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Der neue VfR Heilbronn will bis 2031 zurück in die Regionalliga

Großstädte ohne Profifußball: Heilbronn

Der neue VfR Heilbronn: Bis 2031 zurück in die Regionalliga - "ohne Wenn und Aber!"

So feierten sie ihren ersten Aufstieg 2019. Im Jahr darauf gelang dem VfR Heilbronn der Ligensprung aufgrund der Quotientenregel.

So feierten sie ihren ersten Aufstieg 2019. Im Jahr darauf gelang dem VfR Heilbronn der Ligensprung aufgrund der Quotientenregel. Adografie

Es ist ja nicht so, dass sie in Heilbronn am Neckar die Höherklassigkeit nicht kennen: Der VfR, 1896 im Lokal "Zur Hopfenblüte" gegründet, sammelte bis in die 70er-Jahre hinein acht Zweitliga-Spielzeiten, stand einmal sogar im DFB-Pokal-Achtelfinale. Inzwischen ist die Lage aber eine andere: Zwar hat man in der Nachbarschaft mit dem VfB Stuttgart ordentlich Tradition und mit der TSG Hoffenheim einen zweiten Bundesligisten, selbst hat das 127.000 Einwohner zählende Heilbronn als eine von nur zwei Großstädten des Landes (neben Recklinghausen) im Jahr 2021 nur Teams in Ligenstufe 8 aufzubieten.

Onur Celik war dabei, als das noch anders war: 1996 gewann er mit der A-Jugend des VfR den DFB-Pokal, zu einer Zeit, in der die 1. Mannschaft in der fünftklassigen Verbandsliga spielte. Inzwischen ist er Vorstand des VfR 96/18. "Nach unserem Verständnis sind wir der legitime Nachfolger des VfR Heilbronn 1896", sagt er. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht, wie man erfährt, wenn man sich ein wenig mit der jüngeren Fußballgeschichte der Stadt befasst.

Wie so oft stand vor dem Durcheinander eine Insolvenz. Den VfR Heilbronn erwischte es 2002, man hatte sich mal wieder übernommen, diesmal aber gab es keinen Ausweg aus der Misere. Wenig später war der Verein Geschichte: Nach einer ersten Fusion mit der Heilbronner SpVgg folgte nur wenig später eine weitere mit dem Erzfeind von der anderen Neckarseite, dem FV Union Böckingen. FC Union Heilbronn lautete nun der Name des doppelt verschmolzenen Vereins: Habe der Klub schon nach der ersten für ehemalige VfR'ler kein Identifikationspotenzial mehr geboten, "führte die Fusion zum FC Union dann zum völligen Bruch", wie es Vorstand Marcus Itzerott beschreibt. Auch für die Stadt lief es nicht wie gewünscht: Grabenkämpfe, Schulden, verbrannte Erde - aus dem FC Union konnte sich das erhoffte Schwergewicht nicht entwickeln.

Heilbronner Frankenstadion - "der Inbegriff von Identität"

Doch es dauerte bis ins Jahr 2018, bis Onur Celik auf den Plan trat, die Planungen für einen "neuen" VfR vorantrieb. "Der FC Union ist aus unserer Sicht - und aus der der meisten Heilbronner - der FV Union 08 Böckingen. Tradition muss man leben - die Tradition des VfR Heilbronn 1896 leben ausschließlich wir", so die selbstbewusste Haltung.

Am Anfang erntete man noch Gelächter für die Pläne zur Reinkarnation, doch schon zur Gründungsversammlung 2018 kamen 100 Mitglieder - weil es die Hopfenblüte nicht mehr gab, eben in den Keller der Pizzeria Da Toni. Nachdem man von der Stadt überraschend das Frankenstadion, also die ehemalige Heimat des alten VfR, als Spielstätte zugesprochen bekam ("ein absolut wichtiger Baustein, der Inbegriff von Identität", so Celik), sich mehr und mehr Ehemalige solidarisch zeigten und man sportlich mit zwei Meisterschaften in Folge bis in die Bezirksliga Unterland durchmarschierte, verstummte der Spott. Aktuell ist der VfR das erfolgreichste Team der Stadt, das Verhältnis zur Konkurrenz sei dennoch positiv - auch wenn der "Emporkömmling" freilich auch mal anecke.

Tradition muss man leben - die Tradition des VfR Heilbronn 1896 leben ausschließlich wir.

VfR-Vorstand Marcus Itzerott

Doch wie, mit welchem Spielermaterial konnte so ein Raketenstart gelingen? Als klar war, dass man das Frankenstadion bekommen sollte, wollte man gleich in der Liga loslegen, wie sich Celik erinnert. Zehn Tage hatte man Zeit, hinter dem Stadion wurde gecastet, "wir haben 90 Prozent genommen", so Celik. Inzwischen hat man im Umkreis längst mitbekommen, dass beim VfR etwas Besonderes entsteht.

Die Tribünen im Frankenstadion

Die Tribünen im Frankenstadion sind bei Heimspielen gut gefüllt. Adografie

Und auch den Zuspruch der Einheimischen haben sie sich erarbeitet: In der vergangenen Spielzeit kamen auch mal über 1000 Besucher zu einem Spiel - deutschlandweiter Rekord für die neunte Liga. Der Schnitt lag zuletzt bei 500. "Durch die Grabenkämpfe der letzten Jahre hat man hier lange nicht mehr daran geglaubt. Aber die Leute sehnen sich schon nach etwas Eigenem", sagt Celik und meint: Etwas Eigenes in höheren Gefilden. Wie es sich für eine Großstadt gehört.

Doch natürlich bräuchte es dafür auch finanzkräftigen Sponsorenzuspruch: "Die Wirtschaft hier hat enormes Potenzial, sie könnte höherklassigen Fußball tragen", findet Celik, "aber es geht dabei um Vertrauen. Wir haben davor unsere Hausaufgaben zu erledigen." Über 20 Sponsoren hat man derzeit im Pool - aber keinen großen Geldgeber. "Auf dieses Boot dürfen wir auch auf keinen Fall aufspringen", weiß der Vorstand um die Fallstricke einer solchen Abhängigkeit. Und auch, dass das Thema Nachwuchs mehr und mehr an Bedeutung gewinnen wird: Bis auf die B-Jugend sind aktuell schon alle Jahrgänge besetzt, zudem ist man Kooperationspartner des VfB Stuttgart. "Spätestens in sechs Jahren wollen wir in unseren Herrenmannschaften ein 70/30-Verhältnis aus eigenen Jugendspielern und extern verpflichteten Korsettstangen", sagt er.

Ein Zeitplan für die Regionalliga

Man hat viel erreicht - doch noch viel mehr vor. Zur Zwangspause steht man in der Bezirksliga auf dem zweiten Tabellenplatz, ist damit im Zeitplan, denn ja, es gibt eine recht genaue Vorstellung davon, wo man mit dem VfR hinmöchte - und welche Zwischenetappen dafür zu nehmen sind: 2024 soll es die Verbandsliga (sechste) sein, ab 2026 die Oberliga (fünfte). Und dann? "Unser Ziel ist es ohne Wenn und Aber, dem VfR Heilbronn bis spätestens 2031 im Profi-Bereich eine Zukunft zu geben. Wir sehen den neuen VfR als letzte Chance an, in Heilbronn etwas zu bewegen", so Itzerott. Liga vier ist also das Ziel, "wenn es das ein oder andere Jahr länger dauert, haben wir auch kein Problem damit."

Angst vor der eigenen Courage, dem vorgelegten Tempo, haben sie nicht: "Wir sind uns klar in unseren Vorstellungen, kennen die Szenarien, wie es zu Unruhe kommen kann. Wenn sportliche Ziele nicht erreicht werden, werden wir die Zeit nutzen, in Infrastruktur und Köpfe zu investieren. All das muss ja auf sicheren Beinen stehen", sagt Celik. Und außerdem, merkt er zum Abschied noch an, hätte man ein gutes Vorbild, wie man es in manchen Bereichen eben nicht machen sollte: Den "alten" VfR.

Jan Mauer

Deutschlands Großstädte ohne Profifußball