3. Liga

Der große Bluff

Kivrans Nicht-Rückzug bei Türkgücü

Der große Bluff

"Nicht der Verwalter, sondern der Entwickler dieses Vereins": Hasan Kivran, Präsident von Türkgücü München, bleibt an Bord.

"Nicht der Verwalter, sondern der Entwickler dieses Vereins": Hasan Kivran, Präsident von Türkgücü München, bleibt an Bord. imago images

"Die Vereinsführung, die große Unterstützung der Fans sowie infrastrukturelle Fortschritte haben mich meine Entscheidung noch einmal überdenken lassen", wird Kivran, der als Präsident des e.V. und Hauptanteilseigner an der Fußball-GmbH die von ihm erwähnte Vereinsführung darstellen dürfte, in einer Mitteilung des Klubs zitiert. Bei Sport1 legte der Unternehmer nach und verwies eine angebliche Verschuldung des Vereins ins Reich der Fabeln: "Es gibt ein negatives Ergebnis aus dem vergangenen Geschäftsjahr - da war der Aufstieg in die 3. Liga - dieses beträgt 1,9 Millionen Euro. In der laufenden Saison sind es bisher zwei Millionen Euro. Diese negativen Ergebnisse sind gedeckt durch gezeichnetes Eigenkapital beziehungsweise Einlagen in die Kapitalrücklage. Zwischenzeitlich verfügt die GmbH über 2,2 Millionen Euro Eigenkapital. Schade, dass manche den Unterschied zwischen Verlust und Schulden nicht zu kennen scheinen."

Erstaunlich. Denn rund um den vermeintlichen Rückzug des Investors soll Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny intern gegenüber Spielern kommuniziert haben, dass er im Fall eines weiteren gescheiterten Interessentengesprächs am 28. Dezember betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen könne. Noch kürzlich soll den Profis aus dem XXL-Kader mit Ausnahme der Topspieler Sercan Sararer (15 Scorerpunkte) und Petar Sliskovic (11 Tore) ein Wechsel nahegelegt worden sein - mit Erfolg: Marco Holz, Marco Raimondo-Metzger und Thomas Haas lösten in jeweils beiderseitigem Einvernehmen ihre Verträge auf, Tom Boere ging zu Ligakonkurrent SV Meppen. Das dürfte den für die zweite Saisonhälfte angenommenen weiteren Verlust von 2,1 Millionen Euro zumindest ein wenig reduzieren. Doch es bleibt natürlich die Frage, ob die höchst öffentlich ausgetragenen Rücktrittsgedanken unter anderem bezwecken sollten, Spieler von der Gehaltsliste zu bekommen?

Zumindest erweckt der Ablauf genau diesen Eindruck. Kurz vor Weihnachten tauchten erstmals Meldungen eines geplanten Rückzugs Kivrans oder eines Teilverkaufs seiner Anteile (89 Prozent an der Fußball-GmbH) auf. Wenig später bestätigte ein Klubsprecher diese Gedanken. Zudem folgte die interne Kommunikation von Geschäftsführer Kothny, die einen 4,1-Millionen-Verlust für die laufende Saison skizzierte und eben betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschloss. Nun also die Kehrtwende, wobei laut Kivran noch eine nicht näher definierte Liquiditätslücke bis 21. Januar geschlossen werden muss und wird. Und auch in einer weiteren Thematik scheint der Emporkömmling, der sich seit dem Einstieg des Investors 2016 von der 6. in die 3. Liga katapultiert hat, nicht zuletzt dank der Rückzugsandrohung, Fortschritte gemacht zu haben: Laut dem Unternehmer "scheint es eine ernst zu nehmende Bereitschaft von der Stadt zu geben, dass wir endlich ein Gelände bekommen". Dort könnte der Klub dann ein Nachwuchsleistungszentrum etablieren. "Ohne NLZ kommst du nicht hoch, und wir wollen aufsteigen. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht der Verwalter, sondern der Entwickler dieses Vereins bin." Von Ausstieg ist bei Kivran längst keine Rede mehr ...

Benni Hofmann