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NFL, Midseason-Awards: Ein MVP-Favorit setzt sich fest - und wird C.J. Stroud Rookie des Jahres?

Four Downs: Die NFL-Kolumne von Adrian Franke

Midseason-Awards: Ein MVP-Favorit setzt sich fest - und wird Stroud jetzt Rookie des Jahres?

FIRST DOWN: Midseason Awards

Neun Wochen sind absolviert, neun Wochen liegen noch vor uns. In dem Zeitraum kann noch viel passieren, vor einem Jahr schlugen die Jets in Woche 9 die Bills mit 20:17, standen 6-3 und waren für nicht wenige ein ernsthafter Playoff-Kandidat, während Buffalo scheinbar in die Krise schlitterte.

Die Titans führten indes die AFC South auch nach einer knappen Niederlage gegen die Chiefs mit fünf Siegen und drei Niederlagen an, während Jacksonville nur durch einen 27:20-Comeback-Sieg gegen die Raiders seine Saisonbilanz auf 3-6 stellen konnte. Detroit indes hatte mit einem 15:9 gegen die Packers gerade sein zweites Saisonspiel gewonnen.

Viele dieser Dinge wurden im weiteren Saisonverlauf ad absurdum geführt, das ist die Realität in der NFL. Dementsprechend kann sich auch bei den individuellen Awards noch einiges tun, doch zur Saisonmitte sehe ich zumindest bei einigen Auszeichnungen klare Favoriten.

Midseason MVP: Lamar Jackson (Baltimore Ravens)

Die vielleicht größte Frage bei Lamar Jackson könnte am Ende sein, ob er die notwendigen Total Stats mitbringt. Jackson wird kein 5.000-Yard-Passer sein - aber er könnte Geschichte schreiben, indem er über 3.500 Passing- und über 1.000 Rushing-Yards auflegt. Drei Quarterbacks konnten bisher in einer Saison für über 1.000 Yards laufen: Lamar Jackson (2019 und 2020), Michael Vick (2006) und Justin Fields (2022). Keiner davon kam in der jeweils gleichen Saison auf 3.200 Passing-Yards. Jackson spielt bislang auf einem extrem hohen Level und setzt sich damit zunehmend deutlich ab.

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    Wer könnte ihm gefährlich werden? Gar keine ganz so leichte Frage! Mahomes ist eine logische Antwort, sollten er, Josh Allen oder auch Joe Burrow jetzt richtig heiß laufen, kann es immer einer aus dieser Gruppe werden. Aber sonst? Die MVP-Rufe nach Tyreek Hill, Tua Tagovailoa, Brock Purdy oder auch Christian McCaffrey sind zuletzt leiser geworden, neben Jackson habe ich im Moment Jalen Hurts als Nummer-2-Kandidaten auf dem Zettel.

    Midseason Offensive Player of the Year: Tyreek Hill (Miami Dolphins)

    Hill war wahnsinnig eindrucksvoll über die ersten sechs Spiele dieser Saison, zuletzt ist er zumindest etwas abgekühlt. Aus dem Spiel gegen Kansas City wird vor allem sein Fumble in Erinnerung bleiben, trotzdem ist er für mich immer noch der Receiver, der die eigene Offense mehr prägt, als jeder andere Nicht-Quarterback. Und er ist statistisch noch immer auf Kurs für über 2.000 Receiving-Yards.

    Wer könnte ihm gefährlich werden? Hier musste ich inzwischen tatsächlich lange überlegen, ob ich nicht sogar A.J. Brown an die Spitze setze, mit Hill als Nummer 2. Brown ist sehr nah dran an Hill, für mich ist Hill nochmal ein wenig mehr identitätsstiftend für die Offense und sein Impact auf Defenses und auf das eigene Scheme noch ein klein wenig größer, aber viel fehlt hier nicht mehr.

    Midseason Defensive Player of the Year: Myles Garrett (Cleveland Browns)

    Der Down-für-Down dominanteste Pass-Rusher in der NFL dieses Jahr ist meist nicht die schlechteste Wahl für diese Auszeichnung. Garrett führt die Liga in Pass-Rush-Win-Percentage und True-Pass-Set-Win-Percentage - also ohne Screens, Play Action und dergleichen - an. Kein Edge ist dieses Jahr schwieriger zu blocken, kein Edge verlangt eine derart große Sonderbehandlung schon im Game Plan. Das für sich betrachtet hat alleine bereits immensen Value, der gar nicht im Boxscore auftaucht.

    Wer könnte ihm gefährlich werden? T.J. Watt ist Down-für-Down kein ganz so großer Faktor wie Myles Garrett, dafür ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Watt für mehr Big Plays in entscheidenden Momenten sorgt. Das ist nicht nur für sich betrachtet natürlich sehr wertvoll, es ist auch etwas, das jeder Fan und jeder Stimmberechtigte wahrnimmt.

    Midseason Offensive Rookie of the Year: C.J. Stroud (Houston Texans)

    Das Spiel gegen die Bucs und insbesondere die zweite Halbzeit gegen die Bucs dürfte Stroud auch "massentauglich" weit nach vorne katapultiert haben. Zur Saisonmitte steht außer Frage, dass er die beste Rookie-Saison der Rookie-Quarterbacks spielt, was schon einmal eine gute Ausgangslage ist. Stroud ist absolut nicht fehlerfrei und auch noch kein Top-10-Quarterback, aber das ist auch nicht die Anforderung an einen Rookie-Quarterback. Was das angeht - also Rookie-Quarterbacks - spielt Stroud eine der besten Saisons der letzten Jahre.

    Wer könnte ihm gefährlich werden? Dieser Award scheint ein Zwei-Personen-Rennen zu werden: Stroud, mit dem Vorteil des erhöhten Schwierigkeitsgrads seiner Position, gegen Rams-Receiver Puka Nacua, dessen Job zwar etwas leichter ist, der dafür aber über die ersten neun Spiele auch regelmäßig Rookie-Receiving-Rekorde gebrochen hat. Aktuell sehe ich die beiden noch sehr nah beieinander, für Nacua könnte es jetzt zum Verhängnis werden, dass Stafford womöglich weiter ausfällt oder angeschlagen spielt.

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    Midseason Defensive Rookie of the Year: Jalen Carter (Philadelphia Eagles)

    Carter hat ein Spiel verletzungsbedingt verpasst - die einzige Eagles-Niederlage gegen die Jets -, ansonsten aber war er in jedem Spiel ein spürbarer Impact-Spieler. In der Hälfte seiner bisherigen Partien vier oder mehr Quarterback-Pressures, trotz regelmäßiger Double-Teams gewinnt er konstant. Carter war mein Favorit vor der Saison und er ist es weiterhin, aber das Rennen ist spürbar enger geworden.

    Wer könnte ihm gefährlich werden? Ähnlich wie auf der offensiven Seite, erwarte ich auch hier ein Zwei-Spieler-Duell. Wenn es Carter nicht wird, dann wird es Devon Witherspoon, der Rookie-Corner von den Seahawks. Für Cornerbacks kann es schwer sein, diesen Award zu gewinnen, insbesondere dann, wenn es nicht über viele Interceptions geht. Aber Witherspoons Spielweise ist explosiv und "auffällig" genug, dass er trotzdem auf dem Radar bleiben wird. Rein qualitativ sollte er das sowieso.

    Coach of the Year: Dan Campbell (Detroit Lions)

    Hier gibt es ehrlicherweise keinen Kandidaten, der mich zu 100 Prozent überzeugt. Aber Campbell hat aktuell vermutlich die besten Karten. Dieser Award ist immer auch mitgeprägt von Narrativen, von Storylines - und wenn Detroit mehrere Wochen vor Saisonende die Division gewinnt und zum ersten Mal seit 1993 ein Playoff-Heimspiel austrägt, könnte es bei der Stimmabgabe eine klare Sache zugunsten Campbells werden.

    Wer könnte ihm gefährlich werden? Hier ist die Liste länger. Mike McDaniel ist nach wie vor ein heißer Kandidat, aber die Dolphins müssen so langsam mal ein paar gute Teams schlagen. Ich mag John Harbaugh hier auch, in erster Linie dafür, wie er sich und sein Team neu erfinden kann. Auch nicht zu unterschätzen ist DeMeco Ryans, insbesondere, falls Houston wirklich am Ende Playoffs spielen sollte.

    Dan Campbell, Head Coach der Detroit Lions

    Unter Head Coach Dan Campbell sind die Lions wieder relevant geworden. NurPhoto via Getty Images

    SECOND DOWN: QB-Auftritt der Woche - C.J. Stroud gegen die Buccaneers

    In dieser festen Kategorie soll es um einen Quarterback gehen, der diese Woche eine Partie hatte, die gesondert betrachtet werden muss. Dabei geht es nicht zwangsläufig um den besten Quarterback der Woche - es kann auch mal der schlechteste der Woche hier behandelt werden -, sondern auch um übergreifende Punkte. Diesen Quarterback analysiere ich ausführlich und präsentiere ihn euch hier.

    Als ich vor etwas mehr als einem Monat über C.J. Stroud geschrieben habe, hatte sich mein Bild von Stroud im Vergleich zu meiner Pre-Draft-Meinung schon geändert. Die Ruhe unter Druck und generell das Pocket-Management waren die Dinge, die damals am meisten herausragten. Dass er einen guten Arm hat, und dass er den Ball sehr akkurat werfen kann, das war im College schon offensichtlich.

    Am Sonntag gegen Tampa Bay waren all seine besten Qualitäten in einem eindrucksvollen Game-Winning-Drive zu sehen. Ein Game-Winning-Drive, der an der eigenen 25-Yard-Line begann, mit 46 Sekunden auf der Uhr.

    Man sah die Ruhe, als Stroud beim zweiten Play mit unter 40 Sekunden auf der Uhr nichts forcierte, sondern den Checkdown zum Tight End warf. Man sah, wie schnell er in der Pocket operiert und einen akkuraten Strike werfen kann, beim Pass zu Noah Brown über die Mitte für 14 Yards und ein First Down.

    An diesem Punkt tickte die Uhr unerbittlich runter. 18 Sekunden bis zum Ende, 17 Sekunden, 16 Sekunden, dann spikte Houston den Ball.

    Man sah das enorme Armtalent bei Strouds bestem Wurf dieses Drives: Ein spektakulärer Shot tief Richtung Sideline, also genau die Art Play, welches die Defense in dieser Situation verhindern will. Stroud feuerte den Ball über den Corner, vor den Split-Safety, Tank Dell fing ihn an der 15-Yard-Line der Bucs für 26 Yards Raumgewinn und ging ins Seitenaus, sodass die Uhr stoppte.

    Beim nächsten und finalen Play des Drives sah man seine Accuracy: Stroud bekam Zeit in der Pocket, legte den Ball in die Mitte der Endzone, wo Dell Separation kreiert hatte, sodass nur Dell an den Ball kommen konnte, weder der Cornerback, der ihn verfolgte, noch der Bucs-Safety auf der anderen Seite.

    C.J. Stroud bricht Rookie-Passing-Rekord

    Am Ende standen 470 Passing-Yards auf Strouds Konto, damit hatte er den Single-Game-Rookie-Passing-Yard-Rekord gebrochen. Seine fünf Touchdown-Pässe stellten die Bestmarke für Quarterbacks in ihrer ersten NFL-Saison zumindest ein.

    Stroud brachte sechs von acht tiefen Pässen (mindestens 20 Air Yards) für 199 Yards und drei Touchdowns an, seine Completion Percentage Over Expected (12,2 Prozent) wurde diese Woche nur von Lamar Jackson (16 Prozent) überboten - und Stroud warf den Ball im Schnitt fast zwei Yards tiefer als Jackson und warf 16 Pässe mehr.

    Es war nicht alles perfekt, oder, wie Head Coach DeMeco Ryans es nach dem Spiel erklärte, "nicht alles war sauber, aber er hat nie aufgegeben. Er war tough in der Pocket und hat einige großartige Pässe angebracht."

    Stroud hatte einen Overthrow (1:22/erstes Viertel) bei Dritter-und-9, da hatte er Tank Dell mit einer Out Route fürs First Down, verfehlte ihn aber, und er überwarf Dell nochmals bei einer tiefen Corner Route (7:32/zweites Viertel).

    Stroud hatte einige Fehler früh in der Partie, das sollte nicht unerwähnt bleiben. Aber je länger das Spiel ging, desto besser wurde er. Der 29-Yard-Touchdown auf Dell (6:02/drittes Viertel) war herausragend platziert, Stroud hatte keine Plattform, warf den Ball halb vom Backfoot nach einem kurz angetäuschten - so sah es zumindest aus - Wurf, konnte nie ganz in den Wurf rein gehen und legte den Ball dennoch perfekt über Carlton Davis, sodass er in die Arme von Dell fiel.

    C.J. Stroud von den Houston Texans

    C.J. Stroud führte Houston am Sonntag zu einem spektakulären Last-Minute-Sieg. Getty Images

    Stroud begeistert mit seiner Ruhe

    Stroud wirft aktuell den vielleicht "schönsten" Ball in der NFL, ich komme aber jedes Mal, wenn ich ihn mir anschaue, vor allem auf seine Ruhe in der Pocket generell, und spezifisch unter Druck zurück. Weil das etwas ist, das er im College nur selten zeigen konnte, und wenn er es zeigen musste, die Ergebnisse sehr gemischt waren.

    Der Pass auf Schultz, der per Fumble den ersten Texans-Drive beendete, war so ein Beispiel.

    Stroud machte einen kleinen Schritt zur Seite, etablierte die Pocket wieder neu und feuerte den Ball raus zu Schultz. Wäre der dann mit Ball zu Boden gegangen, wäre es ein First Down gewesen.

    Oder der Pass bei Dritter-und-Elf in der zweiten Hälfte (6:36/drittes Viertel). Hier musste er zuerst zurückweichen, in dieser Bewegung drehte er sich einmal um die eigene Achse und warf dann den Ball sofort raus, und der Wurf kam akkurat und war leicht zu fangen. Das nächste Play war der 29-Yard-Touchdown auf Dell.

    Der Checkdown auf Schultz für 13 Yards beim vorletzten Texans-Touchdown-Drive machte das auch deutlich (3:37/drittes Viertel). Stroud blieb hier so lange wie möglich mit seinen Augen Downfield, aber gerade so nicht zu lange, sodass er dann unter Druck und kurz bevor er zu Boden gebracht wurde, noch den Checkdown auf den Tight End werfen konnte.

    Die Rollouts und generell Pässe aus der Bewegung sind extrem gut, wie schnell er seine Füße neu setzt und den Ball dadurch auch zur Backside des Plays schnell und mit Tempo werfen kann, öffnet das Playbook zusätzlich.

    Ich bin sehr gespannt, ob Houston bis zum Ende im AFC-Playoff-Rennen dabei bleiben kann. Der siebte Seed könnte machbar sein, und Houstons Programm in der zweiten Saisonhälfte ist in Ordnung. Spätestens nächstes Jahr sollte das im Bereich des Möglichen sein, denn ich habe wenig Zweifel daran, dass die Texans mit Stroud einen Quarterback gefunden haben, um den herum man jetzt ein Playoff-Fenster öffnen kann.

    THIRD DOWN: Play der Woche - Keaton Mitchells 40-Yard-Touchdown

    Nach dem nächsten Statement gegen die Seattle Seahawks kann man diese Frage durchaus berechtigt in den Raum stellen: Ist Baltimore das beste Team in der AFC?

    Die Ravens haben jetzt alle drei Spiele in dieser Saison gewonnen, in die ihr jeweiliger Gegner mit einem positiven Record gegangen ist: Gegen Cleveland, Detroit und jetzt gegen Seattle. Und alle drei Spiele waren Machtdemonstrationen: Ein 28:3 gegen Cleveland, 38:6 stand es am Ende gegen Detroit und 37:3 am Sonntag gegen Seattle. In keinem dieser Spiele lag Baltimore zu irgendeinem Zeitpunkt zurück.

    Die Ravens wirken im Moment kompletter als die Chiefs und Bills, sie wirken gefestigter als die Steelers, Browns und Bengals, sie haben ein höheres Ceiling als die Jaguars - und im Gegensatz zu den Dolphins schlagen sie zumindest bislang die starken Gegner auf ihrem Schedule. Selbst in den Spielen, in denen sie Probleme hatten, oder die sie auch verloren haben, schienen Baltimores größte Gegner eigene Fehler zu sein. Die Drops gegen Pittsburgh, die gelegentlichen Fumble-Probleme von Lamar Jackson.

    Mein "Play der Woche" hat deshalb auch viel mit der Gesamtsituation zu tun, weil es so beispielhaft aufzeigt, wie vielseitig die Ravens offensiv sind. Gerade dieses Team, das jahrelang nur eine Identität hatte und sich so schwer damit getan hat, einen Plan B zu entwickeln, bringt dieses Jahr die vielleicht vielseitigste Offense in der NFL aufs Feld. Vom Kurzpassspiel - Lamar Jackson steht bei 7,4 Yards pro Pass bei Pässen zwischen 0 und neun Yards Tiefe, der Bestwert in der NFL - über die Shot Plays und das Play Action Passspiel, bis hin zum Quarterback Run Game und dem physischen Run Game mit Gus Edwards.

    Am Sonntag zeigten die Ravens eine weitere Komponente: Das explosive Run Game mit Undrafted Rookie Keaton Mitchell. Mitchell hatte lediglich zwei Snaps in der bisherigen Saison gespielt, am Sonntag gegen Seattle spielte er 13 - und lief den Ball neun Mal für 138 Yards.

    Darunter war dieser 40-Yard-Touchdown-Run, der endgültig den Deckel auf die Partie machte. Die Ravens könnten mit Mitchell nicht nur eine zusätzliches explosives Element gefunden haben, das Play für sich war ein schöner Mini-Kosmos der Offense: Denn die Ravens täuschen einen Screen zu Zay Flowers an, was die Augen der Safeties und Linebacker kurz beschäftigt. Dann ist ein vermeintlicher Quarterback-Keeper eingebaut, sodass die Defense auch Jackson als potenziellen Runner kurz registriert. Mitchell individuell ist dann schnell genug, um dem Edge-Verteidiger zu entkommen und den Turbo zu zünden.

    Der Rookie kam laut "Next Gen Stats" auf 108 Rushing Yards Over Expected, der Höchstwert innerhalb eines Spiels seit 2020. Bei seinem Touchdown-Run erreichte Mitchell einen Top-Speed von 20,99 mph, der Höchstwert für einen Ravens-Spieler in dieser Saison.

    Mitchell hatte später im vierten Viertel - als bereits einige Backups auf dem Platz standen - noch einen 60-Yard-Run,  bei dem die Ravens die Agilität und Athletik ihrer Offensive Line mit einem Center-Pull-Block unter Beweis stellten. Jackson war am Sonntag effizient, alle 16 Pässe unterhalb von zehn Air Yards brachte er zum Mitspieler. Doch die Offense ist eben nur ein Teil der Geschichte: Baltimore hat eine Top-3-Defense. Die Ravens lassen aktuell einen Touchdown bei nur 8,7 Prozent der gegnerischen Drives zu, das ist seit 2000, als die 2000er Ravens diese Marke noch schlugen, der Bestwert.

    Wir sind noch nicht einmal im finalen Drittel der Regular Season angekommen. Es liegt auf der Hand, dass noch viel passieren wird, bis es dann in den Playoffs wirklich um alles geht. Verletzungen, Formtiefs, Teams, die heiß laufen - das kann man noch nicht vorhersagen.

    Im Moment aber hat Baltimore die für mich stärksten Argumente, um der Kandidat zu sein, der als wirklich komplettes Team Richtung Postseason geht.

    FOURTH DOWN: Was nicht unerwähnt bleiben sollte

    Josh Dobbs hatte die verrückteste Quarterback-Leistung der Saison. Man kann nur mit größtem Respekt den Hut vor dem ziehen, was Josh Dobbs gegen Atlanta gemacht hat. Am Dienstag hatten die Vikings Dobbs via Trade aus Arizona geholt, als Absicherung nach der schweren Verletzung von Kirk Cousins.

    Doch das Debüt von Rookie-Quarterback Jaren Hall dauerte nicht einmal eine Halbzeit, sodass Dobbs, der erst ab Mittwoch in Minnesota war und dort auch nicht mit den Startern trainiert hat - diese wertvollen Snaps gehörten natürlich Hall in Vorbereitung auf seinen ersten Start -, ins eiskalte Wasser geworfen wurde.

    Und natürlich war es holprig, wie könnte es anders sein? Dobbs lief in Calais Campbell zum Safety, er hatte zwei Fumbles bei Strip Sacks und natürlich war es eine Achterbahnfahrt von einer Offense. Aber es war eben auch ein Spiel, in dem Vikings-Coach Kevin O’Connell für Dobbs Plays im Spiel "übersetzte", damit er wusste, was gemeint ist. O’Connell sagte nach dem Spiel, dass Dobbs’ Fähigkeit, all das live im Spiel zu verarbeiten und umzusetzen, eine der eindrucksvollsten Vorstellungen war, die er jemals in seiner Karriere gesehen hat.

    Es war ein Sieg, der als ein guter Maßstab dafür dienen kann, welcher Charakter in diesem Team steckt. Ohne Cousins, mit dem frisch verpflichteten Nummer-3-Quarterback, der noch nicht einmal die ganzen Namen seiner Teamkollegen kannte, ohne Justin Jefferson, ohne Christian Darrisaw.

    Dieser Sieg verrät uns viel über die Vikings - aber auch einiges über die Falcons, die weiterhin ein Team sind, dem ein verlässlicher Quarterback fehlt, um weiter oben mitzuspielen. Das hat sich auch mit dem Wechsel zur personifizierten Quarterback-Achterbahn Taylor Heinicke nicht geändert.

    Josh Uche von den New England Patriots

    Patriots-Pass-Rusher Josh Uche könnte in ein paar Monaten ein spannender Free Agent werden. Icon Sportswire via Getty Images

    Die spannendsten Spieler, die nicht getradet wurden, sind zwei junge Verteidiger, die im Frühjahr auf den Markt kommen. Einer davon ist - unter den Kandidaten, bei denen es ernsthafte Gerüchte gab - Patriots-Pass-Rusher Josh Uche. Übereinstimmenden Berichten zufolge hat New England mit mehreren Teams Gespräche über einen potenziellen Trade des 25-Jährigen geführt, am Ende konnte man sich mit niemandem einigen.

    Uche ist ein explosiver Speed-Rusher, der mit seiner Größe nicht unbedingt als klassischer Edge-Verteidiger bei Run-Downs geeignet ist, aber er hat letztes Jahr 56 Quarterback-Pressures produziert, in der laufenden Saison steht er bei gerade einmal 91 Pass-Rush-Snaps schon wieder bei derer 17. In der vergangenen Saison hatten nur Micah Parsons, Nick Bosa, Brandon Graham und Myles Garrett eine höhere Pass-Rush-Win-Rate.

    Uche mag nicht in jede Defense passen, aber er ist, richtig eingesetzt, auf einer Pro-Rush-Basis einer der gefährlicheren Pass-Rusher in der NFL. Ich bin gespannt, wo er in der kommenden Free Agency landet.

    Der andere Spieler ist Bears-Corner Jaylon Johnson, und hier war die Kommunikation nach außen noch aggressiver: Die Bears hatten Johnson die Freigabe erteilt, sich vor der Deadline nach Trade-Partnern umzuschauen, nachdem die Vertragsgespräche vorerst gescheitert waren. Angeblich war das Angebot der Bears vergleichsweise gering, und sofern Chicago ihm nicht nach der Saison den Franchise Tag gibt, könnte Johnson einer der Top-Spieler auf dem Free-Agency-Markt werden. Und das frisch aus seiner - zumindest bis dato - besten NFL-Saison.

    Umbrüche und Rebuilds sind ein schwieriges Thema. Die vergangene Woche in der NFL stand, noch bevor das erste Spiel des Spieltags losging, im Zeichen einer anderen Frage: Wann sollten Teams einen Rebuild einleiten? Und wie sollte dieser Prozess aussehen?

    Das fing an mit der Trade-Deadline, die bestimmt wurde durch die Washington Commanders. Washington trennte sich nicht nur von einem, sondern von beiden seinen Pass-Rushern, die einstmals Erstrunden-Picks dieser Franchise waren, und deren Verträge nach der Saison auslaufen.

    Wir können davon ausgehen, dass solche Entscheidungen nicht von Head Coach Ron Rivera ausgehen und bestenfalls von ihm abgenickt, vermutlich aber eher einfach hingenommen werden. Denn die Weichenstellung scheint damit klar: Washington macht einen Haken hinter diese Saison und peilt an, einige Dinge neu aufzubauen - weitere Trades im Frühjahr würden mich nicht wundern. Und dass die neuen Teambesitzer dann vielleicht auch eher "ihren" Wunsch-Head-Coach installieren wollen, ist keine allzu gewagte Prognose.

    Die Raiders indes behielten ihre lukrativen Trade-Assets - allen voran Davante Adams -, machten dafür aber nach nur eineinhalb Jahren einmal mehr reinen Tisch auf der Führungsebene und trennten sich von Head Coach Josh McDaniels und GM Dave Ziegler. Eine Entscheidung, die, wenn man die Reaktion der Mannschaft vor, während und nach dem Spiel am Sonntag betrachtet, einerseits sportliche Gründe hatte, andererseits aber ohne Frage auch getroffen wurde, um ein toxisches Arbeitsumfeld zu säubern.

    Natürlich bleibt abzuwarten, wie der weitere Weg für diese beiden Franchises aussieht, aber allein diese beiden Extrembeispiele rund um die Trade-Deadline zu sehen, unterstreicht einmal mehr, dass man Rebuilds immer im Einzelfall betrachten muss. Und es ist hier auch wichtig zu erwähnen, dass ein komplettes Einreißen des Kaders keineswegs nötig ist. Minnesota könnte hier am Ende ein sehr gutes Beispiel dafür sein, je nachdem, wie die Vikings die Quarterback-Position nach der Saison besetzt bekommen.

    Das ist immer der Schlüssel für jeden Rebuild, und der Punkt, der am Ende darüber entscheidet, ob ein Umbruch erfolgreich war, oder eben nicht: Steht man an dessen Ende mit einem Franchise-Quarterback da?

    Die Eagles und Chiefs, zwei der erfolgreichsten Franchises der letzten sechs Jahre, sind gute Beispiele dafür, dass man ein Team auch schrittweise auf- und umbauen kann, ohne alles einzureißen. Dafür gibt es selbstredend viele Nuancen jeweils im Detail, und der Umgang mit Draft-Ressourcen ist dabei immer ein kritischer Punkt. Die antizipierte Timeline und der Dreijahresplan sind hier immer essenziell.

    Deshalb hätte ich einen Davante-Adams-Trade aus Raiders-Sicht gerne gesehen, um damit anzufangen, sich so aufzustellen, dass man in zwei bis drei Jahren gut sein kann. Denn eine kurzfristige Timeline sehe ich hier nicht. Auf der anderen Seite hätte ich aus Commanders-Sicht gerne gesehen, dass Washington einen der beiden Edge-Rusher behalten und als eine tragende Säule mit ihm verlängert hätte. Umgekehrt gedacht ist es für mich komplett nachvollziehbar, dass die Bears den Zweitrunden-Pick in Montez Sweat investieren: Jeder Umbruch, egal wie radikal, muss irgendwann mit guten, möglichst jungen Spielern vorangetrieben werden. Und die bekommt man nicht umsonst, und man kann nicht darauf vertrauen, dass man sie ausschließlich über den Draft findet.

    Während die Saisons in Las Vegas und Washington in der zweiten Saisonhälfte eher ihrem Ende entgegen plätschern dürften, wird die Frage der Rebuild-Strategie für beide Franchises jetzt von Woche zu Woche größer werden. Und die Entscheidungen der kommenden Monate werden uns viel über die nicht selten wichtigsten Personen für eine Franchise in einer solchen Phase verraten: Die Teambesitzer.

    Adrian Franke