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NFL News: Wildes Play-off-Rennen in der AFC

Four Downs: Die NFL-Kolumne von Adrian Franke

Das wilde Play-off-Rennen in der AFC - und eine frühe Warnung an die Lions

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FIRST DOWN: Das Playoff-Rennen in der AFC wird jetzt so richtig wild

Wir erleben eine Saison, in der es auch kurz vor dem finalen Drittel der Regular Season nicht ganz einfach ist, sich auf Teams festzulegen, die man als ernsthafte Titelkandidaten einstuft. Doch selbst vor diesem Hintergrund war Woche 10 in der AFC eine Versinnbildlichung des Chaos.

Die Browns schlagen die Ravens und machen die Division wieder komplett offen, die Jaguars gehen gegen die 49ers unter und sind plötzlich nur noch ein Spiel vor den Texans, die nämlich die Bengals schlagen und so das Wildcard-Rennen zusätzlich öffnen. Und die Steelers schlagen die Packers und ziehen an Cincinnati vorbei.

Die kurioseste Beobachtung dabei: Jedes dieser Spiele hätte andersrum ausgehen können, und niemand hätte am Montagmorgen großartig eine Miene verzogen. Das ist vielleicht die größte Storyline dieser Saison: Weil wir so wenige dominante Offenses sehen, sehen wir auch wenige konstant dominante Teams und selbst die Teams, bei denen man versucht ist, auf sie zu vertrauen - wie die Ravens oder die Chiefs - erleben Spiele, wie Kansas City vor zwei Wochen gegen Denver oder wie Baltimore am Sonntag gegen Cleveland.

Das führt mich zu meinem eigentlichen Punkt hier. Zu sehen, wie das AFC-Playoff-Rennen an nur einem Sonntag einmal komplett durchgewirbelt wurde, hat mich darüber nachdenken lassen: Welchen Teams in der AFC vertraue ich eigentlich Richtung Play-offs? Und wer könnte die Postseason überraschend verpassen?

Josh Allen von den Buffalo Bills

Für Josh Allen und die Bills wird die Luft im AFC-Playoff-Rennen zunehmend dünner. Getty Images

1. Das "sichere" Team

Kansas City Chiefs: Die Chiefs stehen 7-2, kein anderes Team in der Division hat eine positive Bilanz. Kansas City hat ein hartes Restprogramm, angeführt von Spielen gegen die Eagles, Bills und Bengals. Aber selbst mit einzelnen Ausrutschern wird die Division kein Problem sein. Wenn die Chiefs sich offensiv noch ein wenig stabilisieren, wird sich Kansas City den Nummer-1-Seed holen.

2. Die "ich bin zuversichtlich"-Teams

Miami Dolphins: Die Dolphins so weit oben dürften den einen oder anderen überraschen, aber: Miami hat eineinhalb Spiele Vorsprung auf die Bills, und die Story dieses Dolphins-Teams ist: Sie haben Probleme gegen Top-Teams, schwächere Gegner aber dominieren sie. Das hier sind die nächsten fünf Spiele der Dolphins: Raiders, Jets, Commanders, Titans, Jets.

NFL 2023

Ich halte es für denkbar, dass Miami mit elf Siegen in den finalen Stretch der Regular Season geht, in dem dann mit Dallas, Baltimore und Buffalo die übrigen echten Härtetests warten. Ich sage hier nicht voraus, dass Miami die Division gewinnt - auch wenn die Chancen darauf am Montagabend gestiegen sind -, aber ich denke, dass die Dolphins in den nächsten fünf Wochen genügend Siege sammeln, dass sie mindestens als Wildcard-Team dabei sind.

Baltimore Ravens: Natürlich wäre ich hier noch wesentlich zuversichtlicher, hätten die Ravens ihre mehrfach deutliche Führung gegen Cleveland über die Zeit gebracht. Aber selbst mit dieser Niederlage stehen die Ravens je ein halbes Spiel vor den Steelers und Browns, die beide für sich betrachtet keine Teams sind, denen ich Woche für Woche vertraue.

Der nächste Härtetest für die Ravens wartet gleich am Donnerstag gegen Cincinnati, und mit den Chargers, Jaguars, 49ers und Dolphins ist das Restprogramm ziemlich heftig. Im Regular-Season-Finale kommen die Steelers nach Baltimore, für ein Matchup, in dem es für beide Teams um viel gehen wird. In der Summe sind die Ravens für mich immer noch das kompletteste Team unter all den AFC-Anwärtern, auch wenn es schwer ist, Baltimore Woche für Woche zu vertrauen.

3. Die "das Team insgesamt ist gut genug"-Gruppe

Cincinnati Bengals: Die Niederlage gegen Houston könnte noch ein echtes Problem werden, wenn es am Ende um eine Wildcard geht. Ich denke, dass die Bengals in Bestbesetzung genügend Qualität auf beiden Seiten des Balls haben, um am Ende eine Wildcard zu holen. Aber weitere Ausrutscher sind jetzt schon fast tabu.

Cleveland Browns: Die Browns haben vier der letzten fünf Spiele gewonnen, und auch wenn ich der Offense keineswegs schon vertraue, so hat Deshaun Watson doch zumindest einige schon fast verloren geglaubte Ansätze als Playmaker zuletzt gezeigt. Und die Defense ist gut genug, um Cleveland in fast jedem Spiel zumindest kompetitiv zu halten.

4. Die "ein Titelkandidat könnte scheitern"-Gruppe

Buffalo Bills: Die Bills stehen 5-5 nach einer Niederlage gegen Denver, die so viele der Bills-Probleme in dieser Saison zusammenfasst: Die individuellen Fehler offensiv, Josh Allen schwankt zwischen MVP und Desaster-Wurf, wenn das Run Game mal klappt, klappt das Passing Game nicht, die Defense gewinnt den Bills keine Spiele und im Zweifelsfall stellt man sich noch im Special Team selbst ein Bein.

Und: Die Bills haben mit das schwierigste Rest-Programm. Bei den Eagles, bei den Chiefs, gegen Dallas, bei den Chargers und in Miami, dazu die Spiele gegen die Jets und die Patriots.

Ich vertraue der Defense nicht, ich vertraue dem Run Game nicht, ich vertraue der Offensive Line nicht. Wenn Allen heiß läuft und das Passing Game aus allen Rohren feuert, ist für Buffalo alles drin. Aber mehr und mehr denke ich, dass sie das schon brauchen werden, um es überhaupt in die Postseason zu schaffen.

Jacksonville Jaguars: Kein Team steht so symptomatisch dafür, wie ein Spieltag derzeit noch alles durcheinander wirbeln kann, wie die Jaguars. Vom vermeintlich sicheren Division-Favoriten nach fünf Siegen in Serie plötzlich nur noch ein Spiel vor den Texans - und Houston hat den ersten direkten Vergleich gewonnen. Das Re-Match steigt in zwei Wochen.

Das Spiel gegen die Texans ist für Jacksonville auch der Auftakt in die kritischste Vier-Wochen-Phase dieser Regular Season: Danach kommen die Bengals, dann geht es nach Cleveland, gefolgt vom Heimspiel gegen die Ravens. Ich bin bei den Jags immer noch nicht an dem Punkt, dass ich der Offense vertraue, das wirkt so statisch, so unkreativ. Ich habe selten den Eindruck, dass das Scheme für eine Basis sorgt, das Run Game ist komplett Boom-or-Bust und die Line ist anfällig. Die Defense ist gut, aber nicht auf Elite-Level. Das kann in der Summe auch eine Formel für überraschende Niederlagen sein.

5. Die "wer holt sich das potenziell letzte Ticket?"-Gruppe

Houston Texans: Ich habe Houston aktuell in den Play-offs. Als Wildcard - oder auch als Division-Sieger! Stroud spielt super, die Offense macht jede Menge Spaß und ist - das war beim Sieg gegen die Bengals deutlich - eine der wenigen Offenses, die dieses Jahr regelmäßig vertikal gewinnen kann.

Die Defense ist noch löchrig, dem Run Game verlange ich nach dem ersten wirklich guten Spiel der Saison auch nicht, aber Houston ist absolut auf dem richtigen Weg, und hat einen sehr machbaren Schedule, mit unter anderem Arizona, Denver, den Jets, zweimal den Titans und den Colts. Und: Nach dem Sieg im ersten Spiel gegen die Jaguars haben die Texans im Re-Match in zwei Wochen sogar die Division noch in der eigenen Hand.

Pittsburgh Steelers: Dementsprechend wären die Steelers dann am Ende raus. Das Run Game sah jetzt endlich besser aus, und mit noch vier Division-Spielen vor der Brust bei bislang einem 2-0-Record in der Division hat Pittsburgh sein Schicksal definitiv selbst in der Hand. Aber weder vertraue ich der Offense, noch denke ich, dass die Defense in kritischen Momenten in großen Spielen regelmäßig diese spielentscheidenden Big Plays liefern kann (hier könnt ihr ein "wie oft können sie damit noch davonkommen?!"-Meme einfügen).

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SECOND DOWN: Quarterback-Auftritt der Woche - Purdy gegen die Jaguars

In dieser festen Kategorie soll es um einen Quarterback gehen, der diese Woche eine Partie hatte, die gesondert betrachtet werden muss. Dabei geht es nicht zwangsläufig um den besten Quarterback der Woche - es kann auch mal der schlechteste der Woche hier behandelt werden -, sondern auch um übergreifende Punkte. Diesen Quarterback analysiere ich ausführlich und präsentiere ihn euch hier.

Manchmal (meistens) ist es doch ratsam, eine gewisse Ruhe und Balance zu wahren, und in beide Richtungen nicht zu extrem zu reagieren. Denn genauso wenig wie Brock Purdy nach den ersten fünf Spielen ein Top-5-Quarterback-MVP-Kandidat war, genauso wenig war er während der anschließenden Niederlagenserie das Hauptproblem.

Sicher, er wurde mehr für seine Turnover bestraft und hatte zwei, drei wirklich gravierende Fehler. Aber das hauptsächliche Problem? Nein, da würde ich auf andere Dinge zurückkommen. Für mich hat Purdy während der Drei-Spiele-Pleitenserie sehr ähnlich gespielt, wie während dem 5-0-Start.

Die Run Defense wäre mit der erste Punkt - Jacksonville hat ein Boom-or-Bust Run Game, und am Sonntag verhinderten die Niners die "Boom"-Runs sehr erfolgreich, sodass nicht viel übrig blieb - oder auch die Ausfälle von Trent Williams und Deebo Samuel, zwei absolute Schlüsselspieler für diese Offense die am Sonntag ihr Comeback gaben.

Der deutliche Sieg gegen Jacksonville war nicht nur die ideale Antwort auf die drei Niederlagen in Serie vor der Bye. Es war, und das gegen eine zumindest in puncto Run Defense und Coverage bis dato gute bis sehr gute Jaguars-Defense, vielleicht das beste Saisonspiel von Brock Purdy.

Und Purdy stand dabei nicht wenig unter Druck, bei knapp 38 Prozent seiner Dropbacks, um genau zu sein. Er spielte gewohnt ruhig, hielt die Augen Downfield und machte Plays als Passer spät im Down.

Brock Purdy von den San Francisco 49ers

Brock Purdy hatte ein exzellentes Spiel gegen die Jaguars. Getty Images

Purdy: Zwei eindrucksvolle Touchdowns gegen Jacksonville

Alle drei Touchdown-Pässe von Purdy am Sonntag flogen mehr als zehn Yards Downfield, bei allen drei hielt er den Ball länger als 2,5 Sekunden.

Der erste Touchdown kam bei Erster-und-Zehn in der Red Zone: Beim Play-Action-Rollout nach links wirkte es erst so, als würde Purdy loslaufen - und angesichts der Reaktion der Verteidiger schienen sie das ebenfalls zu denken. Dann aber bremste er ab, zwei Verteidiger waren kurz vor ihm. Purdy behielt die Ruhe, und warf einen zugegebenermaßen sehr riskanten, aber mindestens genauso gut platzierten Ball über zwei Verteidiger und in die Arme von Brandon Aiyuk. Sehr viel - ehrlicherweise zu viel - Risiko und Purdy wäre hier zurecht kritisiert worden, wäre der Ball abgefangen worden. Shanahan bezeichnete es nach dem Spiel gar als "die schlechteste Entscheidung" in Purdys Karriere, und während es kaum möglich ist, die Entscheidung für sich betrachtet zu verteidigen: Der Pass war sensationell platziert.

Der zweite Touchdown dann kam zu Beginn der zweiten Hälfte bei Zweiter-und-Inches von der eigenen 34-Yard-Line. Ein super Zeitpunkt für einen Shot. Purdys Dropback von Under Center kam, etwas überraschend in dieser Situation, ohne Play-Action-Fake, Jacksonvilles Pass-Rush kam aber auch schnell an mehreren Sports durch. Purdy setzte trotzdem seinen Pump-Fake, anschließend hatte er dafür aber auch direkt einen Pass-Rusher vor der Nase. Von einer extrem unsauberen Plattform feuerte er den Ball tief auf Kittle und legte genug Luft darunter, dass Kittle, der Linebacker Devin Lloyd in der Route geschlagen hatte, darunter laufen und in die Endzone spazieren konnte.

Einzig der dritte Touchdown war vergleichsweise einfach, beim Rollout nach rechts hatte Purdy jede Menge Zeit und fand Kyle Juszczyk komplett offen kurz vor der Goalline.

Niners: Brock Purdy setzt sich weiter ab

Manchmal hat sein Spielstil auch einen Preis - auch in diesem Spiel gab es ein paar einzelne Beispiele dafür - dahingehend, dass er zu viel retten will und dann negative Plays riskiert.

Aber alles in allem überwiegt das Positive, gerade im Vergleich zu anderen Quarterbacks in dieser Offense. Der Pass bei Dritter-und-Neun (4:18/drittes Viertel) war ein Beispiel dafür, wie Purdy sich von anderen Quarterbacks, die Shanahan in San Francisco hatte, unterscheidet.

Er hätte hier den "sicheren" Checkdown nehmen können, in der Hoffnung, dass Kittle oder McCaffrey vielleicht etwas nach dem Catch machen. Stattdessen warf Purdy die tiefe Field-Out-Route zu Aiyuk für ein First Down über zwei Verteidiger. Solche Würfe lassen mich daran glauben, dass Purdy dazu beitragen kann, diese Offense auf ein Level anzuheben, das sie mit Garoppolo nie hatte.

San Francisco hat gegen ein gutes Jaguars-Team am Sonntag einmal in Erinnerung gerufen, zu was dieses Team in der Lage ist, wenn es auf allen Rohren feuert - offensiv wie defensiv. Dann nämlich sind die 49ers nach wie vor ein Titelanwärter.

THIRD DOWN: Play der Woche - Das finale Fourth Down der Lions

Insgesamt fünf Fourth Downs spielten die Lions im Duell mit den Chargers aus, vier davon erfolgreich. Und das war natürlich kein Zufall, sondern vielmehr das Ergebnis eines einerseits klar definierten Game Plans, der antizipierte, dass man in diesem Spiel viele Punkte brauchen würde, und dass Drives wertvoller sind als Field Position. Andererseits unterstreicht es auch das Vertrauen, das Dan Campbell in seine Offense und in Offensive Coordinator Ben Johnson hat.

Das wurde ganz klar unterstrichen, als die Lions früh im Spiel bei Vierter-und-Goal von der 1-Yard-Line scheiterten - nur um im nächsten Drive abermals Fourth Down an der 1-Yard-Line auszuspielen, dieses Mal erfolgreich. Das macht man nicht, wenn es Bauchentscheidungen sind; das macht man, wenn man einen Plan hat und daran festhält.

Die größte Entscheidung in der Hinsicht war das letzte Fourth Down. Vierter-und-Zwei an der gegnerischen 26-Yard-Line. Die Lions hätten hier ein Field Goal kicken können, um mit 41:38 in Führung zu gehen. Sie hätten dann aber Justin Herbert noch über eineinhalb Minuten gegeben, um im Gegenzug das Spiel zu gewinnen oder zumindest auszugleichen.

Das für sich betrachtet wäre ein Risiko gewesen, das häufig im Diskurs nach einem solchen Spiel - insbesondere, wenn die Offense beim vierten Versuch scheitert - in Vergessenheit gerät.

Doch die Lions schafften es, und zwar mit diesem Play.

Die Wheel-Route des Running Backs aus dem Backfield beschäftigte den Outside-Corner, die tiefe Curl-/Sit-Route des Receivers über die Mitte nahm den Safety mit. Die Chargers waren in Zone Coverage, und LaPorta lief eine Crossing-Route von der linken Seite der Formation, weil die Chargers aber in Zone waren, war es seine Aufgabe, eine Lücke zu finden und dort als Anspielstation verfügbar zu sein. Und Goff, ich denke, dass Goff genau das sah, mit den Augen aber bewusst noch kurz in der Mitte blieb, um den Linebacker dort zu halten. Dann feuerte er den Ball zu LaPorta für das First Down und die Chargers-Offense sah den Ball nicht mehr.

Es waren so viele Plays in diesem Spiel, die unterstreichen, wie viel Spaß diese Offense macht. Die vielseitige Art und Weise, wie sie St. Brown einsetzen. Wie sie zu explosiven Plays kommen, wie sie mit ihrer Line am Boden Räume kreieren. Wie sie mit dem Play-Action-Touchdown zu Blocking-Tight-End Brock Wright die Chargers auf dem komplett falschen Fuß erwischten.

Ein kleiner Warnhinweis nach Detroit

Die Detroit Lions spielen eine wirklich tolle Saison. Nach dem Sieg über die Chargers, der so viele der Dinge, die dieses Lions-Team auszeichnen, beinhaltet hat, ist Detroit auf bestem Wege, nicht nur zum ersten Mal seit 1993 die Division zu gewinnen und ein Playoff-Spiel auszurichten, sondern auch auf bestem Wege Richtung Nummer-2-Seed in der NFC. Und angesichts des Schedules der Eagles, deren nächste fünf Gegner die Chiefs, Bills, Niners, Cowboys und Seahawks sind, ist selbst der Nummer-1-Seed nicht auszuschließen.

All das ist großartig, und ich kann mir kaum vorstellen, was in Detroit los sein wird, wenn die Lions dann zuhause in die Play-offs starten. Die Lions haben sehr viel richtig gemacht im Umbruch über die letzten zweieinhalb Jahre, und viele der Entscheidungen, die in diesem Zeitraum getroffen wurden - die Fertigstellung der Offensive Line, der Neuaufbau der Defensive Line, Amon-Ra St. Brown, Ben Johnson, die Bereitschaft, das Maximum aus Jared Goff herauszuholen - haben Detroit an den Punkt geführt, an dem die Lions jetzt stehen.

Trotzdem kann ich die leisen Warnsirenen nicht abstellen, wenn ich an die Lions denke. Jared Goffs Vertrag läuft nach der kommenden Saison aus, Garantien hat er für 2024 nicht mehr in seinem Kontrakt. Ich gehe davon aus, dass Detroit nach der Saison mit ihm verlängern wird. Doch wie sieht sein Output und der der Offense aus, sollte man Offensive Coordinator Ben Johnson dann tatsächlich verlieren? Detroit hat sich eine sehr stabile Basis gebaut, deshalb ragen die Lions in dieser Saison, in der es ligaweit vergleichsweise wenige stabile Teams und vor allem wenige überzeugende Offenses gibt - umso mehr heraus. Zweifel habe ich aber dahingehend, ob sich die Lions auch genügend Upside eingebaut haben; und wenn nicht, wie sie das erreichen wollen.

Die Lions müssen für ein warnendes Beispiel nur zu einem Division-Konkurrenten schauen: Die Minnesota Vikings scheinen - zumindest gehen wir davon aktuell aus - bereit, nach der Saison den Neustart auf der Quarterback-Position einzuleiten. Es ist schwer, um Quarterbacks auf dem Cousins- und Goff-Level herum einen Titelanwärter aufzubauen, wenn diese Quarterbacks nicht mehr auf ihrem Rookie-Vertrag spielen. Tua Tagovailoa fällt für mich ebenfalls in diese Kategorie, deshalb wird es sehr spannend sein, welche Art Vertrag die Dolphins ihm nach dieser Saison geben.

Für Detroit wird die kommende Offseason uns einige Dinge verraten und uns vor allem Hinweise darauf geben, wie Detroit den nächsten und schwierigsten Schritt des Rebuilds angehen will: Den hin zum jährlichen Titelanwärter.

FOURTH DOWN: Was nicht unerwähnt bleiben sollte

Welcher Head Coach muss als nächstes gehen? Ich bin ehrlich, ich hatte Josh McDaniels nicht als meine erste Head-Coach-Entlassung der Saison auf dem Zettel. Eben weil er noch so früh in seinem Sechsjahresvertrag war, und weil ich nicht davon ausging, dass die Raiders direkt zwei Head Coaches noch bezahlen wollen, die nicht mehr für sie arbeiten.

Es unterstreicht aber auch, wie ernst die Lage nicht nur von außen betrachtet, sondern auch hinter den Kulissen gewesen sein muss. Und ob bis Saisonende oder am berüchtigten "Black Monday": Es werden noch drei bis vier, vielleicht auch mehr Head Coaches in den nächsten zwei Monaten ihre Jobs verlieren. Die wahrscheinlichsten Kandidaten für mich sind:

Ron Rivera (Washington Commanders): In meinen Augen eine Frage der Zeit. Neue Teambesitzer, ein neuer Quarterback muss her, und der Umbruch hat bereits zur Trade-Deadline begonnen.

Matt Eberflus (Chicago Bears): Die Siege gegen Washington, Las Vegas und Carolina haben ihm nach dem 0-4-Start in Kombination mit der Justin-Fields-Verletzung wahrscheinlich genug Zeit bis zum Saisonende gekauft. Mit den Vikings, Falcons, Packers und Cardinals sind noch einige Spiele auf dem Schedule, in denen Chicago eine Chance haben könnte. Ein Verbleib über die Saison hinaus würde mich dennoch wundern, dafür fehlen sowohl die Entwicklung, als auch die greifbare Vision für die Franchise.

Brandon Staley (Los Angeles Chargers): Eine Entlassung noch in der Saison würde mich noch immer wundern, zumindest während L.A. noch ins Playoff-Rennen eingreifen könnte. Doch davon ausgehend, dass eine Saison, die aus Chargers-Sicht ein All-In-Jahr hätte sein sollen, vermutlich ohne Play-offs endet, muss man zu einer bitteren Erkenntnis kommen. Staley hat es nie geschafft, das Maximum aus diesem Team herauszuholen, und das auch, aber nicht nur auf "seiner" defensiven Seite des Balls. Das Spiel gegen die Lions war das perfekte Beispiel dafür, dass dieses Team letztlich nur so weit kommt, wie Justin Herbert (und Keenan Allen) es trägt, und das sollte im dritten Jahr schlicht nicht mehr so sein.

Der selbstverständlich größte Name hier ist Bill Belichick. Mein Standpunkt hier ist auch nach einer weiteren sehr unschönen Niederlage gegen die Colts in Frankfurt unverändert dahingehend, dass ich nicht denke, dass die Patriots ihn während der Saison entlassen. Warum auch? Was hätten sie davon? Das gibt ihnen keinen Vorteil auf dem Coaching-Markt, und es ist nicht so, dass man in dieser Saison das Ruder noch herumreißen könnte.

Die Patriots steuern auf einen klaren Neustart zu, das denke ich schon. Mit neuem Quarterback und, ja, das vermute ich, mit einem neuen Head Coach. Aber in der Offseason. Und für Belichick wird es dann eine "elegante" Lösung geben - vielleicht ein Trade, dem er zustimmt und so alle Beteiligten halbwegs sauber die größte Ära der NFL-Geschichte beenden.

Kyler Murray von den Arizona Cardinals

Kyler Murray gab am Sonntag sein Comeback nach elfmonatiger Verletzungspause. Getty Images

Kyler Murray ist zurück. Elf Monate nach seinem Kreuzbandriss gab Kyler Murray am Sonntag gegen die Falcons schließlich sein Comeback. Nach mehreren Trainingswochen, in denen die Cardinals ihn allerdings noch nicht aktivierten, war es am Sonntag bereit - und ich bin ehrlich, ich hatte nicht erwartet, dass Murray direkt so spielen würde.

Nicht unbedingt qualitativ - auch wenn es alles in allem ein gutes Spiel von ihm war und er den Ball auch gut geworfen hat -, sondern in erster Linie physisch. Murray war direkt am Boden wieder eine Waffe, bei keinem Play war das deutlicher als bei Dritter-und-10 gut eineinhalb Minuten vor dem Ende. Die Falcons schickten den Blitz und hätten sie Murray zu Boden bekommen, wäre das vermutlich der Game-Winner aus Falcons-Sicht gewesen.

Stattdessen aber entkam Murray zwei Rushern, sprintete nach links aus der Pocket und verhinderte so nicht nur den Sack, sondern lief fürs First Down und am Ende des Drives kickte Arizona das entscheidende Field Goal. Insgesamt 68,9 Yards legte Murray bei diesem Scramble zurück, dabei erreichte er einen Top-Speed von 20,17 mph - sein persönlicher Höchstwert seit Woche 16 in der 2021er Saison.

Dass Murray physisch wieder auf 100 Prozent ist, ist für Arizona umso wichtiger, weil es den Cardinals die Möglichkeit gibt, Murray über die zweite Saisonhälfte vernünftig zu bewerten. Ich denke, dass Arizona mit Murray zu viele Spiele gewinnen wird, um am Ende der Saison überhaupt in der Top-2-Pick-Konversation zu sein, und dass die Cardinals ihre Draft-Munition nutzen werden, um weiter um Murray herum etwas aufzubauen.

Meine Lieblingsstatistik aus diesem Spiel aber war eine andere: Trey McBride, der ein großartiges Spiel hatte, ist der erste Cardinals-Tight-End mit einem 100-Receiving-Yard-Spiel seit Robert Awalt das am 12. November 1989 (!) geschafft hat. Unglaublich. Und wenn wir schon in den Geschichtsbüchern sind, es war auch das erste Spiel der altehrwürdigen Cardinals-Franchise seit 1956, in dem zwei verschiedene Quarterbacks je einen Rushing-Touchdown hatten. Damals waren es natürlich Lamar McHan und Jim Root, wer ein Foto mit Trikot hat, bekommt von mir einen Shoutout.

Wir erleben die Saison der Rookie-Quarterbacks. Nicht unbedingt qualitativ, zugegebenermaßen, abgesehen von C.J. Stroud, der dafür umso mehr begeistert. Doch mit dem Start von Undrafted Rookie Tommy DeVito für die Giants gegen die Cowboys am Sonntag haben wir jetzt zehn verschiedene Rookie-Quarterbacks in dieser Saison als Starter gesehen - das hat es, abgesehen von der 1987er Streik-Saison, seit 1950 nicht mehr gegeben.

Natürlich ist einiges davon durch Verletzungen getrieben: DeVito spielt, weil Daniel Jones und Tyrod Taylor ausfallen. Jaren Hall startete letzte Woche infolge der Cousins-Verletzung, auch Dorian Thompson-Robinson (Cleveland) und Tyson Bagent (Chicago) kamen nur durch Starter-Ausfälle zu ihren Einsätzen. Aidan O’Connell und Will Levis sind ein wenig im Graubereich, aber vermutlich hätten beide zumindest an diesem Punkt noch nicht gespielt, wenn die jeweiligen Starter fit wären und die Raiders nicht schon die Saison-Aufräumarbeiten eingeleitet hätten.

Dementsprechend denke ich nicht, dass hier ein strategischer Trend zu erkennen ist, aber vielleicht lässt sich eine strategische Maßnahme daraus mitnehmen: Nämlich, dass Teams generell noch mehr Wert auf den Backup-Quarterback-Posten legen. Und das nicht zwangsläufig mit einem langjährigen Veteran, sondern vielleicht kann eine Folge aus dieser Saison sein, dass Teams noch mehr gewillt sind, Quarterbacks in den mittleren Runden des Drafts zu picken. Einfach auf die Chance hin, dass man einen Treffer landen könnte - und der immense Value, den das bedeuten würde. Und selbst wenn sich kein Starter daraus entwickelt, auch einen guten, jungen und günstigen Backup für die nächsten vier Jahre zu haben, hat zunehmend seinen Reiz.

Adrian Franke

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