Champions League

Jonathan David: Der Weg vom Spätstarter zum "Iceman"

Lille-Stürmer steht im Fokus von Europas Top-Klubs

Stuttgart ließ ihn abblitzen: Wie Jonathan David vom Spätstarter zum "Iceman" wurde

Lässt bei den Top-Klubs aufhorchen: Jonathan David bereitete auch dem VfL Wolfsburg in der Vorrunde große Probleme.

Lässt bei den Top-Klubs aufhorchen: Jonathan David bereitete auch dem VfL Wolfsburg in der Vorrunde große Probleme. Getty Images

Ein entschlossenes Dribbling in den Strafraum, ein blitzschneller Doppelpass, Beschleunigung auf engstem Raum, Abschluss ins kurze Eck - da war er wieder. Sieben Spiele ohne Torerfolg hatten beim 4:0 gegen Clermont vergangene Woche ein Ende für Jonathan David. Und damit auch die Sorgen bei seinem Klub Lille OSC. Sorgen nicht nur um die fehlenden Tore des 22-jährigen Kanadiers, sondern auch um die fehlenden Millionen.

Beim amtierenden französischen Meister gehen sie von einer beträchtlichen Ablösesumme aus, die David, der lange die Torjägerliste der Ligue 1 anführte und aktuell bei 13 Saisontoren steht, im Sommer in die leeren Klub-Kassen spülen soll. Die Premier League steht weit oben in der Gunst des Stürmers, neben dem FC Arsenal sollen britischen Medienberichten zufolge auch der FC Liverpool und Newcastle United um David buhlen.

Im Probetraining bei Stuttgart fiel David durch

Der VfB Stuttgart hingegen hat seine Chance auf den Goalgetter verstreichen lassen. Mit knapp 18 bewarb er sich mit einem vom Trainer eingesendeten Video bei den Schwaben, beim Probetraining fiel er aber durch - und wechselte stattdessen im Januar 2018 nach Gent. "Ich war total durch den Wind", sagte David später der belgischen Zeitung "Het Nieuwsblad" über die Stuttgarter Absage. "Ich war perfekt vorbereitet, und was ich gezeigt hatte, musste ausreichen, um genommen zu werden. Da bin ich zu hundert Prozent sicher."

Stattdessen schoss David, den nicht nur Stuttgart, sondern auch RB Salzburg nicht wollte, die belgische Jupiler League kurz und klein - und mit 21 Lille zur Sensations-Meisterschaft in der Ligue 1. Er erzielte das Siegtor beim Showdown mit PSG, den Ausgleich bei der dramatischen Aufholjagd in Lyon und war schließlich am letzten Spieltag beim entscheidenden 2:1 in Angers an beiden Toren direkt beteiligt. "Iceman" nennen sie ihn mittlerweile in Lille.

Fußball spielte David erst gar nicht - und dann anders

Dabei verbrachte der "Iceman" die ersten Jahre seines Lebens in deutlich wärmeren Gefilden. Geboren in New York City, wanderte er als Baby mit der Familie nach Haiti aus, mit sechs Jahren folgte der nächste Umzug nach Ottawa. Fußball spielte da noch gar keine Rolle. "Ich habe nur American Football gespielt", erzählte David zuletzt in der Interviewreihe "Next In Line". "Mit Fußball habe ich erst mit zehn angefangen. Da hat mich mein Vater einfach in ein Team gesteckt." Zehn Jahre später kostete er schon 30 Millionen Euro.

Überhaupt verlief Davids Karriere so gar nicht nach dem Muster der meisten hoch gehandelten Top-Talente, die in Nachwuchsleistungszentren Profi-Bedingungen vorfinden. Im kanadischen Winter scheiterte es schon am täglichen Training. Der Platz vereist, die Hallenmiete zu teuer. "Wir konnten uns das maximal zweimal die Woche leisten", erzählte Davids Jugendfreund Alban Meto zuletzt der "L'Equipe". "Wenn wir Glück hatten, hatten wir am Wochenende ein Spiel. Wenn nicht, sind wir in die Schulturnhalle gegangen."

Die Schnittstelle ist sein Lebensraum

Die Anpassungsfähigkeit hat David auf sein heutiges Spiel übertragen. In Gent agierte er mitunter als Spielmacher, unter Lilles Ex-Trainer Christophe Galtier gab er den Neuneinhalber im 4-4-2. In der aktuellen Saison wird David meistens als klassischer Stoßstürmer eingesetzt - der er eigentlich gar nicht ist. Seine Stärken liegen viel eher im klugen Raumverhalten, der Agilität zwischen den Ketten, dem richtigen Lauf im richtigen Moment. Die Schnittstelle ist sein natürlicher Lebensraum.

Die typische Nummer 9 findet sich hingegen nur auf seinem Rücken. Physisch musste er nach dem Wechsel in die Ligue 1 zulegen. "Die Intensität war höher, es war körperlich sehr anstrengend", erinnert sich David an den Start in Lille, wo er als Rekordtransfer des Vereins in den ersten zehn Saisonspielen keine einzige Torbeteiligung aufweisen konnte. Am Ende seiner Debütsaison war er Meistermacher. Eine Frage der Anpassung.

Michael Bächle

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