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Wäre Vladimir Petkovic der Richtige?

Schweizer Ex-Teamchef noch im Rennen

Wäre Vladimir Petkovic der Richtige?

Vladimir Petkovic hat mit der Schweiz des Öfteren aufhorchen lassen.

Vladimir Petkovic hat mit der Schweiz des Öfteren aufhorchen lassen. imago images/PanoramiC

EM-Achtelfinale 2016, WM-Achtelfinale 2018, EM-Viertelfinale 2020 - die Erfolge sprechen schon einmal für den 58-jährigen Vladimir Petkovic, Bosnier mit Schweizer Pass, der 2013 Lazio Rom zum Cupsieg geführt hat. Sein Punkteschnitt als Schweizer Nationaltrainer ist sogar höher als jener von Ottmar Hitzfeld. Aber der zählte ja letztlich auch bei Franco Foda nichts mehr.

Aber ja, "Vlado" oder "Dado" wie ihn seine Freunde in Sarajevo nennen, hat in seinen 78 Spielen als Trainer der "Nati" auch Top-ten-Nationen geschlagen - einmal Portugal, einmal Belgien. Noch öfter rang er den Großen mit den Eidgenossen ein Remis ab - im Achtelfinale der EURO warfen die Schweizer danach im Elferschießen sogar Weltmeister Frankreich aus dem Bewerb. "Sie wurden von Vladimir Petkovic perfekt eingestellt und überragend gecoacht", stellte Hitzfeld seinem Nachfolger das denkbar beste Zeugnis aus.

"Eine der meistverkannten Personen…"

Martin Schmidt, selbst viele Jahre Trainer in der deutschen Bundesliga und heute Sportdirektor des FSV Mainz, hatte sich während der EURO ebenfalls als bekennender Petkovic-Fan geoutet.

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"Er hat der Mannschaft ein Gesicht und eine Philosophie gegeben - auch mit dem Ball. Mehr als 50 Prozent des Erfolges liegt beim Trainer - nur weiß bisher noch nicht die ganze Schweiz, was wir für einen Weltklassemann an der Seitenlinie haben", hielt er seinen Kollegen für "eine der meistverkannten Personen in der Schweiz. Wenn man verliert, hat er etwas falsch gemacht und wenn man gewinnt, war nur das Team gut."

Aufregender Fußball

Denn beliebt, darüber waren sich vor allem die deutschsprachigen Schweizer Medien einig, war Petkovic nie. So schrieb kürzlich das Online-Portal nau.ch in einem Vergleich mit Petkovics Nachfolger Murat Yakin, dass sich in seiner Ära viele Schweizer von der Nati abgewendet hätten. "Petkovic war unnahbar und oftmals sogar misstrauisch, was arrogant wirken konnte. Die Kommunikation gegen Außen war deshalb mehr als schwierig. Yakin ist im Gegensatz zu Petkovic nahe an den Spielern und ein Teamplayer."

Der "Luzerner Zeitung" hatte die Diskrepanz zwischen Petkovics Erfolgen und seinen Beliebtheitswerten bereits 2019 zum Thema gemacht. "Sein Fussball ist unterhaltsam, häufig gut, manchmal gar aufregend. Er hat eine Schweizer Mannschaft gebaut mit einer klaren Identität. Eine Mannschaft, die das Selbstverständnis hat, dominant aufzutreten und gegen jeden Widersacher ihre Spielweise durchzuziehen - und sei es Brasilien, Belgien oder Spanien", hielt sie ihm zugute. Zudem sei es ihm gelungen, den "Balkangraben", der sich noch in der Hitzfeld-Ära durch das Team gezogen hätte, zuzuschütten und das Team zu einer Einheit zu formen.

Im Gegensatz dazu schrieb die "LZ" aber ebenso von stark ausgeprägtem Misstrauen. "Sogar intern fehlt ihm zu manch einem Mitarbeiter das Vertrauen. Gegenüber der Öffentlichkeit sowieso." Die "Aargauer Zeitung" beschrieb ihn gar als "misstrauisch, bequem, eigenbrötlerisch, dünnhäutig, paranoid".

Keine Medien-Seilschaften

Das mag freilich damit zusammenhängen, dass Petkovic, der 1987 als Legionär aus Sarajevo in die Schweiz gekommen war, hier neben dem Fußball Rechtswissenschaften studierte und neben seinen ersten Trainerjobs für die Caritas als Sozialarbeiter arbeitete, nie Seilschaften in den Medien suchte. "Ich arbeite nicht für die Medien. Ich arbeite für den Verband", ließ er bei seiner Teamchef-Bestellung vor allem der "Blick" ausrichten, die sich mit Ottmar Hitzfeld noch wunderbar arrangiert hatte.

Statt sich mit den deutschsprachigen Medien abzumühen, zog er sich lieber in sein beschauliches Tessin zurück. "Wenn Giovanni Trapattoni in Deutschland spricht, heißt es, er bemühe sich. Ich probiere Französisch, Deutsch, Italienisch, in der Türkei sprach ich Englisch und Deutsch, alle waren zufrieden." In der Deutschschweiz würde seine Bemühung "lieber kritisiert, dass diese nicht zur Perfektion führt."

Fazit: Für die sportliche Weiterentwicklung des ÖFB-Nationalteams wäre Vladimir Petkovic sicher eine spannende Lösung. Dass er ein Team zusammenschweißen kann, hat er auf dem schweren Schweizer Pflaster bewiesen. Bleibt die Frage, ob seine dominante Persönlichkeit auch zu Verband, Presse und Öffentlichkeit passt? Diese solle eigentlich nachrangig sein. Und ist trotzdem entscheidend, ob ein Trainer in Ruhe arbeiten und seine Ideen umsetzen kann.

Horst Hötsch