Obwohl Berlins neuer Trainer Sandro Schwarz vor seinem ersten Pflichtspiel den Gegner aus Braunschweig als "einen sehr schwierigen Gegner" bezeichnet hatte, so wollte der frühere Mainzer Coach doch vor allem eines sehen - "dass wir unserem Anspruch und unserer Favoritenrolle gerecht werden". Ein Wunsch, der weitestgehend in Erfüllung ging. Denn das mit den Neuzugängen Sunjic (Birmingham) und Kenny (FC Everton), Führungsspieler Boateng, Kapitän Plattenhardt, Abwehrhüne Boyata oder auch Stoßstürmer Selke in Noch-Abwesenheit von Neuzugang Kanga aufgestellte Team ließ in dieser 1. Runde im DFB-Pokal kaum etwas anbrennen.
Der von Michael Schiele trainierte und als Aufsteiger schwach in die neue Zweitliga-Spielzeit gestartete Klub aus Braunschweig (0:2 gegen Hamburg, 0:3 in Heidenheim) kam lediglich in der 5. Minute zu einer wirklich großen Möglichkeit. Hier vergab Kreativspieler Pherai nach einem langen Schlag und nach der Umkurvung von Torwart Christensen (Rettung von Boyata), nachdem zuvor Maolida auf der anderen Seite das 1:0 liegengelassen hatte (4.).
Plattenhardt findet Selke
Nach fast zehn gespielten Minuten folgte aber schon der erste Streich der Alten Dame: Der an diesem frühen Sonntagabend oft zu wenig attackierte Hertha-Kapitän Plattenhardt wurde freigespielt und flankte gewohnt präzise nach innen, wo sich Selke hochschraubte, so Gegenspieler Decarli stehen ließ und eiskalt aus nächster Nähe einnickte. Der 36-jährige Schlussmann Fejzic hatte keine Abwehrchance.
DFB-Pokal 2022/23
Plattenhardt via direkt versuchtem Freistoß (12.), Maolida (28.), Selke (28.) und nochmals Maolida (37., Parade von Fejzic) ließen in der Folge mehrmals das mögliche 2:0 liegen, wodurch die heimische Eintracht immerhin mal kurzzeitig Oberwasser gewann und selbst durch Ihorsts Schuss ans Außennetz (19.) als auch durch Nikolaous knapp vorbei fliegenden Distanzknaller (36.) von einem eigenen Treffer träumen durfte.
Lukebakio rennt, Maolida steht und staubt ab
Kurz vor der Halbzeitpause fingen sich die niedersächsischen Löwen aber noch das verdiente 0:2. Der kaum im Eins-gegen-eins aufzuhaltende Lukebakio, der nach seiner Leihe zum VfL Wolfsburg wieder Teil der Berliner ist, gab Gas und bediente letztlich auch mit etwas Glück den abstaubenden Maolida, der aus nächster Nähe äußerst einfach nur noch einzuschieben brauchte (42.).
Konnten sich die Braunschweiger als aktuelles Tabellenschlusslicht der 2. Bundesliga davon mit Wiederbeginn nochmals erholen? Durchaus, zumal die Mannschaft nach einer frühen Chance für Boateng (49.) anders agierte und plötzlich weit vorn presste. Das führte nicht nur zu Annäherungen, sondern auch zu einem Aluminiumtreffer. Spielmacher Pherai traf nach Endo-Einwurf und nach cleverem Körpereinsatz gegen Gegenspieler Sunjic aus spitzem Winkel den Pfosten (54.).
Hertha entgleitet das Spiel
Und nachdem Boyata nach schöner Plattenhardt-Freistoßflanke das mögliche 3:0 verpasst hatte (60.), schlug das Pendel urplötzlich vollends Richtung BTSV aus. Die Gäste aus der Hauptstadt verloren in dieser Phase nicht nur den Faden, sie kamen auch oft den entscheidenden Schritt zu spät. Die Quittungen: Nach einem klaren Foul von Boyata am quirligen Pherai gab es Elfmeter, den Behrendt sicher zum 1:2-Anschluss verwandelte (63.). Wenig später ließen sich die Herthaner von Marx überrennen - Joker Lauberbach machte das 2:2 (66.). Zwar kam Berlin im Anschluss wieder auf, der auffällige Joker Ejuke mit strammem Abschluss samt Parade von Torwart Fejzic (77.) sowie der ebenfalls gekommene Jovetic mit einem Tor aus Abseitsstellung heraus (88.) konnten die Verlängerung aber nicht mehr abwenden.
Tore satt: Der Pokal-Wahnsinn nimmt seinen Lauf
Muss im ersten Spiel als neuer Hertha-Trainer direkt einen heftigen Rückschlag verkraften: Sandro Schwarz. IMAGO/Matthias Koch
In diesen zweimal 15 gespielten Minuten entwickelte sich das Spiel erst recht zu einem hochspannenden Fußballfest. Zunächst gelang dem BTSV bereits in der 91. Minute nach starker Vorarbeit von Lauberbach in Person von Pherai das 3:2, das allerdings Berlins eingewechselter Franzose Tousart mit einem in den rechten Winkel abgefälschten Schuss zu kontern wusste (103.). Dem 3:3 ließ die Alte Dame aber direkt zum Start der finalen 15 Minuten das 4:3 und damit die abermalige Führung folgen: Lukebakio chippte die Kugel nach feinem Zuspiel von Jovetic herrlich über Schlussmann Fejzic hinweg ins Netz (106.). Doch auch diese Führung sollte nicht halten, weil Henning nochmals zum Schießen eingeladen wurde - und dieser die Einladung dankend zum 4:4 in dieser verrückten Verlängerung annahm (118.).
Das Elfmeterschießen musste demzufolge die Entscheidung bringen. Natürlich ging es auch hier nach Treffern etwa von Darida oder Pherai und Fehlschüssen von Plattenhardt und Donkor in die Extraschicht. Und hier versagten Kempf mit einem Versuch nach nur ganz wenigen Schritten Anlauf die Nerven, der Abwehrmann schoss drüber. Henning hatte die Entscheidung auf dem Fuß - und schoss die BTSV-Löwen mit seinem Abschluss zum 6:5 im Elfmeterschießen souverän eine Runde weiter. Im bereits sechsten DFB-Pokal-Vergleich zwischen diesen beiden Klubs behauptete sich Braunschweig somit bereits zum fünften Mal.
Die Eintracht erwartet am Sonntag (13 Uhr) Besuch aus Darmstadt - und plant hier natürlich die ersten Punkte in der bislang schwachen Zweitliga-Saison. Hertha hat beim Bundesliga-Auftakt am Samstag (15.30 Uhr) gleich das prestigeträchtige Derby bei Union vor der Brust.