kicker

Stefan Maierhofer über Marko Arnautovic: "Er hat aus seinen Fehlern gelernt"

"Ex-Kontrahent" über Kabinenzoff in Istanbul

Stefan Maierhofer über Marko Arnautovic: "Er hat aus seinen Fehlern gelernt"

Maierhofer und Arnautovic ein Jahr nach ihrem Disput.

Maierhofer und Arnautovic ein Jahr nach ihrem Disput. GEPA pictures/Christian Ort

"Warum wird einem Spieler, der noch nichts geleistet hat, so viel Aufmerksamkeit geschenkt?", giftete Ex-Teamchef Hans Krankl über den frühen Marko Arnautovic und unterstellte allen Experten, die diesen als größtes ÖFB-Talent aller Zeiten gesehen hätten, "sie müssen geistig umnachtet gewesen sein." Es gab nicht viele Wegbegleiter, die Marko Arnautovic zugetraut hätten, dass er einmal den Länderspiel-Rekord von Andi Herzog brechen würde. Schon gar nicht nach seinem elften Länderspiel, einer denkwürdigen 0:2-Niederlage gegen die Türkei in Istanbul.

Nations league

An diesem 29. März 2011 schien die Teamkarriere des damals 22-Jährigen schon wieder beendet, nachdem er in der Kabine auf Stefan Maierhofer losgegangen war, weil dieser in der 85. Minute (beim Stand von 0:2) einen Elfer verschossen hatte. "Da hab’ ich nicht viel nachgedacht", bezeichnet Arnautovic diese Episode als den Tiefpunkt seiner ÖFB-Karriere. "Zurecht" sei er daraufhin von Teamchef Didi Constantini (kurz) suspendiert worden.

Hallo Herr Maierhofer, haben Sie mitbekommen, was Marko Arnautovic auf der gestrigen Pressekonferenz zu der Auseinandersetzung mit Ihnen in Istanbul gesagt hat?

Nein, was hat er gesagt?

Dass das eine blöde Aktion und der Tiefpunkt seiner Teamkarriere war.

Freut mich, dass er das heute auch so sieht, seinen Fehler eingesteht - auch gegenüber Jürgen Macho und Emanuel Pogatetz, die ja damals dazwischen gegangen sind. Obwohl das ein Zwischenfall war, wie er unter Fußballern vorkommt. Wenngleich vielleicht auch einer der heftigeren Sorte.

Hätten sie ihm damals zugetraut, dass er einmal ÖFB-Rekordinternationaler wird?

Vielleicht war er in Istanbul wirklich noch ein kleiner Trottel, aber die Qualität hat er jedenfalls schon damals gehabt. Dass er jetzt den Andi Herzog übertrifft, liegt natürlich auch daran, dass es heute noch viel mehr Länderspiele gibt als damals. Wenn ich denke, dass Toni Polster 17 oder 18 Jahre im Team gespielt hat! Trotzdem musst du erst einmal 100 Länderspiele herunterradeln. Aber um auf die Frage zurück zu kommen: Wirklich absehbar war das wahrscheinlich nicht. Aber wie gesagt, er hat aus seinen Fehlern gelernt und ist heute ein absoluter Leistungsträger bei Bologna und im Nationalteam.

Ich glaube, Marko hat mittlerweile gelernt, wann es Zeit ist, einen Schmäh zu machen.

Maierhofer über den gereiften Arnautovic

Hatte sich der Kabinenkrach schon abgezeichnet? Mit seinen ewigen No-Look-Pässen und sonstigen Spompanadeln wird er ja nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Teamkollegen genervt haben?

Ich sehe das heute ja auch schon aus der Sicht des Trainers (Anm., Stefan Maierhofer ist Spielertrainer des SC Krems). Du musst dich immer fragen, was bringt dir ein Spieler? Was bringt er mit seinen Qualitäten der Mannschaft, aus wieviel solcher Aktionen entstehen Tore und Assists. Wenn er zehn Mal einen No-Look-Pass macht und der geht neun Mal zum Gegner, muss man ihn austauschen. Aber ich glaube, Marko hat mittlerweile gelernt, wann es Zeit ist, einen Schmäh zu machen, wann er wieder den 20-jährigen Marko rauslassen kann und wann er der gereifte 33-jährige Marko sein muss. Genauso weiß die Mannschaft heute genau, wie sie ihn einsetzen muss, dass es keinen Sinn hat, ihn immer wieder ins Loch zu schicken. Aber wenn er den Ball am Fuß hat und seine Dribblings macht, dann bringt das ja auch der Mannschaft viel. Im vorderen Drittel muss er in 1:1-Situationen gehen.

Wie haben Sie den jungen Marko, er ist Jahrgang 1989, Sie 1982, erlebt?

Ich erinnere mich gut, als er zum Team dazugekommen ist. Der Teammanager ist zu mir gekommen und hat mir gesagt, dass Marko unbedingt mit mir im Zimmer sein wollte. Das war okay für mich, obwohl ich sonst immer mit Jimmy Hoffer oder Jürgen Patocka ein Zimmer geteilt habe. Aber ich war jedesmal froh, wenn ich im Nationalteam war, also hab’ mir gedacht, ich werd’ ihn mir schon herrichten.

Mussten Sie ihn sich herrichten?

Es war auf jeden Fall eine spannende Woche, in der ich ihn kennengelernt habe. Er hat schon noch seine Flausen im Kopf gehabt, hat extrem viel am Computer gespielt, aber wir haben auch ferngeschaut und uns ausgetauscht. Er hat mir viele Geschichten von Twente erzählt, wo er damals noch gespielt hat.

Und wenn Sie einander heute begegnen?

Wir haben uns schon länger nicht gesehen, er lebt in Italien, ich in Wien. Aber klar, wenn wir uns einmal über den Weg laufen, sagen wir Hallo und Servus.

Man sagt Ihnen nach, Sie hätten das Maximum aus Ihrer Karriere herausgeholt, haben bei Bayern München und in der Premier League gespielt, sind mit Rapid und Salzburg Meister geworden. Hätte Marko mehr aus seinem Talent machen müssen?

Naja, vor ein paar Wochen stand noch sein Wechsel zu Manchester United im Raum. Er hat bei West Ham gespielt und gezeigt, dass er die Qualität hat, in der Premier League zu spielen. Dann ist er nach China gegangen, weil es dort extrem viel Geld zu verdienen gab. Jetzt hat er offenbar seinen Lebensmittelpunkt in Italien gefunden. Er ist in dieser Saison der einzige Torschütze von Bologna, der beste Torschütze in der Serie A, lebt mit seiner Familie in einer sehr schönen Stadt, vielleicht ist es das, was er wollte. Ich hätte ihm schon auch noch größere Vereine zugetraut, aber er hat trotzdem eine unglaubliche Karriere gemacht. Natürlich wäre es auch für ihn schön gewesen, wenn er auch den einen oder anderen Titel hätte einfahren können.

Interview: Horst Hötsch

ÖFB-Rekordspieler: Wer ist Österreichs "Mister Minute"?