WM

Hjulmand zur WM: "Weiß nicht, ob ich ein Teil hier von bin"

Bemerkenswerter Auftritt vom Dänen-Coach

Hjulmand: "Ich weiß nicht, ob ich ein Teil hiervon bin"

Was denkt er sich aus? Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand.

Was denkt er sich aus? Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand. AFP via Getty Images

Aus Katar berichtet Sebastian Wolff

Kasper Hjulmand sah nachdenklich aus auf dem Podium im Pressekonferenzraum des Education City-Stadions. Das lag am lange Zeit schwerfälligen Auftritt seiner dänischen Mannschaft beim 0:0 gegen Tunesien. Aber auch an den Themen, die den 50-jährigen Coach außerhalb des Fußballplatzes beschäftigen.

Simon Kjaer hatte als Kapitän nach den angedrohten Sanktionen durch die FIFA erwartungsgemäß auf die "One Love"-Binde verzichtet und in der Mixed Zone anschließend um Verständnis geworben: "Wollt ihr, dass ich mit einer Gelben Karte aufs Feld gehe und nach fünf Minuten komme ich als Verteidiger vielleicht in eine doofe Situation?"

Hjulmand: Protest nicht nur von Spielern erwarten

Die Rückendeckung seines Trainers hat er. Hjulmand wagte am Dienstagabend weit mehr als standardisierte Aussagen zu den Statuten des Weltverbandes. Am meisten ärgert ihn, "dass es auf den Schultern der Spieler ausgetragen wird. Das darf nicht passieren." Dann hielt er ein flammendes Plädoyer: "Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, was die Jungs für einen Fokus benötigen, um in ein WM-Match zu gehen. Es ist unglaublich schwierig, Stunde um Stunde darüber nachzudenken, wie man andere Maßnahmen ergreifen könnte."

Dass andere Maßnahmen und Zeichen fällig sind, betont Hjulmand ausdrücklich, nur sie sollten nicht allein von den Spielern erwartet werden. "Ich denke", sagt er, "dass etwas passieren muss, vielleicht von uns, die wir involviert sind. Für Diversität aufzustehen, kann und darf kein politisches Statement sein."

Die Mannschaft des Iran als Vorbild

Es sind bemerkenswerte, offene Worte des früheren Mainzers, der offenbar in Erwägung zieht, dass er oder sein Verband noch eine Möglichkeit finden, ein Zeichen zu setzen. "Als Mensch habe ich Schwierigkeiten, hier zu mir selbst zu finden. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, warten wir mal ab. Die Spieler des Iran, die aus Protest gegen das Regime ihre Hymne nicht mitgesungen haben, haben mich sehr bewegt, und bei uns in Dänemark gibt es einen Slogan: Sei Teil von etwas Größerem. Ich weiß derzeit nicht, ob ich hier ein Teil von bin. Ich liebe Diversität, ich liebe andere Menschen. Es ist wichtig, die Richtung zu ändern. Ich hoffe, es werden junge Menschen in verantwortungsvolle Ämter gelassen."

Geradezu untergegangen ist bei Hjulmands bewegenden Worten, dass er auch sportliche Probleme zu lösen hat. Mittelfeldspieler Thomas Delaney schied mit einer Knieverletzung aus und wird am Mittwoch untersucht. Die Umstellung auf eine Dreierkette zählt er ausdrücklich nicht zu den Problemen: "Es war keine Frage des Systems, sondern wir haben zu langsam gespielt, damit sind wir nicht zufrieden." Dass die sportpolitischen Themen Einfluss genommen haben könnten, weist er indes weit von sich: "So schwierig ich diese Situation auch finde, es ist keine Ausrede."

Sebastian Wolff