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Kracht darf bleiben: Risse bei Lok Leipzig scheinen tiefer

Neuer Aufsichtsrat soll über Präsidenten entscheiden

Kracht darf bleiben: Risse bei Lok Leipzig scheinen dennoch tiefer geworden

"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben": Torsten Kracht droht weiterhin das Aus als Präsident des 1. FC Lok Leipzig.

"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben": Torsten Kracht droht weiterhin das Aus als Präsident des 1. FC Lok Leipzig. IMAGO/Picture Point

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Die ordentliche Mitgliederversammlung des 1. FC Lokomotive Leipzig ist Geschichte. Am Samstag versammelten sich rund 400 Mitglieder, Mitarbeiter und Sponsoren im Audimax der Universität Leipzig - Medien sowie Gäste waren nach vorheriger Abstimmung nicht erwünscht. Das große Beben blieb aus, der interne Putschversuch gegen den Präsidenten Torsten Kracht sei trotz dessen Punktsieges "aufgeschoben, nicht aufgehoben". Der neu gewählte Aufsichtsrat muss sich nun der Causa annehmen und bekommt dabei einen Vertrauensvorschuss.

Im Vorfeld der auf fünf Stunden angesetzten Tagung war viel Unsicherheit und Skepsis, aber auch erstaunliche Pragmatik zu vernehmen - die Ruhe vor dem Sturm? Der umstrittene Präsident Torsten Kracht sah sich einer breiten Front aus Widersachern entgegen - gleich sieben Anträge auf Absetzung des Vereinsoberhauptes standen auf der umfassenden Tagesordnung. Diese sollten sich später in Wohlgefallen auflösen. Zudem sollten einige neue Aufsichtsratsmitglieder (aus zehn Kandidaten) berufen werden, mit dem obersten Ziel der unmittelbaren Befriedung verhärteter Fronten. Bis zuletzt war das, durch die Rücktritte der Mitglieder Mike Scheffler, Frank Balling, Steffen Rösler und des langjährigen Vorsitzenden Olaf Winkler, auf lediglich zwei Mitglieder zusammengeschrumpfte Gremium nicht mehr handlungsfähig.

An einen freiwilligen Abgang verschwendete Kracht im Vorfeld keinen Gedanken, der Mann ist mit jeder Faser seines zuletzt arg leidgeprüften Körpers (unter anderem ein Herzinfarkt Anfang Dezember 2023) ein Kämpfer - vermutlich sieht er bei seinen Grenzgängen das gesunde Mittelmaß oft nicht. So lauten zumindest die mannigfaltigen Vorwürfe bezüglich seiner internen Führungskultur, viele Mitarbeiter fühlen sich übergangen und zurückgelassen. Die Anwesenden im Foyer des Auditorium waren sich durchaus bewusst, welch Zäsur diese Zusammenkunft in der jüngeren Vereinsgeschichte darstellen könnte.

Neuer Wirbel wegen eines Interviews

Die Risse, die sich durch den Verein ziehen, sind - gerade auch infolge eines erneuten medialen Alleinganges des Präsidenten unmittelbar vor der Versammlung - sogar noch tiefer geworden. So habe Kracht mit seinem frühzeitig an Medien verschickten Interview gegen interne Absprachen verstoßen. Ursprünglich wollte man sich am Donnerstagabend noch einmal im Rahmen der Mediation zusammensetzen und mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Es sei - laut einiger hochrangiger Mitarbeiter im Verein - ein "Weiter so" undenkbar, man könne "keinen Tag länger" mit dem Präsidenten Torsten Kracht zusammenarbeiten. Die Defizite an Kommunikation und Vertrauen sind offensichtlich und drohen, den Verein noch lange Zeit zu beschäftigen.

Nach beinahe fünf Stunden in hermetischer Abgeschiedenheit entstiegen die Mitglieder der Schlangengrube. Laut Ex-Präsident Thomas Löwe verlief die Tagung "so ruhig und sachlich wie schon lange nicht mehr". Zum ominösen Tagesordnungspunkt 14 sollte es gar nicht erst kommen. Sämtliche Antragssteller, die eine Abberufung von Kracht gefordert hatten, zogen ihre Anträge zurück. Bereits während der kurzen Mittagspause ahnte Löwe diese Entwicklung.

Frist bis Ende Februar bleibt

Formaljuristisch waren die Anträge offenbar nicht wasserdicht, auch sah man letztlich ein, dass solcherlei Angelegenheiten nicht vor einem großen Plenum debattiert werden sollten. Man wolle vielmehr dem neu gewählten Aufsichtsrat das Vertrauen entgegenbringen, die Causa Kracht mit neuen Perspektiven im Sinne des Vereins anzugehen. Laut Vereinsquellen ist damit die Kuh keineswegs vom Eis, aufgeschoben ist ausdrücklich nicht aufgehoben. Die von den Verfassern des Brandbriefes Anfang Januar gesetzte Frist bis Ende Februar bleibt bestehen, bis dahin gibt man dem neuen Aufsichtsrat die Möglichkeit, sich der Sache unbefangen und objektiv anzunehmen. Das Binnenklima wird sich freilich nicht von heute auf morgen merklich verbessern können, zu tief die Gräben der Missgunst, zu frisch die Narben des Zweifels.

Die drei neuen Mitglieder des Aufsichtsrates (jeweils durch einfache Mehrheit bestätigt), der Unternehmer Knut Göbel, der ehemalige Soldat Daniel Zschuckelt und MDR-Mann Matthias Löffler, sind laut Geschäftsführer Alexander Voigt "alles Leute, die das nötige Know-How und Objektivität mitbringen, um im Sinne des Vereins zu handeln".

Torsten Kracht dürfte seine Position für den Moment gestärkt haben, wollte im Nachgang aber nichts von Sieg oder Niederlage wissen: "Es ist natürlich angenehm, wenn solche Anträge zurückgezogen werden und man daraufhin tosenden Beifall erlebt. Aber es geht in erster Linie um den Verein als Ganzes. Wir müssen die sportlichen Ziele weiter verfolgen und die guten wirtschaftlichen Ansätze weiterführen." Auch Kracht hofft, dass man "mit dem neu gewählten, starken Aufsichtsrat die richtigen Schritte in der Zukunft gemeinsam gehen kann. Wir müssen das Vertrauen bei Fans und Sponsoren zurückgewinnen - da ist großer Schaden entstanden".

Georg Meyer

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