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WM 2022: De Bruyne und Hazard: "Mit Ball nicht mehr wir selbst"

Dem Zündstoff-Interview folgt ein lauer Auftritt auf dem Rasen

De Bruyne und Hazard: "Mit Ball nicht mehr wir selbst"

Bei dieser WM noch nicht in Form: Belgiens Star-Spieler Kevin De Bruyne.

Bei dieser WM noch nicht in Form: Belgiens Star-Spieler Kevin De Bruyne. IMAGO/Sportimage

Aus Katar berichtet Thiemo Müller

Als "eines der besten Teams der Welt" hatte Marokkos Trainer Walid Regragui die Belgier vor dem zweiten Gruppenspiel bezeichnet. Und auch nach dem verdienten 2:0 des einstigen Außenseiters bekräftigte der 47-Jährige nochmals: "Das war kein Understatement. Es ist Fakt, wie viele große Spieler sie in der Mannschaft haben."

Weit weniger Respekt vor dem gerade besiegten Gegner offenbarte allerdings Marokkos Star Hakim Ziyech. Das 0:0 gegen Kroatien zum Auftakt sei "für uns eine viel härtere Aufgabe gewesen", erklärte der 29-Jährige, "gegen Belgien war es einfacher. Wir mussten ihnen nur den Ball geben und auf ihre Fehler warten."  

Eine außergewöhnlich undiplomatische Analyse des Angreifers vom FC Chelsea. Ermutigt fühlte sich Ziyech dabei womöglich von Kevin De Bruynes Interview mit dem englischen "Guardian", das just in den Stunden vorm Anpfiff Wellen schlug. Auf die Frage, ob Belgien in Katar den WM-Titel gewinnen könne, antworte Anführer De Bruyne: "Keine Chance, wir sind zu alt. Ich denke, unsere große Chance war 2018."

Was De Bruyne mitten im Turnier bei seinen Aussagen geritten hat, bleibt offen

Die Aussage des Offensivmanns von Manchester City ist ganz nüchtern betrachtet nur eine sachliche Bestandsaufnahme, die nach dem arg schmeichelhaften 1:0 gegen Kanada ohnehin für jedermann offensichtlich war. Dass De Bruynes Worte mitten in einem laufenden Turnier teaminternen Zündstoff bergen, liegt aber ebenso auf der Hand.

Weshalb sich die bislang unbeantwortete Frage stellt, was den "Roten Teufel" mit der Nummer 7 da eigentlich geritten hat. Sollte sein Interview als motivierende Provokation gedacht gewesen sein, wäre die Sache jedenfalls voll in die Hose gegangen. Gegen ein taktierendes Marokko verteidigten die Belgier zwar lange Zeit stabiler als gegen das zügellos drauflos stürmende Kanada. Und gerade die Veteranen Toby Alderweireld (33) und Jan Verthongen (35) im Abwehrzentrum ließen sich wenig zuschulden kommen. Doch von der einstigen spielerischen Inspiration sind beim WM-Dritten von 2018 allenfalls noch Spurenelemente auszumachen.

Es ist eine Frage des Mindsets. Vielleicht hilft es uns, dass wir nichts mehr zu verlieren haben.

Roberto Martinez

"Mit dem Ball sind wir nicht mehr wir selbst", gibt Trainer Roberto Martinez zu. "Wir haben Angst und spielen nicht mehr mit der Leidenschaft und Überzeugung, die uns sechs Jahre lang ausgezeichnet hat." Noch eklatanter als Kapitän Eden Hazard, der wenigstens kleine positive Ansätze offenbarte, agierte am Sonntag ausgerechnet De Bruyne wie ein Schatten seiner selbst.

Und, das Kernproblem: Die beiden 31-jährigen Anführer spielen im offensiven Mittelfeld nur nebeneinander her statt sich gegenseitig zu befruchten. Mag die innerbetriebliche Arbeitsatmosphäre auch nicht zu beanstanden sein, wie Martinez eilig versichert - die fußballerische Chemie auf dem Rasen ist dringend verbesserungsbedürftig.

Ob das in der Kürze der Zeit bis zum Gruppenfinale gegen Kroatien am Donnerstag gelingen kann? "Es ist eine Frage des Mindsets, nicht des Könnens", glaubt Martinez. "Vielleicht hilft es uns ja, dass wir nun nichts mehr zu verlieren haben. Wir können bei dieser WM nur noch gewinnen." Das freilich wäre eine Wende, die wohl nicht nur De Bruyne überraschen dürfte.

Thiemo Müller