Bundesliga

Lieblingsspiel: In die Liebesfalle getappt

Bundesliga, 34. Spieltag, Gladbach - HSV, 17. Juni 1989

Lieblingsspiel: In die Liebesfalle getappt

Wusste immer wieder zu beeindrucken: der Bökelberg.

Wusste immer wieder zu beeindrucken: der Bökelberg. imago images

Der Arsenal-Fan Nick Hornby drückte es wohl perfekt aus, wie es sich anfühlt, plötzlich und unerwartet in einen Fußballverein verliebt zu sein - mit dem zugegeben etwas pathetischen Satz "Du suchst Dir nicht Deinen Verein aus, sondern Dein Verein sucht sich Dich aus". Dieses Zitat aus Hornbys Weltbestseller "Fever Pitch" sollte mich all die Jahre meines Fan-Daseins begleiten und immer wieder diese eine Frage stellen lassen: Warum musste ich mich gerade in Borussia verlieben, warum?

Rückblickend kann ich mir die Frage wohl mit dem 17. Juni 1989 beantworten. Denn an diesem Tag sollte ich zum ersten Mal ein Bundesligaspiel live im Stadion erleben - und ohne eigenes Verschulden in die Liebesfalle tappen.

Der Weg zum Bökelberg - immer wieder überraschend

Nach kurzer Anfahrt und kurioser Parkplatzfindung - auf dem Mittelstreifen der Bundesstraße 57 - führte mich meine erwachsene Begleitung zum ersten Mal über die Eickener Höhe Richtung Bökelstraße hinauf. Umringt von erwartungsfrohen Fans zogen wir vorbei an unzähligen Vorgärten, deren zugehörige Reihenhäuser sich zum größten Teil mit heruntergelassenen Jalousien vor dem bevorstehenden Ereignis abschotteten.

Immer wieder blitzten zwischen den Häusern die Fluchtlichtmasten unseres Zielortes auf. So oft ich auch in den nächsten Jahren diese scheinbar endlos lange Straße im Gladbacher Norden entlangpilgerte, es war immer wieder genauso überraschend wie beim ersten Mal, dass inmitten eines Wohngebietes das Stadion zum Bökelberg plötzlich vor einem lag.

Brachiale Einfachheit und schwindelerregende Steilhänge

Es war schon ein beeindruckender Kontrast, wenn man zum ersten Mal das Stadion von innen gesehen hat. Draußen unmittelbar vor dem Bökelberg diese kleinen, aber doch eher noblen Stadthäuser der besser situierten Bewohner der Arbeiterstadt Mönchengladbach und innen drin diese brachiale Einfachheit eines etwas in die Jahre gekommenen Zementbaus. Diese schwindelerregenden Steilhänge im Norden, Osten und Süden untereinander verbunden mit der überdachten Haupttribüne an der Westseite des Stadions, in der sich wohl zu mindestens in den 1980ern keiner der Stadthausbesitzer verirrte, hatten schon etwas Furchteinflößendes.

zum Spiel

Und dann diese Nähe zum Spielfeld. Das nur ein Büchsenwurf von den Zuschauerrängen entfernt war. Damals war ein Fußballplatz ohne Tartanbahn doch eher Ausnahme als Regel in der Bundesliga. Hier konnte ich meinen zukünftigen Helden Christian Hochstätter, Uwe Kamps oder dem damaligen Jungspund Stefan Effenberg zum Greifen nahe sein.

Aber nicht nur das Stadion beeindruckte mich, sondern auch die Fans der legendären Nordkurve. Immer wieder laute VfL-Rufe aus dem Fan-Block verwunderten mich zwar zunächst, da doch die Bochumer hier gar nicht vorspielen würden, jedoch beeindruckte mich dieser Enthusiasmus und diese Leidenschaft der Anfeuerungen so stark, dass ich nicht anders konnte als in den Fangesang miteinzustimmen. Es war auch bitter nötig, denn es ging schließlich um den Einzug in den UEFA-Cup.

Die Konstellation war auch für einen damals Achtjährigen einfach zu verstehen. Am 34. Spieltag der Saison 1988/89 musste der Fünftplatzierte Stuttgart in Bremen verlieren und Gladbach, auf Platz sechs liegend, gleichzeitig sein Heimspiel gegen den HSV gewinnen.

Dieses Herzrasen war nicht auszuhalten

Der Verlauf des Spiels ist eigentlich auch schnell erzählt und hätte Warnung genug sein sollen für mein zukünftiges Leben als Borusse. Von der ersten Minute an spielte die Fohlenelf nur auf das Tor des HSV. 70 Minuten lang erspielten sich Criens & Co Chance um Chance. Alles wurde verspielt, kläglich vergeben. Der Bökelberg rumorte, vibrierte vor Spannung, aber das erlösende 1:0 wollte nicht fallen.

Die mitgebrachten Transistorradios krähten ein 3:0 für Bremen gegen Stuttgart heraus. Alles schien perfekt zu laufen, nur dieses eine Tor wollte nicht fallen. Aber dieser Sturmlauf, diese Leidenschaft der Spieler auf dem Feld und die des Publikums auf den Rängen hatten mich total in ihren Bann gezogen. Dieses Herzrasen, diese Nervenanspannung war nicht auszuhalten. Ich war mir sicher jeden Moment würde mich die Borussia davon befreien.

"Erlösung" nach 72 Minuten

Und so war es dann auch. In der 72. Minuten fuhr der HSV nach einem Abspielfehler einen Konter und Uwe Bein erlöste mich. Nach Vorlage eines gewissen Oliver Bierhoffs schoss er das 1:0 für die Hanseaten. Es fiel alles von mir ab. Kein Bangen, kein Hoffen, kein Zittern mehr.

Bernd Krauss

Enttäuscht: Gladbachs Bernd Krauss nach dem 0:4 gegen den HSV. imago images

Viele Erinnerungen habe ich von den Schlussminuten des Spiels nicht mehr. Der kicker schrieb damals "Und von diesem Zeitpunkt an spielte der HSV mit den resignierenden Gladbachern Katz' und Maus". So war es dann wohl auch. Die Stadionanzeige über der Nordkurve zeigte bei Spielschluss Borussia - Gast 0:4 an.

Tja, 0:4. Und was nun? Zum ersten Mal war ich verliebt und dann direkt bitter enttäuscht worden. Aber ich hatte keine Chance mehr mich abzuwenden, nach einer neuen Liebe Ausschau zu halten. Und ganz ehrlich: Ich wollte es auch nicht, ich bin ausgesucht worden und trotz vieler Enttäuschungen zog es mich seit diesem Tag im Frühsommer 1989 immer wieder magisch zu ihr hin, zur glorreichen Borussia.

Übrigens drei Wochen zuvor hatte Hornbys Arsenal nach 18-jähriger Durststrecke durch einem fulminanten 2:0-Auswärtssieg beim Titelkonkurrenten FC Liverpool den englischen Meistertitel geholt. Seit Februar 2011 habe auch ich wieder Hoffnung, dass Borussias Durststrecke in naher Zukunft auch enden wird. Da kam Lucien Favre - am Valentinstag...

Stephan Epple

Unvergessenes 12:0: Gladbach überrollt den BVB - und zwar in Düsseldorf