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Babbel: "Es war Glücksspiel unter freiem Himmel"

Interview mit dem in Sydney entlassenen Ex-Bayern

Babbel: "Es war Glücksspiel unter freiem Himmel"

Markus Babbel, bei Western Sydney Wanderers entlassen, ist sauer über die australischen Schiedsrichter.

Markus Babbel, bei Western Sydney Wanderers entlassen, ist sauer über die australischen Schiedsrichter. imago images

kicker: Herr Babbel, haben Sie Ihre Entlassung schon einigermaßen verkraftet?

Markus Babbel: Entscheidend ist für mich, wie diese Trennung ablief: ehrlich, geradeheraus, sauber. Die Verantwortlichen hier sind super, dieser Schritt fiel ihnen wahnsinnig schwer. Vorstand John Tsatsimas sagte mir, er könne mir gar nicht in die Augen schauen. Dieser Abschied ging den Leuten in der Führung nahe, er tat ihnen weh. Es war schön zu spüren, dass man dort etwas hinterlassen hat. Deshalb wollte ich mich unbedingt noch von der Mannschaft persönlich verabschieden und auch mit einer Videobotschaft von den Fans.

kicker: Wie wurde diese Entscheidung begründet?

Babbel: Sie war ja absehbar nach diesen Ergebnissen. Und wenn du keine Ergebnisse lieferst, interessiert es letztlich nicht, wie sie zustande kamen. Der Fußball ist ein Ergebnissport.

Acht Punkte wurden uns durch falsche Schiedsrichterentscheidungen gestohlen.

Markus Babbel

kicker: Warum kamen diese negativen Resultate so zustande?

Babbel: Acht Punkte wurden uns durch falsche Schiedsrichterentscheidungen gestohlen. Jetzt darf ich es laut sagen; hätte ich es vorher getan, wäre ich gesperrt worden. Es war Glücksspiel unter freiem Himmel mit diesen Schiedsrichtern. Meine Frau hat mich neulich gefragt, ob mir der Job überhaupt noch Spaß mache. Die Arbeit mit der Mannschaft: ja, aber auf die Spiele konnte ich mich nicht mehr freuen, weil die Schiedsrichter so schlecht waren. Und diese unfassbaren Fehlentscheidungen haben die Konsequenz, dass Trainer entlassen werden - wie kürzlich auch Marco Kurz. Und das Problem ist: Über diese Schiedsrichter regt sich in Australien keiner auf, der Fußball hat hier nicht diesen Stellenwert wie Rugby oder Australian Football.

kicker: Gab es auch sportliche Gründe für die bisherige Bilanz und vier Zähler Rückstand auf Play-off-Platz 6?

Diese Station hat mich definitiv weitergebracht - als Trainer und als Menschen.

Markus Babbel

Babbel: Außer gegen den Tabellenersten FC Sydney hatten wir nur 50:50-Spiele - und dann gibt es Elfmeter gegen dich, wo nie und nimmer ein Foul war. Mit acht Punkten mehr wären wir voll dabei im Wettkampf um die Play-offs. Es fehlt nicht viel. Mit einer anderen Ansprache und anderem Training kommt vielleicht die Wende und die Mannschaft geht durch die Decke.

kicker: Mit welchem Gefühl verlassen Sie nun diese Station?

Babbel: Ich bin extrem dankbar, dass ich diesen Job machen durfte. Diese Station hat mich definitiv weitergebracht - als Trainer und als Menschen.

kicker: Inwiefern?

Babbel: Zum Beispiel wie schwer der Salary Cap...

kicker: ... also die Gehaltsobergrenze für Spieler...

Babbel: ... genau, wie schwer die zu handhaben ist, wenn neue Spieler geholt werden müssen. Auch die Spieler hier haben sich extrem verändert, früher waren es Maschinen wie heute noch im Rugby oder Australian Football, heute nicht mehr. Fußball ist ein Reichensport in Australien, pro Jahr zahlt ein Vater umgerechnet rund 1500 Euro für seinen Sohn, damit er im Klub Fußball spielen darf. Die Rechnung dafür wird Australiens Fußball bald bekommen.

kicker: Und auf der menschlichen Ebene?

Babbel: Diese Vielfalt in diesem Land, dieses Multikulti, diese Hilfsbereitschaft, da sich jeder irgendwie in der gleichen Situation befindet, dazu zehn Monate Sonne im Jahr - all das macht etwas mit dir als Menschen. Ich bin ja sehr offen, bunt - es war ein absolutes Erlebnis, hier zu leben.

Die Mannschaft muss nun endlich aus dem Quark kommen.

Markus Babbel

kicker: Welches Saisonziel war für Sie mit diesem Kader realistisch?

Babbel: Die Qualifikation für die Play-offs, die noch immer möglich ist bei 14 ausstehenden Spieltagen. Die Mannschaft hat die Qualität dazu, man muss sie nur ständig anschieben. Sie muss nun endlich aus dem Quark kommen, sonst geht es nicht. Und anfangs war sie solidarischer. Letztlich ist es allerdings dennoch eine Frage der Klasse - sonst würden diese Spieler nicht in Australien spielen. Und die besten sind beim Spitzenreiter FC Sydney, bei Melbourne City oder in Perth. Deshalb muss ein Verein wie die Western Sydney Wanderers die Jugend verstärkt fördern und die Kluft zwischen der ersten Mannschaft und der U 21 verringern. Das haben wir angeschoben. Die in Europa gescheiterten Spieler bringen dich nicht weiter.

kicker: Warum konnte der frühere Bundesliga-Torjäger Alex Meier, von dem Sie sich viel versprochen hatten, nicht weiterhelfen?

Babbel: Da lief einiges schief, seine Lebenspartnerin und sein Sohn erhielten zum Beispiel kein Visum. Es war für alle Beteiligten besser, dass es zur Trennung kam. Die Lösung lief sauber ab.

Der Fußball hier ist schon mau.

Markus Babbel

kicker: War das Konzept mit den Ex-Bundesligaspielern Meier, Pirmin Schwegler, Nicolai Müller und Patrick Ziegler das falsche?

Babbel: Es kommt darauf an, was ein Spieler hier will. Da Profis aus Europa gewohnt sind, nur mit guten, ballsicheren Kollegen zusammenzuspielen, ist es hier schwierig, das eigene Level hochzuhalten. Sie sind dann schnell frustriert, denn der Fußball hier ist schon mau - außer beim FC Sydney, wo Alexander Baumjohann unter Vertrag ist.

kicker: Wie geht es für Ihren Ex-Klub Klub nun weiter?

Babbel: Mein Co-Trainer Jean-Paul de Marigny übernahm vorerst. Er hat Erfahrung und ist ein guter Mann.

kicker: Wie geht es für Sie weiter?

Babbel: Ich mache erst einmal Urlaub, auf das schlechte Wetter in Deutschland habe ich noch keine Lust. Wir bleiben mit der Familie bis Mai im Land, von dem ich so viel noch nicht gesehen habe. Das holen wir jetzt nach. Und dann kommen wir wieder heim nach Deutschland.

kicker: War es für Sie - obwohl es Ihnen dort so sehr gefällt - nie ein Thema, in Australien zu bleiben?

Babbel: Ich wollte es erleben hier und eintauchen, aber zu bleiben war nie ein Thema. Es war vom ersten Tag an klar, dass wir wieder zurückkommen.

Diese Brände sind ein Desaster für das Land.

Markus Babbel

kicker: Sind Sie angesichts der Verhältnisse in Australien mit den Bränden in gewisser Weise auch froh, dass es zu Ende ist?

Babbel: Definitiv nicht. Dazu machte mir die Arbeit zu viel Spaß, allerdings wurde sie durch die Brände beeinträchtigt. Es gab immer wieder Tage, in denen der Qualm in der Stadt stand und du nicht vor die Türe gehen konntest. Da gingen in der Stadt die Feuermelder an. Aber die Solidarität unter den Menschen war phänomenal. Gott sei Dank hat es nun geregnet. Diese Brände sind ein Desaster für das Land, aber die Australier sind selbst schuld, sie tun leider gar nichts für den Klimaschutz. Sie müssen umdenken, sonst kommen solche Katastrophen immer wieder.

Interview: Karlheinz Wild