Nationalelf

Anrufe in Abwesenheit: Petersen verpasst Löw

Stürmer möchte seine Chance nutzen

Anrufe in Abwesenheit: Petersen verpasst Löw

"Ich werde jeden Tag an meine Grenzen gehen müssen": Nils Petersen ist heiß.

"Ich werde jeden Tag an meine Grenzen gehen müssen": Nils Petersen ist heiß. picture alliance

Aus Eppan/Südtirol berichtet Matthias Dersch

Nicht einmal der kleine Junge, der am Freitag als Gast eine Frage stellen durfte, konnte Nils Petersen bei seinem ersten Auftritt vor dem versammelten Medientross, der den DFB auf Schritt und Tritt begleitet, aus der Fassung bringen. Ob er enttäuscht sei, dass es von ihm kein Klebebildchen für das WM-Sammelheft gäbe, fragte der Nachwuchs-Reporter und führte dem Angreifer damit noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen, wie unerwartet seine Nominierung kam. Doch Petersen blieb souverän: "Ich werde meinen Freunden sagen, sie sollen ganz viele Tüten kaufen, vielleicht ist ja irgendwo doch noch ein Bildchen von mir versteckt." Die Lacher hatte er auf seiner Seite.

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Es blieb nicht der einzige Moment, in dem die Lockerheit des Nationalmannschaftsneulings auffiel - und die durchaus eine Nebelrolle bei seiner Nominierung gespielt hatte. Auch als er auf die Augenblicke des entscheidenden Anrufs von Löw angesprochen wurde, blitzte die Gelassenheit hervor, die Petersen in seinen 29 Lebensjahren inzwischen angesammelt hat. "Ich war an dem Tag Mittagessen mit meinen Mitspielern vom SC Freiburg. Ich hatte drei Anrufe in Abwesenheit vom Bundestrainer. Da dachte ich kurz: Hoffentlich hat er inzwischen nicht jemand anderen angerufen …", scherzte Petersen. Die Furcht war unbegründet, Löws Entschluss stand.

Bierhoff: "Das macht ihn auf dem Platz besonders wertvoll"

Und der kam zwar für die Öffentlichkeit überraschend, war aber keineswegs durch einen "Geistesblitz" von Löw entstanden, wie es Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff kurz vor Petersens Podiums-Debüt formuliert hatte: "Nils Petersen hat eine gute Entwicklung hinter sich. In dieser Saison besonders. Der Bundestrainer hat ihn lange Zeit beobachtet." Und dabei bereits die Feststellung gemacht, die die breite Öffentlichkeit am Freitag nachholen konnte: "Er ist ein wacher Spieler mit einem schnellen Denken", beschrieb Bierhoff eine der größten Qualitäten des Angreifers. "Das macht ihn auf dem Platz besonders wertvoll."

Bester Joker der Bundesliga-Historie

Petersen hat durch seine hohe Aufmerksamkeit einen ausgeprägten Sinn fürs Tore schießen entwickelt - ob als Startelf-Spieler oder - fast noch mehr - als Joker. Mit 20 Treffern nach Einwechslungen ist der Freiburger der bislang beste Joker der Bundesliga-Historie.

"Vielleicht", sagte er am Freitag, "hat mich das auch hierhergebracht." Mit 64 Toren ist er zudem der zweiterfolgreichste Schütze des Sport-Clubs. Erfolgreicher war mit 82 Toren nur - Joachim Löw. Geschadet haben dürfte ihm auch diese Statistik nicht.

Doch Petersens Vita ist im Vergleich zu seinen größtenteils hoch dekorierten Mitspielern im DFB-Team auch mit einem vermeintlichen Makel behaftet: Mit Ausnahme des Gewinns der Silbermedaille beim olympischen Fußballturnier 2016 in Brasilien, das er als Torschützenkönig abschloss, hat er international noch keinerlei Spuren hinterlassen. Lediglich sechs Europapokalspiele sind in seinem Lebenslauf aufgelistet. Vier davon liegen mehr als sechs Jahre zurück und stammen noch aus seiner kurzen Zeit beim FC Bayern, wo er sich nicht auf allerhöchsten Niveau Ebene durchsetzen konnte.

"Damals", sagte Petersen, "war ich noch sehr jung. Ich konnte dieses Niveau bislang nicht nachweisen. Doch für mich ist dieses Trainingslager eine Chance, mich zu steigern. Ich werde jeden Tag an meine Grenzen gehen müssen und hoffe, dass ich dann auf dem Niveau mitschwimmen kann. Ich bin total heiß auf die kommenden Tage."

Löw, der sich den Neuling in den ersten Tagen in Eppan zur Seite nahm, dürfte diese Aussagen mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben. Der Bundestrainer nominierte Petersen in dem Gefühl, "dass er mit seiner Aufgabe wachsen kann". Gelingt Petersen dieser Nachweis bis zum 4. Juni, ist für ihn sogar ein Platz im 23-köpfigen WM-Aufgebot möglich. Und vielleicht klappt es dann ja auch noch nachträglich mit einem eigenen Sammelbild.