Int. Fußball

Saint-Gilloise-Trainer Alexander Blessin im kicker-Interview

Der deutsche Trainer des belgischen Tabellenführers spricht im kicker

Blessin im Interview: "Glaube, dass Frankfurt uns nicht als Gegner wollte"

Belgischer Spitzenreiter und auch international noch vertreten: Alexander Blessin mit Royale Union Saint-Gilloise.

Belgischer Spitzenreiter und auch international noch vertreten: Alexander Blessin mit Royale Union Saint-Gilloise. Getty Images

Es steht Unentschieden zwischen Alexander Blessin und Eintracht Frankfurt. Als Profi des VfB Stuttgart gewann er 1998 im DFB-Pokal 3:2 gegen die SGE, mit den Sportfreunden Siegen verlor er acht Jahre später 0:2. Später war der Schwabe erst lange Nachwuchscoach bei RB Leipzig, dann folgten die Stationen KV Oostende und CFC Genua. Seit dem Sommer ist er Trainer von Royale Union Saint-Gilloise, dem Tabellenführer in Belgien, und trifft nun mal wieder auf Frankfurt.

Herr Blessin, wer den FC Liverpool in der Europa League daheim 2:1 besiegt, der sollte auch Frankfurt in der Conference League schlagen. Ist die Rechnung so einfach?

Haha, ja genau. Die letzten beiden Spiele in der Gruppe in Toulouse (0:0, die Red.) und gegen Liverpool haben uns sicher ordentlich Selbstvertrauen gegeben und auch gezeigt, dass wir uns weiterentwickeln. Die Eintracht war jetzt das sportlich schwierigste Los in den Play-offs. Ich glaube allerdings, dass Frankfurt uns ebenfalls nicht unbedingt als Gegner wollte.

Jürgen Klopp, Alexander Blessin

Mit Royale Union Saint-Gilloise setzte sich Alexander Bessin (re.) im Heimspiel gegen Jürgen Klopp und den FC Liverpool durch (2:1). IMAGO/Isosport

Woran machen Sie die Weiterentwicklung Ihres Teams fest?

Wir haben international die Nervosität abgelegt und versuchen, unseren Stil mit unseren Prinzipien zu spielen. Das klappte stetig besser, wir sind mutiger geworden. Man darf ja nicht vergessen, dass wir im Sommer fast eine komplette Mannschaft samt Trainer ersetzen mussten.

In Ihrer Trainerkarriere sind Sie erstmals international an der Linie. Ist das anders als der Alltag in der Liga?

Anfield, Toulouse und auch das neue Stadion in Linz waren nicht nur für unsere Fans tolle Erfahrungen. Gegen Frankfurt wird die Atmosphäre sicher noch außergewöhnlicher. Bei meiner Arbeit ändert sich durch den Europacup vor allem die Wochenplanung. Es ist weniger Zeit zum Trainieren und Regenerieren, ständig muss man überlegen, wen man wann und wo spielen lässt.

Laut den Ergebnissen national wie international hat die Rotation geklappt.

Man braucht Vertrauen in den Kader und muss das dann auch vorleben. Bei so vielen Wechseln läuft man permanent Gefahr, dass es in die Hose geht. Aber die Jungs haben das Vertrauen zurückgezahlt.

Wie gehen Sie nun die Play-off-Duelle mit Frankfurt an?

Ob mit einem oder zwei Stürmern, Dreier- oder Viererkette ist zunächst egal, das sind im Spiel eh fließende Übergänge. Wichtig ist die Art, wie wir auftreten. Außerdem muss ich noch sehen, wie die Neuen bei Frankfurt deren Spiel verändern, da kam ja einiges an Qualität hinzu.

Royale Union Saint-Gilloise war einst eine große Nummer in Belgien, aber die letzte der elf Meisterschaften gewann der Klub 1935. Um ein Haar hätte es 2023 Nummer zwölf gegeben. Warum klappt es nach der Herbstmeisterschaft diesmal mit dem Titel?

Herbstmeister ist ein Titel ohne Wert, außerdem ist die Liga in der Spitze wirklich sehr ausgeglichen. Also mal sehen. Hier wird jedenfalls mit großer Ruhe ein langfristiger Plan verfolgt, inklusive neuem Stadion und Trainingsgelände bis 2027. Seit dem Aufstieg vor drei Jahren geht es immer weiter voran.

Wie hier Spieler gescoutet werden, habe ich so noch nicht erlebt. Viele hatte sonst niemand auf dem Zettel.

Alexander Blessin

Inwiefern hilft die Kooperation mit Brighton & Hove Albion? In der Klubführung sind mehrere Engländer.

Es gibt eine Verbindung, auch wenn wir bei Saint-Gilles sehr autark arbeiten. Wie hier Spieler gescoutet werden, habe ich so noch nicht erlebt. Viele hatte sonst niemand auf dem Zettel. Ich war beim ersten Gespräch auch enorm beeindruckt, wie viel sie über mich gewusst haben. Und dennoch geht es sehr familiär zu.

Ihr Vorgänger Karel Geraerts trainiert nun Schalke, Victor Boniface und Deniz Undav stürmen inzwischen in der Bundesliga. Royale Union scheint ein gutes Sprungbrett nach Deutschland zu sein.

Wir haben eben dank des umfassenden Scoutings auch immer wieder spannende, neue Spieler am Start, siehe jetzt Amoura oder Rodriguez. Und allen wird gesagt, dass man sie nicht auf Biegen und Brechen halten wird, sondern ihnen auch den nächsten Schritt ermöglicht.

Und sehen Sie jetzt ganz persönlich die Frankfurt-Spiele auch als eine Chance, sich daheim in Deutschland bekannter zu machen?

Es geht mir ganz sicher nicht darum, meinen Namen größer zu machen. Ich bin einfach unheimlich gerne Trainer. Die tägliche Arbeit mit den Jungs, das ganze Fußballgeschäft ist meine Passion - und das ist Motivation genug.

Trotzdem standen Sie im Herbst kurz vor dem Rücktritt, weil Ihre Frau schwer erkrankte.

Ja, es gab Gespräche mit dem Verein. Dort hat man mich sehr unterstützt, ich konnte einige Male pausieren und heimfahren. Sie hatte einen Rückenmarksinfarkt, und neurologische Dinge brauchen leider Zeit. Meine Frau ist meine Heldin und wollte auch, dass ich weitermache. Solange sie das alles so stemmen kann, bin ich Trainer. Ansonsten geht die Gesundheit der Familie immer vor.

Dieses Interview erschien erstmals im kicker-Sonderheft "Die K.-o.-Runde 2024", das es bereits im Handel zu erwerben gibt.

Interview: Martin Gruener

Klopp: Seine 13 Titel als Trainer