WM

Nigeria-Coach Rohr: "Keine Gnade" mit Messi

Super Eagles haben das Achtelfinale in der eigenen Hand

Nigeria-Coach Rohr: "Keine Gnade" mit Messi

Geht mit breiter Brust in das Spiel gegen Argentinien: Nigerias Trainer Gernot Rohr.

Geht mit breiter Brust in das Spiel gegen Argentinien: Nigerias Trainer Gernot Rohr. Getty Images

Aus St. Petersburg berichtet Jörg Wolfrum

Er lässt ihn nicht los, dieser eine Tag weniger Pause. Das hat Gernot Rohr bereits im großen kicker-Interview vom heutigen Montag gesagt. "Das ist natürlich ein Vorteil für die." Die, das sind die Argentinier. Rohr, der geborene Mannheimer, der Nationaltrainer Nigerias, der längst als Deutsch-Franzose durchgeht, nicht nur, weil er auch die Staatsbürgerschaft des Nachbarlandes hat, sondern weil sein französischer Singsang auch hier im Stadion von St. Petersburg so angenehm zu hören ist, wiederholt: "Wir haben einen Tag weniger Pause gehabt." Es gehe also darum, alle Kräfte zu mobilisieren im Duell mit Argentinien am Dienstag um 20 Uhr.

Dann entscheidet sich, ob der am Donnerstag 65 Jahre werdende Trainer mit Nigeria die Albiceleste um Superstar Lionel Messi nach Hause schickt - aktuell stehen die Super Eagles über dem Strich. "Wir stehen in der Pole-Position", drückte es Rohr aus. Aber er weiß: Selbst Island als Dritter könnte ja noch ins Achtelfinale rutschen, eben das Island, gegen das seine Adler zuletzt so hoch flogen beim 2:0… Einzig Kroatien ist durch.

Rebic, Rakitic, Modric und Co. werden das Spiel gegen die Wikinger doch nicht abgeben, gehen Bedenken bei Nigerias Fans und Journalisten um. Ob er, Rohr, gar Angst habe vor einer pro-Messi-lastigen Schiedsrichterleistung am Rande der Newa-Bucha, wird der Coach gefragt? "Nein, wir sind einfach optimistisch, dass wir diese Herausforderung meistern. Wir sind positiv eingestellt. Auf uns wartet ein wundervolles Spiel."

Dass sein Team mit im Durchschnitt 25,95 Jahren den jüngsten Kader im Turnier stellt, Argentinien aber mit einem Schnitt von 29,59 hinter Costa Rica (29,81) den ältesten - Rohr will darauf nicht viel geben. "Hoffentlich hilft das." Doch der Mann ist Profi genug, als ehemaliger Bayern-Spieler, dreimal auch Meister mit Girondins Bordeaux in den 80ern. Rohr weiß: "Das kann auch ein Nachteil sein." Schließlich habe Argentinien, das liegt dem Vergleich ja inne, mehr Erfahrung.

Eigentlich waren wir auch gegen Kroatien gut organisiert. Der Elfmeter war der erste Schuss auf unser Tor.

Gernot Rohr

Bei seinen Jungs habe sich just diese mangelnde Reife im ersten Auftritt beim 0:2 in Kaliningrad gegen Kroatien gezeigt, als man sich etwa einen "dummen Elfmeter" einhandelte, als William Troost-Ekong Mario Mandzukic klammerte, Luka Modric sich die Chance vom Punkt und zum 2:0 nicht nehmen ließ. Danach waren die Würfel gefallen. Auch Kroatien habe, betont Rohr, einen älteren Kader ins Rennen geschickt als er.

Wichtig sei gegen Argentinien mit seinem Superstar Messi und "vielen anderen hervorragenden Spielern" daher, zunächst einmal "schnell reinzukommen. Gegen Kroatien haben wir viel zu lange gebraucht, in Schwung zu kommen". Prompt lag man nach einer halben Stunde schon in Rückstand. Per Eigentor. Rohr im kicker-Interview: "Eigentlich waren wir auch gegen Kroatien gut organisiert. Der Elfmeter war der erste Schuss auf unser Tor."

Gegen Argentinien fordert der Nationaltrainer daher erneut "Disziplin und Organisation". Wie diese spieltechnisch aussehen werde, das wolle er nicht nur nicht offenbaren, so der Trainer. Er wisse es schlicht noch nicht. "Wir werden das noch analysieren in den verbleibenden Stunden bis zum Spiel." Prinzipiell könne sein Team 4-2-3-1, 4-4-2 oder 3-5-2, letzteres "wie im Test im November beim 4:2 gegen Argentinien". Auf eine Dreier-Abwehr und zwei Stürmer hatte Rohr auch gegen Island gesetzt - mit Erfolg.

Achtelfinal-Chance? "Fifty-fifty"

Als "Fifty-fifty" bezifferte er im kicker-Interview die Chancen auf den Achtelfinal-Einzug. "Weil uns ja schon ein Unentschieden reichen könnte. Auch wenn wir nicht auf Unentschieden spielen dürfen. Können wir auch nicht." Und schob nach: "Kannst du auch nicht mit Afrikanern, erst recht nicht mit so einer jungen Mannschaft."

"Wir dürfen keine Gnade haben"

Er selbst wird, wie gesagt, am Donnerstag 65. "Mit jedem Sieg wird man jünger." Er "hoffe", das gegen Argentinien nochmal erleben zu dürfen. Dass ein Erfolg am Dienstagabend womöglich gar die Nationalelf-Karriere von Lionel Messi beenden könnte, der am Sonntag 31 wurde, daran will der Trainer keinen Gedanken verschwenden. Es sei "nicht die Frage, ob dies sein letztes Spiel bei einer WM oder generell für Argentinien sein könnte". Davon müssten sich seine jungen Himmelsstürmer freimachen. "Wir dürfen keine Gnade haben", sagt Rohr - und der bombastische Satz will so gar nicht passen zu diesem feinsinnigen Mann. Es ist ja auch nicht böse gemeint. Was er sagen will: "Es darf keine Geschenke geben. Auch wenn wir alle diesen wunderbaren Spieler noch so sehr lieben."

Geburtstagsgeschenk?

Aus Sicht Rohrs, diesen Liebhaber des Könners Messi, diesen Liebhaber des Fußballs, diesen Weltenbummler mit Trainer-Stationen in Frankreich, der Schweiz, Tunesien, Gabun, dem Niger und Burkina Faso geht es in St. Peterburg "einzig um die Farben Nigerias". Naja, und ein wunderbares Geburtstagsgeschenk an sich selbst wäre ein Sieg natürlich auch.