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Folgt bei Optik Rathenow der Abstieg dem Abstieg?

Oberliga NOFV-Süd

Folgt bei Optik Rathenow der Abstieg dem Abstieg?

"Mister Optik Rathenow": Seit 1989 ist Ingo Kahlisch als Trainer bei den Brandenburgern im Amt und denkt noch lange nicht an Abschied.

"Mister Optik Rathenow": Seit 1989 ist Ingo Kahlisch als Trainer bei den Brandenburgern im Amt und denkt noch lange nicht an Abschied. IMAGO/Picture Point

Es gibt Trainer, die allen Mechanismen des Fußballgeschäfts trotzen. Guy Roux (84), der immerhin 44 Jahre lang den französischen Verein AJ Auxerre trainierte, ist vermutlich das prominenteste Beispiel. Aber auch Ingo Kahlisch gehört in diese Kategorie. Seit fast 34 Jahren sitzt der gebürtige Potsdamer schon bei Optik Rathenow auf der Bank.

Als er beim Klub aus Brandenburg 1989 das Traineramt übernahm, stand die Mauer noch. Seitdem hat der 66-Jährige Hunderte Spieler auf dem Sportplatz Vogelsang kommen und gehen sehen - sowie zahlreiche Auf- und Abstiege mit dem Verein erlebt. Nach dem Mauerfall war Optik für einige Jahre in der damals drittklassigen Regionalliga Ost, unterwegs. Später entwickelten sich die Havelländer zur Fahrstuhlmannschaft zwischen der 4. und 5. Liga. Zweimal qualifizierte sich Rathenow für die 1. Runde des DFB-Pokals, 2018 gelang noch einmal der Aufstieg in die Regionalliga Nordost. Dort schaffte Optik dreimal in Folge den Klassenerhalt, bevor im vergangenen Sommer der Gang in die Oberliga Nord des Nordostdeutschen Fußballverbandes angetreten werden musste.

Sportlicher Krise nach Aderlass

Seitdem steckt der Verein sportlich in der Krise. Nach dem 25. Spieltag steht Optik auf dem 13. Tabellenplatz, hat auf die Abstiegszone lediglich einen Zähler Vorsprung. Der Absturz in die Brandenburgliga ist möglich. Was sind die Gründe für den Misserfolg? "Nach dem Abstieg im Sommer 2022 haben uns 17 Spieler verlassen. Das hat uns natürlich sehr hart getroffen", sagt Kahlisch im Gespräch mit dem kicker. "Ende Juli stand ich mit acht Feldspielern auf dem Trainingsplatz. Da wusste ich, wie schwer es wird. Wir sind ja immer noch komplett im Neuaufbau." Seine junge Mannschaft habe anfangs Probleme gehabt, mit den etablierten Oberligateams mitzuhalten. "Mittlerweile haben sich viele Jungs aber ordentlich gemacht", betont der Trainer.

Früher konnten die Spieler allein reden und haben sich ihre 300 Euro selbst ausgehandelt.

Ingo Kahlisch

Bei Optik gibt es keine Fußballer, die allein vom Sport leben. Das war bereits zu Regionalligazeiten so. "Leistungsorientierten Amateurfußball" nennt Kahlisch das. Die finanziellen Möglichkeiten des Vereins sind begrenzt, große Sprünge kaum möglich. Stolz ist der Trainer darauf, dass Optik finanziell auf gesunden Füßen steht und schuldenfrei ist. Das sei längst nicht überall der Fall. "Ich möchte nicht so viel über andere Vereine sprechen, aber die Entwicklung im Amateurfußball ist mittlerweile krank geworden. Teilweise wird ja sogar in der Kreisliga schon Geld gezahlt", so Kahlisch. Auch in Rathenow habe der Großteil der Mannschaft mittlerweile einen eigenen Berater. "Früher konnten die Spieler allein reden und haben sich ihre 300 Euro selbst ausgehandelt", sagt der Coach.

Doch trotz der negativen Begleiterscheinungen des Fußballgeschäfts hat Kahlisch nach wie vor Spaß an seiner Arbeit. "Natürlich muss man irgendwann gucken, wie lange es noch weitergeht. Mein Kapitän Jerome Leroy ist mittlerweile auch Co-Trainer, damit die Weichen für die Zukunft gestellt sind. Aber im Moment möchte ich darüber noch nicht nachdenken", sagt er. Sein Hauptfokus liegt darauf, mit seiner Mannschaft in der 5. Liga zu bleiben. Nach der Winterpause startete Optik mit einem 2:0 beim SC Staaken ins neue Jahr, danach gab es zu Hause gegen den Tabellennachbarn Tasmania Berlin eine unglückliche 0:1-Niederlage. Es folgten im Anschluss noch drei Punkte aus zwei Partien. Kahlisch betont: "Der Klassenerhalt kann nur über eine geschlossene Mannschaftsleistung und über eine ordentliche taktische Ausrichtung gelingen. Wir müssen unsere Chancen einfach klarer nutzen." Allerdings sei das auch eine Frage der Erfahrung, "und wir haben viele Spieler im Kader, die Jahrgang 2002 oder 2004 sind. Wo soll denn die Erfahrung herkommen?", so der Optik-Trainer.

Leistungsorientierter Amateurfußball

Was ein Abstieg in die 6. Liga für den Verein bedeuten würde, damit will sich Kahlisch aktuell noch nicht befassen. "Wir haben derzeit noch alle sportlichen Möglichkeiten, und die wollen wir nutzen", sagt er. Aufgrund der vielen ausgefallenen Matches in der aktuellen Serie hat Rathenow erst 21 Saisonspiele absolviert und damit die wenigsten Partien aller 18 Nord-Oberligisten.

Zweigleisig planen die Brandenburger derzeit nicht, laut dem 66-Jährigen sei das als Amateurverein ohnehin nicht nötig. Der Coach weiß aber auch: "Wir müssen uns jetzt straffen, motivieren und zusammenhalten, damit es in der Provinz auch weiterhin leistungsorientierten Amateurfußball gibt."

Den nächsten Schritt in diese Richtung können die Rathenower am Samstag machen, wenn Aufsteiger Dynamo Schwerin der nächste Gegner ist. Auch dann wird Kahlisch wieder auf der Optik-Bank Platz nehmen.

Yannic Lacombe

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