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Der schwierige Ankommen des Kalvin Phillips bei ManCity

"Manche brauchen mehr Zeit"

Das schwierige Ankommen des Kalvin Phillips

Hat komplizierte Monate hinter sich: Kalvin Phillips, hier bei seiner 90-Minuten-Premiere am Dienstag in Bristol.

Hat komplizierte Monate hinter sich: Kalvin Phillips, hier bei seiner 90-Minuten-Premiere am Dienstag in Bristol. IMAGO/Focus Images

Vielleicht war sie immer noch wütend über die Missachtung der Real-Madrid-Belegschaft, jedenfalls startete die "Marca" am Tag nach der FIFA-Weltfußballer-Gala kurzerhand ihre eigene Abstimmung. Nur suchte sie nicht "The Best", sondern "The Worst", also den schlechtesten Spieler des Jahres 2022. Während Eden Hazard das Leser-Voting aktuell klar anführt, taucht auch ein Profi von Manchester City auf der Liste der Nominierten auf: Kalvin Phillips.

Für 49 Millionen Euro war der englische Nationalspieler im Sommer nach einer bärenstarken Entwicklung unter Trainer Marcelo Bielsa von seinem Ausbildungsklub Leeds United zum englischen Meister gewechselt. Doch wie schon andere Neuzugänge, die zu einer Pep-Guardiola-Mannschaft stießen, brauchte er lange, um anzukommen. Im Grunde genommen ist es auch acht Monate später noch nicht passiert.

Nach nicht einmal zwei Minuten setzte Phillips am Dienstag ein Zeichen

Am Dienstagabend allerdings erreichte er eine Wegmarke, die andere schon nach wenigen Wochen passieren: Beim 3:0-Sieg über Zweitligist Bristol City im FA-Cup-Achtelfinale spielte Phillips erstmals 90 Minuten im Trikot von Manchester City - seit Mai hatte er das auf Klubebene nicht mehr erlebt. Und dann machte er seine Arbeit nicht einmal schlecht.

Während Phillips in seinem bisher einzigen Startelfeinsatz, beim Ligapokal-Aus in Southampton am 11. Januar (0:2), zum vielleicht schwächsten ManCity-Auftritt der Saison beitrug, zeigte er diesmal, dass er irgendwann tatsächlich eine echte Verstärkung für Guardiolas Team sein kann (85 Ballkontakte, Passquote 91 Prozent). Nach nicht einmal zwei Minuten hatte er hinten schon einmal aufmerksam geklärt und vorne die Latte getroffen, auch danach spielte er so, dass die "Manchester Evening News" von einem "guten Abend" mit "Fortschritten" schrieben, wenn auch "nicht mehr".

Guardiola betont sein Vertrauen - vor Wochen hatte er noch Phillips' Gewicht bemängelt

Aber eben auch nicht weniger. Vor dem Spiel noch hatte Guardiola erklärt, dass "manche Spieler ohne Rhythmus ein wenig länger brauchen" als andere. Phillips passe sich gerade an und verinnerliche, worauf es im defensiven Mittelfeld bei ManCity ankommt. Dort ist der omnipräsente Rodrigo kaum wegzudenken, weil er laut Guardiola "so wichtig für uns ist und sehr gut spielt".

Jetzt scheint Phillips eine echte Alternative zu sein, wenn der Spanier einmal durchatmen muss. "Es ist nicht leicht, wenn du wenig spielst", sagte Guardiola am Dienstagabend in Bristol über seinen 90-Minuten-Debütanten. "Er hat mehr als gut gespielt. Natürlich braucht er Rhythmus, aber es war wichtig, Rodri Zeit zu geben. Wir brauchen ihn, und wir können uns auf ihn verlassen. Das ist das Wichtigste."

War das die Wende in Phillips' schwierigem Jahr? Im September war der 27-Jährige wegen einer Schulterverletzung wochenlang ausgefallen, hatte es aber - obwohl bis dahin in der Premier League nur am ersten Spieltag für wenige Minuten eingewechselt - in den englischen Kader für die WM 2022 geschafft und war in Katar zweimal als Joker zum Zug gekommen. Nach seiner Rückkehr geriet er dann schnell wieder in die Kritik - erst, weil Guardiola Gewichtsprobleme öffentlich machte, dann mit dem schwachen Auftritt in Southampton.

Während die Zukunft von Ilkay Gündogan und Bernardo Silva offen ist und Namen wie Jude Bellingham (Dortmund) und Mateo Kovacic (Chelsea) gehandelt werden, versucht Phillips nun, sich seinen Platz im Promi-Kader der Skyblues zu erkämpfen. Dass ihn auch der Klub als langfristiges Unterfangen betrachtet, zeigt schon seine Vertragslaufzeit: Bis 2028 band sich Phillips im vergangenen Sommer. Dann wäre er bereits 32 Jahre alt.

Jörn Petersen