Ein Freundschaftsspiel in Portugal, noch während in Italien die Saison lief? Das zeigte, wie sehr die AC Turin, die im Mai 1949 zum fünften Mal in Folge bereits als Meister feststand, den Fußball im Land des noch immer amtierenden Weltmeisters dominierte.
Bevor es Mitte der 1960er Jahre das "Grande Inter" geben würde, das mit Trainer Helenio Herrera und seinem berühmt-berüchtigten Catenaccio zweimal hintereinander den Europapokal der Landesmeister gewinnen sollte, gab es rund 20 Jahre zuvor - noch vor der modernen Europapokal-Ära - das "Grande Torino".
Einmal war Torino die italienische Nationalmannschaft
Das Grande Torino war eine Mannschaft, die Juventus in Turin zur Nummer zwei machte. Die einen vom legendären Arsenal-Coach Herbert Chapman inspirierten für italienische Verhältnisse untypisch direkten und offensiven Fußball spielte und damit irgendwann das ganze Land begeisterte. Nach 93 Heimspielen ohne Niederlage. Nach bald fünf Meisterschaften in Serie. Eine Serie, die sogar der Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg trotzte.
Der "Toro" entwickelte sich so sehr zur besten Mannschaft des italienischen Fußballs, dass er in einem Länderspiel der Squadra Azzurra im Jahr 1947 einmal alle zehn Feldspieler stellte. Und keiner war so unumstritten wie der geniale Valentino Mazzola, Antreiber, Spielmacher und Torschütze in Personalunion. Mazzola, Vater des späteren Grande-Inter-Angreifers Sandro Mazzola, war die Galionsfigur dieser Ausnahmemannschaft, er war schon in den 1940er Jahren so etwas wie ein Werbestar.
Der große Mazzola war es Anfang 1949 auch, der mit Benfica-Kapitän Francisco Ferreira ein Freundschaftsspiel in Lissabon vereinbarte. Sobald die Turiner Saison gelaufen war. Ferreira wollte seinen Fans einmal den Anblick der damals vielleicht größten Attraktion des europäischen Fußballs ermöglichen. Ein fataler Beschluss.
Das "Grande Torino" um Valentino Mazzola (stehend, 6. v. li.). picture-alliance / dpa
Auf dem Rückflug aus Lissabon am späten Nachmittag des 4. Mai 1949 flog die Maschine, die die beste Mannschaft Italiens an Bord hatte, beim Anflug auf Turin durch dichten Nebel. Der Pilot steuerte irgendwann auf Verdacht, verschätzte sich jedoch - mit unumkehrbaren Folgen. Das Grande Torino zerschellte an einem Wall hinter der Kathedrale auf Turins Hausberg Superga.
Spieler, Verantwortliche, Journalisten und Besatzung: Alle Passagiere kamen ums Leben. Auch der 30-jährige Mazzola, der eigentlich krank gewesen war und gar nicht hatte spielen können. Doch weil er die Partie organisiert hatte, wollte er mitfliegen.
Gleiches galt für Laszlo Kubala, der wenige Jahre später den FC Barcelona groß machen sollte. Er hätte gegen Benfica ein Toro-Gastspieler sein sollen, doch sein Sohn erkrankte. Kubala flog doch nicht mit. Italiens zweimaliger Weltmeister-Trainer Vittorio Pozzo hatte das Glück, dass für ihn an Bord kein Platz mehr war.
Auch Mazzola-Erbe Meroni stirbt jung
Das tragische Flugzeugunglück von Manchester Uniteds "Busby Babes" knapp neun Jahre später ist heute noch präsenter, zumindest jenseits von Turin. Dort hingegen pilgern die Toro-Anhänger noch heute zum Jahrestag in Scharen auf den Hausberg, um ihrer legendären Mannschaft zu gedenken. Den Helden ihres Klubs, der nach 1949 nur noch einmal - 1976 - Meister wurde.
Ein Spieler wie Mazzola schlüpfte wohl nur noch einmal in das Trikot der AC Turin, aus der inzwischen der FC Turin geworden ist: Gigi Meroni, extravaganter Rechtsaußen, ein Dribbelkünstler wie George Best. Er wurde 1967, ausgerechnet von seinem großen Fan Attilio Romero, der später sogar Vereinspräsident werden sollte, im Alter von 24 Jahren versehentlich totgefahren. Eine unvermeidliche Tragik umgibt den granatroten Teil der Stadt.