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Warum Salzburgs 1:0 trotz falscher Corner-Entscheidung ein Tor blieb

Austria-Ärger mit dem VAR

Warum Salzburgs 1:0 trotz falscher Corner-Entscheidung ein Tor blieb

Schiedsrichter Christian-Petru Ciochirca stand in der Generali-Arena ungewollt im Mittelpunkt.

Schiedsrichter Christian-Petru Ciochirca stand in der Generali-Arena ungewollt im Mittelpunkt. GEPA pictures

"Der VAR soll den Fußball gerechter machen", war bei Einführung des Video Assistant Referees zu Saisonbeginn der Anspruch der Bundesliga. Hätte man die Austria-Fans am Sonntag in der Generali-Arena beim Spiel ihrer Violetten gegen Abo-Meister Salzburg (1:2) dazu befragt, sie hätten innerhalb einer Minute ihre Meinung geändert.

27. Spieltag - Meistergruppe

Als Schiedsrichter Christian-Petru Ciochirca kurz nach Wiederbeginn nach einem Foul von Manfred Fischer an Nicolás Capaldo auf Elfmeter entschied, diesen nach einer faktischen Entscheidung durch den VAR aber zurücknahm, das Foul außerhalb des Strafraums verlegte und Freistoß gab, hatten sie den VAR für einen Segen gehalten. Der Freistoß, den Capaldo per Kopf ans Lattenkreuz verlängerte, war zwar auch nicht ohne, aber es war nichts passiert. Die Salzburger trabten schon zurück, die Austria-Spieler schickten sich an, einen Abstoß auszuführen, aber Schiri Ciochirca war anderer Meinung. Er entschied auf Eckball und ließ sich auch von den Austria-Protesten nicht umstimmen.

Es kam wie es kommen musste. Der gut getretene Corner kam vìa Piatkowski-Verlängerung zu Junior Adamu, der in der 52. Minute zum 1:0 für die Salzburger einnetzte. Der Ärger der Austrianer über den Treffer war verständlich. "Er hätte nur auf die Reaktion der Salzburger schauen müssen", erboste sich Kapitän Markus Suttner nach dem Spiel. "Ich hab' ihm sogar gesagt: Bitte frag' ihn (Capaldo, Anm.). Ich glaube, es war so klar, dass er es sogar zugegeben hätte. Aber der Schiri schaut sich's nicht einmal an." Und der VAR? Blieb auch stumm.

Das sagt das VAR Handbook

Musste in diesem Fall stumm bleiben. Die Entstehung des Tores ab dem Eckball war korrekt. Und die Eckball-Entscheidung an sich ist für den Video-Assistenten laut VAR Handbook kein Überprüfungsfall. Dort wird unter "Punkt 5.2.1 Welche Phasen des Spieles können überprüft werden?" zunächst auf Regel 5 verwiesen: "Der Schiedsrichter darf eine Entscheidung, von der er nachher feststellt, dass sie falsch war, nicht ändern (…), wenn das Spiel bereits fortgesetzt wurde."

Die kicker-Elf des 27. Spieltags

Als Beispiel wird dann genau jener Fall herangezogen, wie er sich in der Generali-Arena zugetragen hat: "Wenn ein Eckball ausgeführt wurde, kann er selbst dann nicht mehr zurückgenommen werden, wenn ein Tor daraus resultiert und die TV-Bilder zeigen, dass es Abstoß gewesen wäre." Dasselbe gilt bei Einwürfen und Freistößen. "Das", gesteht das Handbuch immerhin zu, "mag zwar unfair erscheinen", begründet die Regel aber damit, dass es sonst ja "notwendig wäre, jede Corner-, Freistoß- und Einwurf-Entscheidung zu überprüfen." Was wieder dem Fußball nicht zuzumuten wäre

VAR hat das letzte Wort

Die Austria also musste sich mit dem 0:1-Rückstand abfinden. Schiedsrichter Ciochirca hat sich für seine Fehlentscheidung bei Manfred Schmid sogar entschuldigt. "Aber das hilft uns herzlich wenig", hätte sich der Austria-Trainer eine frühere Einsicht des Schiedsrichters gewünscht. Immerhin diktierte der Referee zehn Minuten nach dem Salzburger Führungstor einen Hand-Elfer für die Austria, der nach Kompensation roch und den Aleksandar Jukic eiskalt verwertete. Am 2:1-Siegestor der "Bullen" war Schiedsrichter Ciochirca schuldlos. Nach herrlichem Pass des eingewechselten "Auslaufmodells" Zlatko Junuzovic ließ der schnelle Noah Okafor die Austria-Abwehr stehen und legte für Luca Sucic auf, der zum vierten Mal im dritten Match traf.

In der Nachspielzeit jubelten die Austria-Fans noch über das vermeintliche 2:2. Keeper Köhn hatte einen Freistoßknaller von Joker Dominik Fitz durch die Finger rutschen lassen, aber jetzt verscherzte es sich der VAR endgültig mit dem Austria-Anhang. Der sah Noah Ohio (zurecht) im strafbaren Abseits und registrierte wohl auch eine Sichtbehinderung (line of vision). Und damit musste sich die Austria den Salzburgern trotz starker Leistung zum dritten Mal knapp geschlagen geben. Vielleicht haben die "Veilchen" nächste Woche ja mehr Glück mit dem VAR. Wobei sich die "Bullen" die Chance, daheim zum neunten Mal in Folge Meister zu werden, wohl nicht nehmen lassen wollen.

Horst Hötsch