Nach den nasskalten Tagen in Berlin empfing die Nationalspieler bei der Ankunft in Wien mildes Herbstwetter mit Temperaturen um 13 Grad. Die 2:3-Pleite gegen die Türkei hatte Julian Nagelsmann mit seiner Belegschaft in einer umfassenden Videoanalyse da schon längst aufgearbeitet.
"Entscheidend war, dass wir das zeitnah getan haben, um es aus den Köpfen zu bekommen", berichtete der Bundestrainer bei der Pressekonferenz im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Dort soll mit einem Sieg im Nachbarschafts-Duell mit Österreich die seit Samstag empfindlich eingetrübte Stimmung wieder aufgehellt - und intern der Glaube gefestigt werden.
"Es geht darum, dass wir überzeugt sind von dem Weg, den wir gehen und die Spiele positiv gestalten", lautete Nagelsmanns Appell an die eigenen Reihen. "Am Ende geht es uns darum, mit einem guten Gefühl rauszugehen, was natürlich geprägt wird von einem Sieg, aber auch von einer guten Spielweise." Schließlich bleibt der am Dienstag (20.45 Uhr, LIVE! bei kicker) geschaffene Eindruck während der viermonatigen Länderspielpause allzu lange hängen.
Nagelsmanns Havertz-Konter: "Ich muss mich schwer wundern"
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"Alle tun gut daran, die Öffentlichkeit aus unseren Köpfen zu streichen", sagte Nagelsmann und ließ nicht nur mit dieser Bemerkung deutlich erkennen, dass ihn das Ausmaß der medialen Kritik an seinen personellen Entscheidungen und taktischen Vorgaben beim arg defizitären Vortrag gegen die Türken befremdet.
So konterte er die Kritik an seiner waghalsig anmutenden Ausrichtung mit der Nominierung von Kai Havertz als Linksverteidiger: "Das war kein großes Experiment, der vorher gelobte pragmatische Ansatz war der gleiche wie bei der USA-Reise." Vielmehr habe man "in der identischen Grundordnung" gespielt wie gegen die USA und Mexiko. "Ich habe nur einen Artikel gelesen, aber der hat gereicht. Ich muss mich schwer wundern, dass man Kai Havertz nach diesem Spiel kritisiert", so der Bundestrainer. "Und dann wird er auch noch dafür kritisiert, dass er ein Tor geschossen hat." Wenn das normal sei, dürfe auch nicht Leverkusens Alejandro Grimaldo "Linksverteidiger spielen, der hat schon sechs".

Hat von Kai Havertz (li.) beim 2:3 gegen die Türkei eine "Weltklasse-Leistung" erkannt: Julian Nagelsmann. IMAGO/Jan Huebner
Schon am Samstagabend hatte er Havertz zur allgemeinen Verwunderung eine "Weltklasse-Leistung" bescheinigt und betont, dass er weiter an der Konstellation festhalten werde. Mit Blick aufs Österreich-Spiel wollte sich der Bundestrainer am Montag hingegen nicht mehr festlegen, er begründete dies mit dem Laufpensum des Arsenal-Profis gegen die Türken: "Kann sein, dass wir morgen da einen anderen Spieler sehen."
"Wir überlegen natürlich viel"
Das gilt auch für die Besetzung des zentralen Mittelfelds, wo Ilkay Gündogan und Joshua Kimmich gegen die Türkei einmal mehr den Beweis schuldig blieben, ideal zusammen zu passen. "Es gibt die Überlegung, etwas zu ändern. Wir werden aber nicht in einer komplett anderen Ordnung spielen, sondern Nuancen anpassen. Das kann auch personeller Natur sein", sagte der Coach und bekräftigte den eingeschlagenen Grundsatz: "Wir überlegen natürlich viel und versuchen, etwas zu ändern - ohne viel zu verändern."
Die Nagelsmann-Rangnick-Verbindung
Österreich gegen Deutschland, das ist am Dienstag auch ein Duell der Trainer-Generationen mit einer speziellen Verbindung. Es war Rangnick, der 2018 den 29 Jahre jüngeren Nagelsmann für einen Wechsel nach Leipzig gewonnen hatte. Weil der damals noch für Hoffenheim arbeitende Shootingstar der Trainerszene aber per Ausstiegsklausel erst 2019 gehen konnte, hatte der langjährige RB-Macher die Sachsen nicht nur als Sportdirektor, sondern auch als Trainer durch die Saison geführt. Und als Nagelsmann dann in Leipzig loslegte, verabschiedete sich Rangnick zunächst von RB und später auch aus dem gesamten Fußball-Imperium von Red Bull.
"Es gibt extrem viele Berührungspunkte mit ihm. Ralf ist einer, der immer Vertrauen in mich hatte und sich sehr früh mit mir ausgetauscht hat", sagte Nagelsmann über seinen einstigen Förderer und ergänzte: "Natürlich habe ich ihm viel zu verdanken."
Rangnicks Hoffnung, nach der enttäuschenden EM 2021 und dem Abschied von Joachim Löw vom DFB als Bundestrainer engagiert zu werden, erfüllte sich bekanntlich nicht. Stattdessen landete er beim Österreichischen Fußball-Bund und schaffte mit der Austria-Auswahl das, wonach Nagelsmann mit dem DFB-Team strebt: "Wir müssen uns diesen Flow erarbeiten und dürfen nicht in die Opferrolle kommen. Dann wird sich das Blatt auch wieder wenden oder der Spieß sich drehen."
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