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Pelzers amerikanischer Traum und die 37 Millionen aus England

Der ungewöhnliche Weg des technischen Direktors von Chicago Fire

Pelzers amerikanischer Traum und die 37 Millionen aus England

Sein "Zuhause": Sebastian Pelzer im Soldier Field in Chicago.

Sein "Zuhause": Sebastian Pelzer im Soldier Field in Chicago. Chicago Fire

"Führung im Sport" - diese drei Wörter gibt Sebastian Pelzer in die Internetsuchmaschine ein und stößt auf ein bestimmtes Video. Nach Jahren der Zielstrebigkeit ist es der Anfang eines Durchbruchs, bald darauf ist Pelzer in verantwortlicher Position in der Major League Soccer (MLS) angekommen. Der Weg des deutschen Ex-Profis ins Management erinnert an das Motto des amerikanischen Traums: Jeder und jeder kann durch harte Arbeit höhere Level im Leben erreichen. Doch der Reihe nach.

Bis 2015 ist der gebürtige Trierer als Linksverteidiger aktiv, sammelt nach Anfängen bei den Amateuren des 1. FC Kaiserslautern, wo er mit Miroslav Klose und Roman Weidenfeller zusammenspielt, zunächst eineinhalb Jahre Auslandserfahrung bei den Blackburn Rovers. Dann absolviert er unter anderem 130 Zweitliga- und 105 Drittliga-Einsätze für Trier, Saarbrücken, Dresden, Ahlen und Rostock.

MLS

Bereits zu seiner FCK-Zeit schließt er eine Kaufmannslehre ab, ein Management-Fernstudiengang zum Ende der Spielerzeit bestätigt letztlich sein Gefühl, künftig professionell seiner Leidenschaft neben dem Kicken nachzugehen: Netzwerken. "Das ist genau mein Ding und keine Arbeit für mich", sagt Pelzer im Gespräch mit dem kicker. Auf allen Profistationen knüpft und pflegt er Kontakte.

Die helfen ihm, als sich der Plan zerschlägt, direkt bei Hansa Rostock im Management anzufangen. Von den gemachten Betten, die so manchem Ex-Profi einen bequemen Verbleib im Fußballzirkus ermöglichen, ist keins frei für Pelzer. "Um einen anderen Blickwinkel zu bekommen" packt er noch eine Ausbildung im Event-Management drauf und besucht auf eigene Kosten viele der Menschen auf der ganzen Welt, die ihm als Spieler begegnet sind.

Über Basel nach Chicago

Immer mit dabei: Ein Fragebogen. Pelzer will alle möglichen Arbeitsweisen detailliert kennenlernen, hakt nach und speist mit den Eindrücken seine eigene Datenbank. "Es gibt einen Satz, den ich nicht hören kann: Wir machen das so, weil wir das schon immer so gemacht haben", sagt er.

Dann kommt der Tag der Internetrecherche, die ihm den Weg zum Durchbruch ebnen sollte. "Führung im Sport" - damit ist auch ein Video von Bernhard Heusler verknüpft. Vieles von dem, was der Schweizer Rechtsanwalt erzählt, deckt sich mit dem Stil, den Pelzer selbst als Kapitän pflegte. Er schickt Heusler eine E-Mail mit ausführlichem Anschreiben, erhält noch am selben Tag eine Antwort und trifft Heusler und Georg Heitz zwei Wochen später in der Schweiz.

Heusler als Präsident und Heitz als Sportdirektor haben beim FC Basel bis Sommer 2017 eine äußerst erfolgreiche Ära mit acht Meistertiteln in Serie und regelmäßigen Champions-League-Auftritten geprägt, gründen bald danach eine Beratungsfirma für Fußballklubs. Irgendwann steigt Pelzer als Mitarbeiter von Heitz ein. Der hat nach gut zwei Jahren wieder Lust, nicht nur Ratschläge zu erteilen, sondern wieder selbst zu entscheiden. Heitz nimmt das über einen Headhunter übermittelte Sportdirektoren-Angebot von Chicago Fire an - und Pelzer als technischen Direktor mit.

Czichos, Mukhtar und ein Kölner Newcomer: Die Deutschen in der MLS

Die mehr als vier Jahre selbst erarbeitete Weiterbildung abseits der Fußballbühne haben sich gelohnt. Pelzer gestaltet mit Heitz seitdem in der Metropole am Lake Michigan einen Strategiewechsel, den der nach dem Karriereende von Bastian Schweinsteiger im Herbst 2019 eingestiegene neue Besitzer Joe Mansueto vorgibt. Der US-Milliardär ordnete die Rückkehr von einem Stadion im Umland in die historische Football-Arena Soldier Field in Chicago mit ihren 60.000 Plätzen sowie die Forcierung der Nachwuchsarbeit an. Zudem übernahm Mansueto 2021 auch den Schweizer Erstligisten FC Lugano als eine Art Farmteam. Pelzer ist das Bindeglied zu den Schweizern, aktuell ist etwa Mittelfeldspieler Maren Haile-Selassie von Lugano ausgeliehen.

Duran und Slonina spülen 37 Millionen in die Kasse

Trotz des enttäuschenden 11. Platzes in der Eastern Conference, wodurch Fire vorige Saison die Play-offs verpasste, ließ Chicago zuletzt mit zwei großen Transfers nach England aufhorchen. Der Wechsel von Stürmer Jhon Duran zu Aston Villa in diesem Januar ist mit einem von der MLS veröffentlichten Volumen von 22 Millionen US-Dollar der zweitteuerste Verkauf der MLS-Geschichte. Gabriel Slonina war dem FC Chelsea 15 Millionen US-Dollar wert. Maßgeblich dafür verantwortlich: Pelzer, dem Heitz im operativen Geschäft viele Freiheiten lässt.

Weil es im Osten 15 Teams gibt, durfte das Team um Chicago-Coach Ezra Hendrickson am vergangenen Liga-Auftaktwochenende noch zuschauen und startet erst in der Nacht von Samstag auf Sonntag (2.30 Uhr deutscher Zeit) gegen den New York City FC in die Saison. Neben den nächsten Talenten aus der Academy haben Pelzer und Heitz auch Erfahrung aus einer europäischen Topliga geholt: Der französische Rechtsverteidiger Arnaud Souquet (31) vom HSC Montpellier soll die Defensive stärken.

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Carsten Schröter-Lorenz