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Raffael Behounek: "Für mich war es Zeit zu gehen, gewisse Dinge habe ich nicht mehr verstanden"

Holland-Legionär über Abschied aus Tirol

Raffael Behounek: "Für mich war es Zeit zu gehen, gewisse Dinge habe ich nicht mehr verstanden"

Raffael Behounek (rechts) in seinem Element.

Raffael Behounek (rechts) in seinem Element. IMAGO/Pro Shots

Herr Behounek, Sie sind erst ein paar Wochen in Tilburg und haben schon ein paar turbulente Tage hinter sich, wie geht es Ihnen?

Bei mir ist im Großen und Ganzen alles in Ordnung, aber ja, im Verein hat sich in den letzten zehn Tagen einiges getan. Wir haben das Derby gegen NAC Breda verloren, das hier sehr emotional ist und an alte Wiener Derbys erinnert, dadurch ist der Druck auf die Sportliche Führung zu groß geworden. Zuerst hat der Sportdirektor den Trainer entlassen, am nächsten Tag ist auch der Sportdirektor gegangen, am Sonntag darauf haben wir eine eher unnötige Niederlage bei Cambuur kassiert und am Montag haben wir das erste Training mit dem neuen Trainer Peter Maes gehabt. Aber hier ticken die Uhren eben anders als bei meinem alten Verein.

Beunruhigt das, wenn der Trainer, der einen geholt hat, so schnell weg ist?

Es gibt sicher bessere Dinge, wenn man irgendwo neu hinkommt. Mit dem Trainer und dem Sportdirektor sind zwei der drei Männer, die mich geholt haben, weg, der General Manager ist noch da. Aber ich mache mir darüber keine großen Gedanken. Ich habe bisher eine schwächere Partie gehabt, aber sonst haben die Leistungen gepasst und ich habe jedes Spiel über die volle Distanz gemacht.

Wie ist der erste Eindruck über die "Keuken Kampioen Divisie"?

Gut, die Qualität ist höher als gedacht. Wobei unsere Auslosung bis jetzt auch nicht die einfachste war und wir nur gegen starke Mannschaften gespielt haben. Viele lange Bälle siehst du hier nicht, es wird sehr viel Wert auf das Spielerische gelegt und alle Spieler, vom Tormann angefangen, sind technisch sehr gut ausgebildet. Bei uns hat es bei manchen Gegnern ja gereicht, einen Innenverteidiger anzulaufen und schon hat er in Panik den Ball nach vorne geschlagen und du bist zu einfachen Ballgewinnen gekommen. Wenn hier der Tormann fünf Dribblings macht und fünf gewinnt, kannst du anlaufen wie du willst. Auch das Zuschauer-Aufkommen ist ein ganz anderes. Im Derby hatten wir 14.000 Zuschauer, sonst waren es 13.000. Für 13.000 Zuschauer haben wir in Wattens sechs Spiele gebraucht. Das meine ich gar nicht abwertend, aber es ist so.

Und Holländisch können Sie auch schon?

Ich nehme jetzt seit vier Wochen Unterricht. Es ist ein bisschen komisch, gewisse Wörter sind ähnlich, weil man sie aus dem Deutschen ableiten kann, andere wiederum ergeben gar keinen Sinn. Aber es ist nicht so dramatisch, weil das Englisch der Holländer 1A ist. Wenn sie untereinander sprechen, verstehe ich zwar noch nicht den genauen Wortlaut, aber kann folgen, worum es geht.

Interviews müssen Sie aber noch keine geben?

Nein, bei uns musste ich ja recht häufig bei den verschiedenen Sendern zu den Interviews. Aber es ist ganz angenehm, dass ich nicht sieben andere Sachen gleichzeitig moderieren muss, weil's kein anderer tut.

Ich brauche eine gewisse Wertigkeit, irgendwo auf der Bank sitzen, macht für mich keinen Sinn.

Raffael Behounek

Bevor wir darauf zurückkommen, noch zu Ihrem Transfer: Es hat schon in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Transfergerüchte um Sie gegeben, warum ist es jetzt trotz starker Statistiken "nur" eine zweite Liga geworden?

Zu Transfers gehören immer drei Parteien. Ja, es hat auch in der Vergangenheit schon Anfragen gegeben, aber wenn du nicht von Salzburg, Sturm oder Rapid kommst, ist ein Wechsel ins Ausland nicht so einfach. A, weil die WSG Tirol keiner kennt und B, weil es völlig egal ist, was du in Österreich geleistet hast. Auf der anderen Seite habe ich auch gesehen, wie es früheren Mitspielern im Ausland ergangen ist, deshalb wollte ich gar nicht gleich zu einem großen Klub wechseln. Viele sind ja wieder zurück nach Wattens, David Schnegg ist einer der wenigen, der es auf dem zweiten Bildungsweg geschafft hat und jetzt sogar im Nationalteam debütiert hat.

Das heißt, ein Abstiegskandidat in Italien, wie bei Schnegg, wäre für Sie nicht infrage gekommen?

Ich verstehe schon, dass ein Spieler solche Möglichkeiten wie Venezia oder Cremonese wahrnimmt. Erstens verdienst du ein Heidengeld, dann spielst du im San Siro oder gegen Juventus, das sind ja unglaubliche Erlebnisse! Aber ich weiß auch, dass es mir nicht schmeckt, wenn ich nicht spiele. Ich brauche eine gewisse Wertigkeit, irgendwo auf der Bank sitzen, macht für mich keinen Sinn. Und ich weiß, dass sich die Serie A für mich am Ende des Tages nicht ausgeht, das ist nicht mein Leistungsniveau. Deshalb ist es mir egal, was die Leute sagen, wenn ich jetzt in der holländischen 2. Liga spiele. Ich habe gemerkt, dass ich aus Wattens weg musste, weil alles schon in Mustern festgefahren war und ich an meine Grenzen gestoßen bin. Ich habe wieder einen anderen Zugang zum Fußball gebraucht.

Apropos Bank. In der letzten Saison waren Sie auch in Wattens das eine oder andere Mal nur Ersatz. Hat's nicht mehr so gepasst?

Naja, wenn ich bei der WSG auf der Bank sitze, kann sich jeder seinen Teil denken. Es wird von mir keine schlechten Worte über den Trainer oder Sportdirektor geben. Ich habe beiden viel zu verdanken. Ich war trotzdem nie "krank", war bei jedem Training, im Trainingslager, habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Es gibt aus meiner Sicht nichts, was man mir vorwerfen könnte.

Das letzte Jahr verlief also nicht mehr wie gewünscht?

Ich habe drei schöne Jahre bei der WSG gehabt, aber das letzte war ein durchwachsenes. Wir sind nicht optimal gestartet, haben dann aber eine Serie von sechs Spielen gehabt, in denen wir 16 Punkte geholt haben. Danach war nichts mehr. Das Frühjahr war statistisch fürchterlich, da haben viele Dinge nicht mehr gestimmt. Wenn wir ehrlich sind, haben wir beim entscheidenden Sieg gegen Ried Glück gehabt, dass Mikic fünf Minuten vor Schluss die Chance auslässt und das Tor von Plavotic in der letzten Minute nicht zählt, sonst wäre es noch schwer geworden, die Klasse zu halten.

Die kicker-Elf des 8. Spieltags

Klingt, als hätten Sie von der WSG genug gehabt?

Für mich war es Zeit zu gehen, ich habe gewisse Dinge nicht mehr verstanden. Ich war einfach grundsätzlich müde, wie ich gesehen worden bin. Gar nicht einmal vom Trainer oder Sportdirektor, allgemein. Ich weiß schon, dass ich mir mit meinen Interviews einiges selbst auf die Fahnen schreiben muss, aber man war mir gegenüber auch nicht mehr objektiv. Am Ende der letzten Saison war mein Akku leer. Die Siege, es waren wenig genug, haben keine richtige Freude mehr gemacht, sie waren nur noch Erleichterung darüber, dass mir eine Woche lang keiner auf die Nerven geht. Ich habe geschaut, ob ich im Urlaub noch einmal neue Energie tanke, aber es war nicht so. Also musste ich etwas ändern.

Sie haben sich bei Ihren Interviews selten ein Blatt vor den Mund genommen. Hat das potenzielle Interessenten unter den größeren heimischen Klubs womöglich abgeschreckt?

Glaube ich nicht. Ich finde, es waren eigentlich nur zwei Interviews, über die man diskutieren kann. Nach meinem Interview nach dem 0:5 gegen Sturm hat's geheißen, endlich sagt einmal einer, was Sache ist. Obwohl man da natürlich vorsichtig sein muss, wenn's den eigenen Verein betroffen hätte, hätten sie das vielleicht auch anders gesehen. Aber auch nach meinem Interview über die Schiedsrichter sind unzählige Nachrichten reingeflattert, in denen sich die Leute bedankt haben, dass sich's endlich einmal einer zu sagen traut.

Haben Sie innerhalb der Mannschaft Probleme bekommen?

Nein, es gab innerhalb der Mannschaft nie Probleme damit. Ich war sicherlich oft kein angenehmer Mitspieler, aber am Ende des Tages hatte ich ein großartiges Verhältnis zu jedem in der Mannschaft. Zum einen mehr zum anderen weniger. Ich hatte nie ein Problem damit, wenn einer einmal eine Weile nicht so gut auf mich zu sprechen war, aber ich war trotzdem immer Ansprechpartner Nummer eins für Alt und Jung. Und oft genug waren alle froh, dass ich etwas gesagt habe, was uns nicht gepasst hat. Das war für die meisten doch angenehm. Aber im Nachhinein betrachtet, hätte ich in diesen Situationen definitiv anders handeln sollen.

Kommen wir noch einmal zum Sportlichen: Was ist das Ziel mit Willem II?

Der Aufstieg ist das erklärte Ziel. Es gestaltet sich derzeit nicht so einfach, weil viele Vereine über ordentliche finanzielle Mittel verfügen und deshalb viel Qualität im Kader haben. Aber die Saison ist noch lang und danach gibt es auch noch eine Playoff, über die man den Aufstieg schaffen kann.

Und wie wird es der WSG Tirol in dieser Saison gehen?

Ob der Weg richtig oder falsch war, wird sich nach 32 Runden zeigen. Bisher hat die Saison zu wünschen übrig gelassen. Gegen Lustenau gab es den ersten Sieg, weil man erstmals keinen katastrophalen Bock geschossen hat. Grundsätzlich ist die Mannschaft ganz okay, sie wird wieder nicht absteigen, aber für das Meister-Play-off wird es sich dieses Jahr nicht ausgehen, das ist aber auch nicht der Anspruch des Vereins. Ich wünsche der Mannschaft und dem Verein ein erfolgreiches Jahr und hoffe, dass sie so schnell wie möglich in die Spur finden.

Interview: Horst Hötsch