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"Es wird keinen Kampf geben": Stankovic sieht klare Nummer eins im EM-Tor

Der AEK-Legionär im Interview

"Es wird keinen Kampf geben": Stankovic sieht klare Nummer eins im EM-Tor

kicker-Österreich-Redakteur Michael Chudik hat sich in Athen mit AEK-Tormann Cican Stankovic unterhalten.

kicker-Österreich-Redakteur Michael Chudik hat sich in Athen mit AEK-Tormann Cican Stankovic unterhalten. kicker Österreich

Aus Athen berichtet Michael Chudik

Cican Stankovic hat sich bei AEK Athen seinen Stammplatz im Tor zurückerkämpft. Ob er sich dadurch auch wieder für das österreichische Nationalteam empfohlen hat, verrät er dem kicker, der den 31-Jährigen in der griechischen Hauptstadt getroffen hat.

Herr Stankovic, AEK Athen befindet sich - zusammen mit PAOK, Olympiakos und Panathinaikos - in einem Vierkampf um den Titel. Warum ist die griechische Liga heuer so spannend und was stimmt Sie positiv, den Titel verteidigen zu können?

Es war letztes Jahr schon so eng zwischen uns und Panathinaikos. Dieses Jahr kämpfen gleich vier Klubs um den Titel. Sechs Spieltage vor dem Ende sind zwischen dem Ersten und Vierten nur vier Punkte Unterschied. Ich glaube, dass die Meisterschaft erst am letzten Spieltag entschieden wird. Alle Top-Klubs sind sportlich und finanziell auf einer Wellenlänge. Das ist auch der Grund, warum es heuer so spannend ist. Wir haben den Vorteil, dass wir in der gleichen Situation wie letztes Jahr sind und die Erfahrungen mitgenommen haben. Wir wissen, worauf es ankommt.

In der Vorsaison waren Sie in der Liga nur zweite Wahl. Obwohl Ihr Konkurrent Georgios Athanasiadis immer noch beim Klub ist, sind Sie die neue Nummer 1. Wie hart ist der Kampf ums Leiberl bei AEK?

Es wird dir nichts geschenkt. Letzte Saison bin ich zwar auch als Nummer 1 in die Saison gestartet, konnte dann aber wegen einer Corona-Erkrankung nicht spielen und habe während dieser Zeit auch meinen Stammplatz verloren, weil es der Athanasiadis gut gemacht hat. Letzten Sommer habe ich mir in der Vorbereitung wieder meinen Platz zurückerkämpft.

DER KICKER ZU GAST IN ATHEN

Bei Ihrer aktuellen Verletzung wurde nicht publik gemacht, warum Sie pausieren müssen. Auch bei Ihrer letzten Verletzung war das der Fall. Gibt es einen speziellen Grund, warum die Art der Verletzung "geheim" gehalten wird?

Ich selbst mache keinen Hehl daraus, dass ich sage, dass ich wieder die gleiche Verletzung habe wie beim letzten Mal. Es ist leider wieder der Adduktor, nur dass es jetzt der linke und nicht der rechte ist. Ob das publik gemacht wird oder nicht, ist die Entscheidung des Vereins. Ich wurde bis jetzt von Muskelverletzungen weitgehend verschont. In Salzburg hatte ich einst einen Muskelbündelriss im hinteren Oberschenkel, dieses Jahr hat es mich leider zweimal erwischt. Vor allem das zweite Mal war sehr unglücklich, weil es bei einem Richtungswechsel passiert ist. Beim ersten Mal hatte ich die Verletzung provoziert, weil ich trotz Problemen bis zum Ende durchgespielt habe.

Der kicker war am Sonntag beim Heimspiel gegen PAOK Saloniki im Stadion. Die Kulisse war beeindruckend. Sie haben in Ihrer Karriere schon an der Anfield Road und im Signal Iduna Park gespielt, aber ist Griechenland von der Lautstärke nochmal eine andere Liga?

Es ist eine ganz andere Leidenschaft. Ich bin der Meinung, dass es hier ein richtiger Hexenkessel ist. Wenn du auswärts spielst, kann es auch ein richtig unangenehmer Hexenkessel sein, die Stimmung erdrückt dich förmlich. Für die Heimmannschaft ist es klarerweise ein großer Vorteil. Aber wir sind es auch gewohnt, woanders zu spielen, wo die gleiche Stimmung herrscht. Panathinaikos, Olympiakos, PAOK - wenn du in Griechenland spielst und so viele Derbys hinter dir hast, gewöhnst du dich daran. Aber für Mannschaften aus dem Ausland ist das sicher eine große Umstellung.

Bleiben wir bei den Fans: In Griechenland gab es in den letzten Jahren immer wieder Fälle von Gewalt. Hat das Land da ein Problem?

Die Fans sind hier sehr leidenschaftlich und geben alles für den Verein. Die lieben ihren Verein. Das ist etwas, das man in Österreich vielleicht nicht so verstehen kann, wie es hier abläuft. Es besteht überall eine ganz besondere Verbindung zum Verein. Ob es ein Problem mit Fans gibt, weiß ich nicht. Im Dezember gab es einen Vorfall bei einem Volleyballspiel zwischen Panathinaikos und Olympiakos. Die anderen Vereine haben nichts damit zu tun gehabt. Dennoch wurden seitens der Regierung Maßnahmen ergriffen und im Endeffekt alle dafür bestraft. Wir haben dann für zwei Monate ohne Zuschauer spielen müssen. Aber es war die Entscheidung der Regierung und die gilt es zu akzeptieren.

Griechisches Schmuckkästchen: Das Heim-Stadion von AEK Athen

In einigen Wochen beginnt die Europameisterschaft in Deutschland. Vor einem Jahr haben Sie gemeint, dass Sie kein Thema für den Teamchef sind, wenn Sie nicht spielen. Jetzt sind Sie Einser-Tormann im Klub. Hat Ihre Aussage von damals noch Gültigkeit?

Im Endeffekt entscheidet der Teamchef, ob er mich einberuft oder nicht. Ich kann nur meine Leistung im Verein bringen. Wenn der Teamchef anruft und der Meinung ist, dass er mich braucht, stehe ich auch zur Verfügung. Es ist ganz klar, dass ich unbedingt wieder für Österreich spielen möchte.

Hat der ÖFB in den letzten Wochen und Monaten Kontakt zu Ihnen aufgenommen?

Nicht direkt, aber ich bin noch mit Tormanntrainer Michael Gspurnig in Kontakt, wir schreiben uns ab und zu über WhatsApp. Er hat selbst hier in Griechenland gespielt. Er weiß, wie es hier zugeht und erkundigt sich immer wieder mal, wie es mir hier geht.

Für die EM wird es keinen Kampf geben, weil Alexander Schlager gesetzt sein wird. Daran gibt es nichts zu rütteln.

AEK-Legionär Cican Stankovic über den Konkurrenzkampf im Nationalteam-Tor

Wie beurteilen Sie den Konkurrenzkampf im Nationalteam-Tor?

Für die EM wird es keinen Kampf geben, weil ich der Meinung bin, dass Alexander Schlager gesetzt sein wird. Er hat sich das erarbeitet und seine Sache in der EM-Qualifikation sehr gut gemacht. Daran gibt es nichts zu rütteln. Dahinter ist alles offen. Bis zur EM kann alles passieren.

Österreich trifft auf Frankreich, die Niederlande und Polen. Wie schwer wird es, diese Gruppe zu überstehen?

Ich glaube, das ist mit Abstand die schwierigste Gruppe bei der EM. Mit Frankreich hat Österreich einen absoluten Hochkaräter, die Holländer sind immer gut und auch die Polen sind immer unangenehm. Klar muss das Ziel sein, die Gruppe zu überstehen, auch wenn es sehr, sehr schwierig wird. Dennoch hat Österreich schon öfter gezeigt, dass sie die ganz Großen schlagen können und mit dem Spielstil, den Ralf Rangnick dem Team eingeimpft hat, ist man immer gefährlich, vor allem für größere Mannschaften.

Anders als Österreich hat Griechenland die EM verpasst. Im Play-off scheiterte man ganz knapp an Georgien. Wie groß war die Enttäuschung im Land?

Riesig. Für das Spiel gegen Georgien wurde in der griechischen Liga extra ein Spieltag verschoben, damit sich das Team besser vorbereiten kann. Doch dann sind sie auf sehr bittere Art und Weise im Elfmeterschießen ausgeschieden. Eine Teilnahme wäre sehr wichtig gewesen, um wieder eine Euphorie zu entfachen. Nicht nur bei den Vereinen, sondern auch im Nationalteam.

Eines haben die Griechen dem ÖFB voraus: 2004 holten sie sensationell den EM-Titel. Zerrt man im Land immer noch von diesem großen Triumph?

Es ist bald 20 Jahre her (lacht). Aber so ein Titel bleibt für immer in Erinnerung. Der Tag, an dem sie Europameister geworden sind (4. Juli, Anm.), wird jedes Jahr gefeiert. Das wird nie jemand vergessen im Land. So wie ich das mitbekommen habe, verehren sie auch Erfolgstrainer Otto Rehhagel. Generell ist es in Griechenland so, dass die Wertschätzung für Spieler und Trainer sehr groß ist. Wenn man für den Klub oder das Land alles gibt, dann vergessen sie dich nie.

Ich bin überzeugt, dass Salzburg Meister wird. Nach dem direkten Duell gegen Sturm wird die Meisterschaft entschieden sein.

AEK-Legionär Cican Stankovic über den Titelkampf in Österreich

Ihr Ex-Klub Red Bull Salzburg könnte diese Saison zum ersten Mal seit elf Jahren titellos beenden. Wie nehmen Sie die Entwicklungen dort aus der Ferne wahr?

Normalerweise habe ich kaum Zeit, mir die Spiele anzusehen. Zufälligerweise habe ich aber sowohl das Cup-Spiel gegen Sturm als auch das Spiel gegen Rapid gesehen. Gegen Sturm waren es einfach zu viele individuelle Fehler. So kannst du kein Spiel gewinnen. Sturm hat das natürlich sehr gut gemacht. Sie waren schon während meiner Zeit in der Bundesliga jene Mannschaft, die uns schlagen konnte. Ich bin dennoch davon überzeugt, dass Salzburg Meister wird, weil sie den besten Kader haben und sie die Erfahrungen aus der Vergangenheit mitnehmen. Sie wissen, dass sie am Punkt da sein können, wenn es in der Meisterschaft draufankommt. Ich glaube, nach dem direkten Duell gegen Sturm ist die Meisterschaft entschieden.

Mit Robert Ljubicic ist im Winter ein weiterer Spieler mit Österreich-Vergangenheit zu AEK gewechselt. Vier Millionen Euro hat der Klub an Dinamo Zagreb überwiesen. Welchen Eindruck hat er bisher hinterlassen?

Sein Transfer war sehr überraschend. Er ist am letzten Transfertag gewechselt und es ist dann alles sehr schnell gegangen. Aber ich bin richtig froh, dass er da ist, denn er ist ein richtig guter Spieler, der uns helfen kann. Ein Box-to-Box-Spieler, der auch immer zu seinen Torchancen kommt. Er wird sehr wichtig werden in der Zukunft (Ljubicic hat langfristig bis Sommer 2029 unterschrieben, Anm.).

So richtig in die Mannschaft spielen konnte er sich allerdings noch nicht. Woran liegt das? Ist Trainer Matías Almeyda einer, der von seinen Spielern Geduld verlangt?

Er ist neu dazugekommen und es ist verdammt schwierig, in eine Mannschaft zu kommen, die im Vorjahr das Double gewonnen hat. Der Trainer baut Robert behutsam auf . Er hat selbst gesagt, dass das Tempo hier höher ist als bei Dinamo Zagreb. Also wird das Tempo auch höher sein als bei Rapid. Hier sind die Spiele um einiges härter als in Österreich oder Kroatien. Da braucht es ein wenig Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Allein wenn man an die Derbys denkt, die sind immer sehr hart.