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"Mache mir immer noch Hoffnungen": Dominik Eberle im Interview

Aktueller ELF-Kicker glaubt noch an eine neue Chance in der NFL

"Mache mir immer noch Hoffnungen": Dominik Eberle im Interview

Der deutsche NFL-Kicker Dominik Eberle hat seinen Traum von der NFL noch nicht aufgegeben. Zuletzt war er im Einsatz für die Seattle Sea Dragons in der XFL.

Der deutsche NFL-Kicker Dominik Eberle hat seinen Traum von der NFL noch nicht aufgegeben. Zuletzt war er im Einsatz für die Seattle Sea Dragons in der XFL. Icon Sportswire via Getty Images

Dass die NFL in Deutschland in den letzten Jahren stetig am Wachsen ist, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Einer, der die Entwicklung hautnah miterlebt hat und der gewissermaßen sogar Teil dessen, ist Dominik Eberle. Als Kicker hat es der 27-Jährige aus Deutschland bis in die NFL geschafft. Im deutschen Hauptquartier der NFL, im Dreischeibenhaus in Düsseldorf, hat er sich im Zuge des NFL Drafts 2024 die Zeit genommen, um mit dem kicker unter anderem über seine Laufbahn in den USA sowie seine Zukunftsplanungen auf und neben dem Platz zu sprechen.

Sie haben in Ihrer Jugend Fußball gespielt, haben es dann aber als Kicker in die NFL geschafft. Deshalb die erste Frage: Wenn Sie es sich aussuchen könnten, würden Sie lieber das WM-Finale mit einem Siegtor entscheiden oder den Super Bowl mit dem entscheidenden Field Goal?

Ich glaube, den Super Bowl mit einem Field Goal. Weil am Ende gefühlt alles nur auf dich ankommt und du den Siegtreffer machen kannst. Aber wenn das Spiel 2:1 ausgeht oder 3:0, was auch immer - ein Siegtor ist ganz anders als ein Field Goal mit noch null Sekunden auf der Uhr, das Ding geht durch die Stangen und alle feiern dich.

Zu Ihrem generellen Background: Sie sind in Deutschland geboren, dann mit 14 nach Kalifornien in die USA gezogen. Erzählen Sie uns doch mal, wie Sie dort überhaupt zum Football gefunden haben.

Ich bin mit 14 von Großhaslach aus der Nähe von Nürnberg in die USA gezogen. Da habe ich immer noch Fußball gespielt eigentlich. Dann hat einer meiner Kollegen mal gesehen, wie ich einen Freistoß einfach weit, weit über das Tor gesetzt habe, nicht mal annähernd nah. Und er hat zu mir gesagt: 'Hey, willst du mit Football vielleicht anfangen?' Das war eben ein Sport, den ich auch schon im TV angeschaut habe, also damals vor allem die Baltimore Ravens, die mit Ed Reed richtig gut waren. Da dachte ich mir: 'Ja, vielleicht kann ich mal Football spielen anfangen.'

Und dann sind Sie am Football hängen geblieben?

Es hat Spaß gemacht und dann habe ich es geliebt. Ich war dann direkt im Locker Room, wo dir die neuen Freunde und Kollegen direkt bekannt werden. Es ist einfach einzigartig, weil jeder aus einer anderen Ecke des Landes kommt und einen anderen Lebenslauf hat, wodurch man auch einfach verbunden ist. Und ich habe das einfach feiern können und hab dann habe ich nach dem ersten Jahr in der Freshman-Saison, wo ich nicht nur Kicker war, gemerkt, dass mir das einfach viel mehr Spaß macht, vor allem im Vergleich zu Fußball in Amerika.

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Wie haben Sie Ihre Zeit in der High School damals erlebt? Der High-School-Football sprengt ja einige Grenzen des Vorstellbaren - zumindest hier in Deutschland.

Die war top. Man merkt schon, dass Football, gemeinsam mit Basketball, die Hauptsportart dort ist, wo die Arenen ähnlich voll sind. Ich war bei einer relativ kleinen High School, wenn man das am Stadion misst. Und dort waren trotzdem rund dreieinhalbtausend Zuschauer pro Spiel an einem Freitag. In Texas zum Beispiel gibt es Stadien, die gefüllt werden mit 30.000 oder 40.000 Zuschauern jeden Freitag für High-School-Spiele. Das ist so, als wenn man jetzt die U 16 anschaut und man sieht dort 30.000 Leute, die dich dann anfeuern. Der High-School-Football ist einfach so begeisternd, weil es für sehr viele ist das auch das letzte Mal ist, dass sie Football spielen können, weil nicht jeder es ins College schafft. Und deswegen machen sie es so groß und die Leute sagen: 'Hey, wir kommen dann hier als Community vorher zusammen und feuern das High-School-Team an.' Und das ist dann auch noch mal von der Atmosphäre her ein bisschen ein Einblick, wie es dann im College weitergeht.

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College ist ein gutes Stichwort. Bei Ihnen ging es ja dann weiter Richtung Utah State. Dort hatten Sie eine sehr erfolgreiche Zeit, haben auch mehrere Schulrekorde gebrochen. Ab wann stand für Sie fest, dass Sie es in die NFL schaffen können?

Also ich habe nie daran gezweifelt. Ich habe das auch schon in der High School gesagt und zum Beispiel mein Englischlehrer ist - in meinem Senior-Year, meinem letzten Jahr an der High School - rumgegangen und hat gefragt, was wir mal beruflich machen wollen. Und ich habe NFL-Spieler gesagt. Und er war wirklich einer der Einzigen, der mich angeschaut hat und gesagt hat: 'Weißt du was, ich sage dann nichts dagegen.' Er konnte sich erinnern, wie vor 15 Jahren ein anderer Schüler genau dort in seiner Klasse gesessen hat und ebenfalls gesagt hat, dass er Footballspieler werden will und der hat es dann tatsächlich geschafft.

Das hat Sie in Ihrem Glauben sicherlich ermutigt.

Also habe ich nie daran gezweifelt. Der Weg war ja auch nicht einfach. Ich musste ja dann als Walk-on ans College. Das heißt, ich musste selber für die Schule bezahlen für das erste Jahr. Und dann musste ich mich auch durchsetzen, um überhaupt Starter zu werden. Und seitdem ich der Starter dort war, habe ich einfach jeden Tag einzeln angenommen, daran gearbeitet, dass ich immer vorbereitet bin und alles andere kam danach. Also ich habe dann immer schon gewusst: 'Hey, die Chance - solange ich alles richtig tue von meiner Seite - die kommt irgendwie und irgendwann mal.'

Dominik Eberle

Dominik Eberle (#62) im Trikot seines Colleges Utah State. IMAGO/USA TODAY Network

Die Chance kam bei Ihnen dann erst mal über die Practice Squads. Da das nicht jedem ein Begriff ist: Können Sie den Lesern noch einmal einfach erklären, wie das aussieht, was dieser Prozess ist und was da Ihre Aufgabe ist?

Practice Squad hat für mich diese Fehlauffassung momentan, dass viele denken, dass du nicht ein Teil des Teams bist, obwohl du eigentlich genauso wichtig bist wie sehr viele Spieler im aktiven Roster. Weil sich das alles verändern kann. Ein Anruf und du spielst am Sonntag. Das heißt, du musst dich gleich verhalten, dich gleich vorbereiten, alles gleich machen wie ein Spieler, der sich schon gezeigt hat, der aktiv spielen kann. Und manchmal ist das dann die Ersatzbank. Das heißt, jemand kann sich verletzen, man kann erkranken und du musst reingehen und spielen. Und die Aufgabe als Spieler auf dem Practice Squad ist es dann, einfach besser vorbereitet zu sein als manch anderer.

Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Brock Purdy vor der Saison, in der er zum Starter wurde. Er ging rein, er war der dritte Quarterback. Die haben meinen Kollegen, Kurt Benkert, auch verpflichtet. Er war also realistisch gesehen der vierte Quarterback. Aber er war so vorbereitet, dass, wenn er jetzt zum Beispiel in dieses Spiel reingekommen ist, nachdem sich Trey Lance und Jimmy Garoppolo verletzt hatten, er gezeigt hat: 'Ich kann hier spielen, ich weiß all die Spielzüge.' Und dadurch hat er sich dann auch beweisen können. Und das zeigt dann einfach das Niveau, das jeder individuelle NFL-Spieler auch hat.

Bei Ihnen war das ganz ähnlich: Nach einer Corona-Erkrankung von Texans-Kicker Ka'imi Fairbairn standen Sie plötzlich im Rampenlicht. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten offiziellen Kick in der NFL?

Ja! 51 Yards von von der linken Hash-Marke. Ich kann mich erinnern, dass wir diesen Kick auch schon zweimal im Training geübt hatten. Und das war einfach so eine Sache, wo in deinem Kopf Ruhe herrscht: Du hast es so oft schon getan, ob es alleine war, ob man es trainiert hat ohne Team oder sogar im Training. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, dass ich, direkt nachdem der Ball meinen Fuß verlassen hat, gewusst habe: 'Okay, der ist drin.' Und das ist einfach so der erste Moment, wo man durchatmen kann und sagt: 'Hey, ich bin angekommen in der NFL.'

Der Druck, unter dem ein Kicker steht, ist für einen Nicht-Profi-Sportler ja eher schwer nachzuvollziehen. Kann man das irgendwie mit etwas vergleichen?

Ich sehe es nicht mehr als Druck. Ich sehe das einfach als meine Aufgabe, dass ich das tun kann, um dem Team zu helfen. Druck ist zum Beispiel im richtigen Leben jemand, der bei der Feuerwehr arbeitet und jemanden retten muss oder im Krankenhaus, wo jemand um sein Leben kämpft. Das ist Druck, da die richtigen Sachen zu tun. Als Athlet finde ich eher, dass wir eine Aufgabe im Teambereich haben, wofür wir ja auch bezahlt werden, dass wir diese Aufgabe tun. Aber Druck ist das wirklich nicht.

Dominik Eberle

Dominik Eberle (#16) in seinem ersten Spiel als NFL-Kicker im Spiel der Houston Texans gegen die Los Angeles Chargers. IMAGO/USA TODAY Network

Ihr Weg führte in der NFL über weitere Practice Squads und einen Einsatz für die Detroit Lions in die ELF. Bei den Berlin Thunder haben Sie erst kürzlich unterschrieben. Ist das Kapitel NFL für Sie damit durch?

Na ja, ich mache mir immer noch Hoffnungen. Ich weiß, dass als Kicker alles ziemlich Schwarz und Weiß ist. Solange meine Kicks reingehen, ist es dann immer ein Beweis an andere Leute, dass ich noch fit bin. Ich bin 27 Jahre jung, ich bin weiterhin athletisch noch topfit. Mein Weg in der NFL ist nicht gerade linear verlaufen. Dann wurde mir auch wieder mein Team weggeschnappt in der XFL. Und das heißt dann, dass ich tun werde, was ich tun kann, um weiter zu kicken.

Aber es gibt andere Beispiele wie ein Graham Gano damals: Seine Geschichte ist sehr ähnlich zu meiner, ich habe tatsächlich auch ein paar Mal schon mit ihm gesprochen. Auch er war eine kurze Zeit in der NFL, war dann wieder raus, ging nach Schottland, hat dort sechs Spiele in der schottischen Liga absolviert und wurde dann wieder angerufen von den Carolina Panthers. Dort war er dann für viele Jahre und jetzt ist er immer noch bei den New York Giants. Nur weil man in Europa spielt, heißt es überhaupt nicht, dass man die Träume schon begraben muss.

Sie sind jetzt noch aktiver Footballspieler, aber das wird ja nicht für immer so sein. Sie sind inzwischen auch in den USA sehr verwurzelt, unter anderem ist Ihre Freundin US-Amerikanerin. Wie stellen Sie sich Ihr Zukunft vor? Sehen Sie die langfristig eher in den USA oder können Sie sich auch vorstellen, hier in Deutschland zu bleiben?

Ich kann beides sehen. Meine Freundin hat immer noch einen sehr langen Abschluss vor sich, sie studiert Medizin. Ich kann hier die Karriere nach der Karriere, wann auch immer das ist, schon mal ein bisschen aufbauen. Das Wichtigste ist für mich aber, die Jugend hier mit dem Football weiterhin zu begeistern und dort auch auszuhelfen. Zum Beispiel einer von meinen Kollegen hat mit seinen Brüdern jetzt eine irische Kicking-Schule gestartet. Er hat es zum Beispiel geschafft, dass jetzt Charlie Smyth durch dieses Programm auch eine Chance in der NFL (bei den New Orleans Saints, Anm. d. Red.) bekommen hat.

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Könnten Sie sich auch vorstellen, in die Fußstapfen von Björn Werner, Sebastian Vollmer oder Markus Kuhn zu treten und in die Medienlandschaft zu gehen?

Ja, natürlich. Ich habe davon schon immer geträumt: Als Kind, als ich damals FIFA gespielt habe, habe ich den Ton ausgeschaltet und selber kommentiert. Das macht einfach Spaß. Ich denke, als Experte dort zu sein und auch weiterhin das Wissen zu verbreiten, kann ich sehr gut. Ich bin jemand, der im College zum Beispiel auch bei der Offensive sehr viel ausgeholfen hat. Es war zum Beispiel im College nicht erlaubt, dass die Coaches im Sommer auf dem Feld sind. Aber irgendwie muss man eine Offensive weiter trainieren mit den Receivern und so. Und da war bei uns Kickern die Aufgabe, die Handzeichen kennenzulernen, die Spielzüge kennenzulernen. Uns wurde ein gedrucktes Blatt Papier gegeben, um uns zu sagen: 'Hey, macht diesen Spielzug, macht diesen Spielzug', und dann lernt man auch viel schneller. Und ich habe einfach die Begeisterung dafür und denke schon, dass sich diese Expertenseite auch ein bisschen weiterentwickelt.

Apropos Expertise: Wir wollten Sie auch noch mal zu Ihrer Meinung zur neuen Kick-Off-Regel in der NFL befragen, mit der Sie ja bereits Erfahrungen in der XFL gemacht haben. Was sagen Sie als Kicker zu den neuen Regeln?

Ich finde, dass sie den Job des Kickers ein wenig leichter macht. Ich glaube, auch langfristig werden wir sehen, dass sich die Kicking-Percentages verbessern werden, weil es ein relativ einfacher Kick ist. Man muss nicht volle Power anwenden, sondern kann den Ball innerhalb der 20-Yard-Linie bis außerhalb der Endzone irgendwo hin kicken, solange er nach links oder rechts geht. Das nimmt einfach ein bisschen Stress weg von dem alten Kick, wo man den Ball perfekt treffen musste, damit das ein Touchback ist. Es wird viel mehr explosive Spielzüge geben, bei denen der Aufbau des Returns für den Erfolg entscheidend ist. Wenn du den Ball nach rechts kickst, kann der Gegner auf der linken Seite des Feldes höchstwahrscheinlich nicht involviert sein.

Das bedeutet konkret was?

Wenn du einen Spieler weniger hast, um den du dich kümmern musst, kannst du irgendwo anders was tun. Und für die Returns finde ich das sehr gut, weil es fördert die Offensive, du kriegst eine bessere Startposition und das Scoring wird dadurch auch wieder höher. Als Kicker muss man jetzt ein bisschen Katz und Maus spielen. Und das haben wir in der XFL auch gemacht: In den ersten vier Wochen wurde mir gesagt, dass ich nach links oder rechts kicken soll. Danach habe ich aber gesagt, dass ich mir anschaue, wo der Returner denkt, dass ich den Ball hin kicke und gehe dann in die andere Richtung. Oder er schaut mich die ganze Zeit ab, ich kann dann antäuschen, als ob ich nach rechts gehe, schicke ihn dann aber nach links. Und er muss so weit wie möglich rennen, den Ball fangen und dann kannst du ihn innerhalb der 20-Yard-Linie tackeln.

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