Champions League

Der Imperator schlägt zurück: Als Adriano Porto abschoss

Der Anfang vom Ende eines verhinderten Superstars

Der Imperator schlägt zurück: Als Adriano CL-Sieger Porto abschoss

Auf seinem Leistungszenit kaum aufzuhalten: "Imperator" Adriano.

Auf seinem Leistungszenit kaum aufzuhalten: "Imperator" Adriano. Getty Images (3)

Am 14. August 2001 hallte ein Schuss durch die Fußballwelt. Real Madrid, das auf dem Weg zu seinem dritten Champions-League-Titel in fünf Jahren war, veranstaltete ein zur "Trofeo Bernabeu" hochstilisiertes Vorbereitungsspiel und lud sich einen prominenten Gast ein.

Champions-League-aCHTELFINALE

Inter Mailand kam gerne und brachte den noch überhaupt nicht prominenten Adriano mit. Der 1,90 Meter lange Teenager war schon damals mehr wuchtig denn schlaksig, weshalb er eigentlich mal als Verteidiger angefangen hatte. Als der Linksfuß bei Flamengo dann zum Stürmer umgeschult wurde, sorgte das ob seiner wenig eleganten Spielweise in der Heimat des schönen Spiels für reichlich Spott. Der nächste Romario, der nächste Ronaldo? Doch nicht dieser Kerl.

Adriano machte es auf seine Weise und trat mit seinen 19 Jahren im mystischen Estadio Santiago Bernabeu aus etwa 19 Metern zum Freistoß an. Mit weit über 100 Sachen in den Giebel geknallt, 2:1-Siegtreffer für die Gäste aus Mailand, trocken nach dem Motto: Ihr könnt mich alle mal. Da funkelte ein neues Sternchen am Fußballfirmament.

Inter gibt Adriano ab - und holt ihn zurück

Weil Ronaldo selbst oder Christian Vieri damals für Inter stürmten, hatten die Nerazzurri trotzdem erst einmal keine Verwendung für Adriano. Dem war auch das egal. Er machte sich seinen in der Heimat verspotteten Spielstil zum Vorteil, um im Trikot von Parma und der Fiorentina die Tornetze der Serie A zu zerschießen. Auf einmal spottete keiner mehr - und Inter wollte den Mann zurück, den sie in San Siro daraufhin als "Imperatore", als Herrscher verehrten.

Der Sommer 2004 wurde zum wahrscheinlich denkwürdigsten im Leben eines noch immer ziemlich jungen Mannes. Adriano hatte seine Torquote aus Florenz konservieren können. Und zwar sowohl für Inter als auch im Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft. Ende Juli führte die Naturgewalt in Kanariengelb die Seleçao als bester Spieler und Torschützenkönig zum Copa-America-Titel. Nun lagen sie dem Retter in der Nachspielzeit gegen Erzrivale Argentinien sogar zu Füßen.

Zwei Wochen später war das alles egal. Am 3. August 2004 hallte ein Schuss durch Adrianos Welt.

"Es war ein Schrei, wie ihr ihn euch nicht vorstellen könnt", erinnerte sich der Mailänder Mitspieler Javier Zanetti bei "Sports Illustrated", der mit dem "Imperatore" im Zimmer war, als dieser am Telefon vom Tod seines Vaters erfuhr. "Nach diesem Anruf war nichts mehr wie zuvor." Zanetti und andere bei Inter hätten zwar versucht, "ihn aus seiner Depression zu ziehen. Doch wir schafften es nicht."

Monatelange Flaute vor dem Porto-Spiel

Noch ein paar Monate konnte der Fußball Abhilfe leisten, zumindest hielt seine Überform Adriano sportlich auf Kurs. Dann wurde er zum Rätsel. Mal traf er gefühlt in jedem Spiel, vor dem Achtelfinale in seiner ersten Champions-League-Saison gegen den FC Porto hatte er jedoch schon mehr als drei Monate nicht mehr aus dem Spiel heraus getroffen. Als "formschwach" bezeichnete ihn auch der kicker am Tag vor diesem 15. März 2005, als der Imperator zurückschlug.

War dessen erster Treffer gegen den damaligen Titelverteidiger noch glücklich abgefälscht, fußten die Tore zwei und drei auf dieser unglaublichen Durchsetzungsfähigkeit und einer epochalen linken Klebe. Dreierpack zum 3:1-Viertelfinaleinzug, Adriano war wieder da. Wenn auch nur kurz.

Adriano gegen Deutschland

Eindrucksvolle Dynamik: Adriano beim Confed-Cup 2005 gegen Deutschland. imago images

Mal hü, mal hott, Beständigkeit wollte nicht mehr einkehren. Zehn Torbeteiligungen in den ersten sechs CL-Spielen, im Sommer 2005 dann wieder bester Spieler, Torschützenkönig und Titelgarant im Confed Cup. Und doch nur der Anfang vom Ende eines verhinderten Superstars.

"Als mein Vater starb, war meine Liebe zum Fußball nicht mehr die gleiche", gestand Adriano vor ein paar Jahren bei "The Players' Tribune", als er die Karten auf den Tisch legte. Die Fußballwelt sah vor allem die immer schlechtere Form, Alkohol-Eskapaden und die Flucht aus Mailand. Weltklasse war Adriano schon zwei, drei Jahre nach seinen größten Stunden nicht mehr. Doch er war eben auch "einen Ozean von meiner Familie entfernt und konnte damit einfach nicht umgehen. Ich hatte ein Loch in meiner Seele."

Ich wollte nur nach Hause, zu meinen Leuten, zu meiner Gemeinschaft.

Adriano

Der Stern am Fußballfirmament war schnell verglüht, doch er hatte so hell gestrahlt, dass sie den Imperator in San Siro noch heute frenetisch bejubeln, wenn er ihnen mal wieder die Ehre erweist. Adriano aber musste zurück über den Ozean. Zurück dahin, wo er herkam. Egal, was die anderen wieder davon halten würden.

"Ich bleibe der Junge aus den Favelas", sagt er, der dort schon alkoholisiert, mit Waffen und ohne den erwarteten Luxus abgelichtet wurde, woraufhin häufig vom großen Absturz zu lesen war. Für den inzwischen 41-Jährigen ist das Unsinn. "Die Presse zeigt diese Bilder und sagt, dass ich ein Gangster und mein Leben eine Tragödie sei. Dabei wollte ich nur nach Hause, zu meinen Leuten, zu meiner Gemeinschaft. Ich habe hier so viel Freude."

Niklas Baumgart

13 verschiedene Klubs, zwei deutsche: Alle Champions-League-Sieger seit 1993