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SV Hummetroth: Qualität hat ihren Preis

Kreisoberligist denkt an die Regionalliga

SV Hummetroth: Qualität hat ihren Preis

Soll den SV Hummetroth als Trainer nach oben führen: Sandro Sirigu, der als Aktiver 36-mal Bundesliga und 60-mal 2. Bundesliga gespielt hat.

Soll den SV Hummetroth als Trainer nach oben führen: Sandro Sirigu, der als Aktiver 36-mal Bundesliga und 60-mal 2. Bundesliga gespielt hat. IMAGO/HMB-Media

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Die "Welt" nannte ihn den "Paten aus dem Odenwald", er selbst betitelt sich gern als "Dietmar Hopp der Kreisliga" - Stefano Trizzino (55) und sein Geld polarisieren. Seit 2017 ist der Italiener als Mäzen des SV Hummetroth tätig, ein 400-Einwohner-Dorf im hessischen Odenwald.

Seitdem hat sich in Hummetroth viel getan: Von der C-Klasse ging es rauf in die Kreisoberliga, der Kader wurde mit Akteuren aus der Regional- und Hessenliga bestückt. Das Vereinsheim erstrahlt in neuem Glanz, es gibt eine Soccerhalle und eine neue Tribüne mit rund 200 Plätzen - 500 sollen es einmal werden. Auch ein kleiner Soccercourt mit Kunstrasen, ein neuer Zaun und ein Kraftraum sollen noch folgen. Trizzino rechnet mit Kosten von einer halben Million Euro. Einen ähnlichen Betrag soll der Mäzen in den letzten Jahren bereits in den Klub investiert haben, glaubt man den Gerüchten. Alles für das erklärte sportliche Ziel Hessenliga. "Ich investiere nicht nur in Beine, sondern auch in Steine", lautet Trizzinos Motto.

Ich würde ihn gerne mal kennenlernen. Er ist mein Vorbild.

Stefano Trizzino über Dietmar Hopp

Dass die Konkurrenz im beschaulichen Odenwald dieses Treiben nicht gerne sieht, liegt auf der Hand: In den Kreisligen sagten viele Teams ihre Spiele gegen den SV einfach ab, Trizzino wurde beleidigt, seine Sportwagen bespuckt. Die Situation hat sich inzwischen zwar deutlich gebessert, mit dem Ferrari oder Lamborghini kommt der studierte Elektrotechniker aber trotzdem nicht mehr zu den Spielen. Wenn der Geschäftsführer mehrerer Unternehmen im In- und Ausland aus beruflichen Gründen in Italien weilt, muss es aber durchaus mal das Flugzeug sein. Der Vergleich zu Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp drängt sich so unweigerlich auf. Trizzino gefällt das: "Ich würde ihn gerne mal kennenlernen. Er ist mein Vorbild."

Und die Mannschaft? Die besteht aus so namhaften Akteuren wie Ugurtan Kizilyar (29, 185 Regionalligaspiele u. a. für Wormatia Worms), Daniele Toch (34, 193 Regionalligaspiele u. a. für Darmstadt 98), Giuseppe Burgio (34, 289 Regionalligaspiele u. a. für Waldhof Mannheim) oder Tino Lagator (35, 78 Spiele für slowenische, litauische und ungarische Erstligisten). Aktuell belaufen sich die Kosten für die Mannschaft auf rund 50.000 Euro im Jahr. Am Geld liege es aber nicht, dass diese Spieler nun in der Kreisoberliga antreten, versichert Trizzino: Kein Akteur kann in Hummetroth vom Fußball leben. "Wir ködern nicht mit Geld, sondern mit Perspektiven", sagt der Mäzen. Acht Spieler arbeiten in Trizzinos Maschinenbau-Firma und "haben die Chance genutzt, beruflich anzukommen", andere sind als Vertragsamateure angestellt, zudem winken Posten als Jugendtrainer und in Trizzinos gemeinnütziger GmbH CERES.

Ein ernster Hintergrund

Denn was nach dicker Hose klingt, hat auch einen ernsten Hintergrund: In Sandbach/Breuberg geboren und in Sizilien aufgewachsen, kam Trizzino mit sechs Jahren in den Odenwald zurück. Er wuchs in armen Verhältnissen auf, konnte die Sprache nicht. Erst der Fußball ermöglichte ihm Kontakt mit anderen Kindern, zunächst beim FC Höchst, später bei eben jenem SV Hummetroth.

Das will er nun allen Kindern ermöglichen. Seine gemeinnützige Organisation CERES hat es sich zum Ziel gesetzt, sozial schwächer gestellten Kindern zu helfen, sich über den Fußball in die Gesellschaft zu integrieren. Daraus resultierend soll es in Hummetroth ab der nächsten Saison auch eine Jugendmannschaft geben, zudem wird eine 2. Mannschaft an den Start gehen. Weitere Jugendteams sind geplant. Auch die Regionalliga kann sich Trizzino inzwischen durchaus vorstellen: "Wenn unsere neue Sparte der Medizintechnik so einschlägt, wie wir uns das wünschen, dann kann man in Zukunft auch über höhere Ziele sprechen", erklärt er.

Bleibt noch das Sportliche: So richtig rund läuft die Saison bislang nicht. Als Tabellenzweiter hat der SV bereits zwei Spiele verloren. Passend dazu trennte sich der Klub unlängst von Trainer und Ex-Profi Thomas Epp - und holte direkt den nächsten großen Namen an Bord. Seit zwei Wochen ist Sandro Sirigu in Hummetroth im Amt. Der Kontakt entstand über CERES. "Sandro passt perfekt in das Projekt", freut sich Trizzino, und Sirigu ergänzt: "Stefano hat mich von diesem Projekt total überzeugt. Das ist eine Chance, über die ich nicht zweimal nachdenken musste."

Das aktuelle Spiel

Der Ex-Profi, der von 2013 bis 2019 für Darmstadt 98 spielte (u. a. 36 Erstligaspiele), arbeitet dort aktuell im Bereich Events/CSR. Seinen Posten als Co-Trainer der A-Junioren gab der 34-jährige zugunsten seiner ersten richtigen Trainerstation auf. Er soll nun möglich machen, was Epp nicht geschafft hat: junge Spieler integrieren, ihnen die Möglichkeit geben, im Odenwald höherklassig Fußball zu spielen. Der Einstand ging jedoch ersatzgeschwächt mit einer Niederlage und einem Remis daneben. Entsprechend fordert Sirigu: "Mentalität schlägt Qualität. Es darf keine Mannschaft geben, die es mehr will als wir." Möglichst schon diesen Samstag im Topspiel gegen Tabellenführer SV Groß-Bieberau.

Susanne Müller

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