Int. Fußball

Wie Real Madrid Manchester United wieder auf die Beine half

Das "Munich Air Disaster" jährt sich zum 65. Mal

Bernabeu bot seinen Besten: Wie Real Madrid Manchester United 1958 auf die Beine half

Die späten 1950er Jahre nehmen sowohl bei Real Madrid als auch bei Manchester United einen besonderen Platz in den Annalen ein.

Die späten 1950er Jahre nehmen sowohl bei Real Madrid als auch bei Manchester United einen besonderen Platz in den Annalen ein. picture alliance (2), imago images

Selbst im Fußball können Ergebnisse manchmal zweitrangig sein. So setzte sich Real Madrid im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister 1957 zwar gegen Manchester United durch. Der Präsident der Königlichen, Santiago Bernabeu, hatte sich aber trotzdem in den Verlierer verliebt.

Seine Königlichen waren gerade drauf und dran, den zweiten ihrer fünf in Folge gewonnenen Europapokale einzufahren - auf die Frage nach der besten Mannschaft des Kontinents konnte es zu dieser Zeit nur eine Antwort geben. In den "Busby Babes", dieser blutjungen Mannschaft von United-Trainer Matt Busby, erkannte Bernabeu dennoch einen künftigen Nachfolger. Besonders ihre Leidenschaft und der ständige Vorwärtsdrang hatten es Madrids Macher angetan.

Das große Real gegen das aufstrebende United - ein europäisches Gipfeltreffen über Jahre? Es kam bekanntlich anders. Auf dem Rückflug aus Belgrad, die Red Devils hatten bei Roter Stern abermals das Halbfinale erreicht, kam es beim Zwischenstopp in München zur Tragödie. Am 6. Februar 1958 endete der dritte Startversuch auf verschneitem Untergrund im "Munich Air Disaster", das 23 Menschenleben forderte.

Die FA verhindert di Stefanos Wechsel

Die "Busby Babes" gab es nicht mehr. Kapitän Roger Byrne, Flügelstürmer David Pegg, Goalgetter Tommy Taylor oder Allrounder Duncan Edwards, den viele noch heute als größtes englisches Talent überhaupt bezeichnen: Sie alle hatten das Flugzeugunglück nicht überlebt. Busby selbst kam nur gerade so mit dem Leben davon.

Manchesters Schicksalsschlag sorgte europaweit für große Anteilnahme, ganz besonders aber in Madrid. Reals Ausnahmefußballer Alfredo di Stefano bedauerte den Verlust "vieler Freunde", Präsident Bernabeu setzte sogleich alle ihm greifbaren Hebel in Bewegung. Der Mann, nach dem in Madrid das Stadion benannt ist, war für zügige Aufbauhilfe sogar zum Äußersten bereit.

Bernabeu, der mit einer Anfrage bei Busby, neuer Real-Trainer zu werden, ein Jahr zuvor noch gescheitert war, bot Manchester United seinen besten Spieler an. Di Stefano, in den späten 1950er Jahren wohl der beste Fußballer der Welt, sollte für ein Jahr an die Red Devils ausgeliehen werden. Ein Angebot, das sogar noch das des United-Rivalen FC Liverpool übertraf, der gleich fünf Leihspieler zur Verfügung stellte.

Die Unglücksmaschine von München

Die Unglücksmaschine von München. IMAGO/TopFoto

Doch der englische Fußballverband FA machte Bernabeu einen Strich durch die Rechnung und blockte die Di-Stefano-Leihe ab - der Star würde der Entwicklung einheimischer Talente nur im Wege stehen. Bernabeu fand trotzdem Lösungen. Neben dem Verkauf von Fan-Artikeln, die an die verstorbenen "Busby Babes" erinnerten, organisierte der Präsident zwischen 1959 und 1962 fünf hochgejazzte Freundschaftsspiele zwischen Real und United, die die Kassen in Manchester ordentlich auffüllten.

Am Ende dieser Serie, die noch mit Madrider Machtdemonstrationen begonnen hatte, hatte sich das Busby-Team auch dank der königlichen Aufbauhilfe wieder zu einem titelfähigen Kontrahenten entwickelt - und das alternde Real sogar zweimal geschlagen. Wenige Monate später gewann United den FA Cup, seinen ersten Titel seit München.

Und doch verbuchte eine neue Generation der "Busby Babes" um Bobby Charlton, der das Unglück als Youngster überlebt hatte, diesen Erfolg nur als Wegpunkt auf der Reise zum ganz großen Sehnsuchtsort: Europas Thron. Mit dem Europapokal hatten Busby, Charlton und Co. noch eine Rechnung offen.

1966 dann die Chance: Ausgerechnet in Belgrad hätte Manchester das Finale klarmachen können, in dem ausgerechnet Bernabeus neu aufgestelltes Real gewartet hätte. Doch United verlor - diesmal aber nur ein Spiel.

1968, nach zehn langen Jahren, war es endlich so weit. Im Halbfinale traf Busbys United auf Real, das es durch eine 3:3-Aufholjagd im Bernabeu bezwingen konnte. "Wenn uns schon jemand schlagen musste, so bin ich froh, dass sie es waren", konnte sich der Präsident beinahe ein wenig über die Niederlage freuen. Er hatte die Wachablösung ja selbst entscheidend vorangetrieben.

Auch in Madrid beginnt das Warten

Im Finale von Wembley, treffenderweise auf englischem Boden, besiegte Manchester United Benfica Lissabon nach Verlängerung mit 4:1. Matchwinner mit zwei Toren war Bobby Charlton, der in München damals nur überlebte, weil er mit Tommy Taylor die Sitzplätze getauscht hatte. Torhüter Harry Gregg hatte den bewusstlosen Charlton daraufhin aus dem Wrack gehievt - und nun hatte dieser, als Busbys verlängerter Arm auf dem Platz, das große Ziel auch stellvertretend für die verstorbenen Babes erreicht.

Weil nun auch Busbys Mission beendet war, trat der Trainer wenige Monate später ab. Bei United brachen tristere Zeiten an. Wie übrigens auch in Madrid. Ohne dass man das 1968 hätte erahnen können, mussten beide Weltklubs über 30 Jahre warten, bis sie endlich wieder auf Europas Thron Platz nehmen durften. Bernabeu und Busby erlebten es schon nicht mehr mit, als es Real Madrid und Manchester United 1998 und 1999 schließlich unmittelbar nacheinander gelang.

Niklas Baumgart

13 verschiedene Klubs, zwei deutsche: Alle Champions-League-Sieger seit 1993