar 2016, "die Liebesaffäre geht weiter." Damals verlängerte er seinen Vertrag bis 2021, es war der bestdotierte der Klubgeschichte. Im Januar 2017 teilte er West Ham mit: Entweder ihr lasst mich wechseln oder ich weigere mich ab sofort zu spielen. Der Offensivspieler nannte familiäre Gründe, in dem Fall gibt es generell viele Wahrheiten. Fakt ist: Payet wechselte in diesem Januar 2017 - und das kurioserweise zurück zu Olympique, dort machte man ihn auch gleich mal zum Kapitän.

Auch in Nizza war es eine Flasche

Seitdem ist Payet dem Klub treu geblieben, doch für viele Fans wirkt der exzentrische Ausnahmekönner polarisierend. Selbst im eigenen Verein, schließlich verweigerte er im Mai 2020 eine Gehaltskürzung wegen der Corona-Pandemie. Er sei schließlich auch Familienvater und hätte Ausgaben, sagte er "Le Journal de l’ile de La Reunion".

An Payet entzündet sich nun mal der Funke, der das Feuer entfacht. Nicht zuletzt wegen seiner Leistungen: Im August 2019 traf er entscheidend bei Marseilles Erzrivale Nizza, auch dieses Spiel stand wegen homophober Spruchbänder aus dem Nizza-Block unmittelbar vor dem Abbruch. Der Hass gegen OM und sein Aushängeschild entlud sich dann so richtig im vergangenen August. Payet wurde mit Trinkflaschen beworfen, feuerte eine zurück in den Nizza-Block, worauf das Chaos ausbrach - auf den Platz gestürmte Fans gingen Payet sogar körperlich an, die Partie wurde abgebrochen. Keiner personifiziert Marseille inzwischen mehr, und somit ist auch keiner ein geeigneteres Hassobjekt für die Randalierer der Erzrivalen.

Und nun der jüngste Vorfall in Lyon. Doch warum schon wieder Payet? Der Grund liegt offenbar über elf Jahre zurück. Am 25. September 2010 gewann St. Etienne erstmals nach 17 Jahren wieder das sogenannte "Derby du Rhone" in Lyon, die 100. Ausgabe wurde durch einen traumhaften Freistoß in den Winkel entschieden. "Wir haben hier ein Stück Geschichte geschrieben", sagte der Torschütze danach. Er hieß: Dimitri Payet.

Christoph Laskowski